Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.- Studien zur französischen Cultur- und Literaturgeschichte von Fr- Krcyßig. Berlin. !865. Nicolaische Verlagsbuchhandlung. 528 S. 3. Zehn Essays über französische Dichter und Schriftsteller der neuesten Zeit, die - Studien zur französischen Cultur- und Literaturgeschichte von Fr- Krcyßig. Berlin. !865. Nicolaische Verlagsbuchhandlung. 528 S. 3. Zehn Essays über französische Dichter und Schriftsteller der neuesten Zeit, die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0505" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/283858"/> <p xml:id="ID_1458" prev="#ID_1457"> -<lb/> Vereinigung wahrscheinlich, glaubt der Verfasser verneinen zu müssen. Doch erinnert<lb/> er in Betreff des Gedankens einer Ausgleichung der Gegensätze aller Bekenntnisse<lb/> überhaupt an ein gutes Wort Döllingers. welches jeder Theolog sich zur Richtschnur<lb/> dienen lassen sollte: „Der Anerkennung und folgerechten Durchführung des Gesetzes<lb/> d°r historischen Entwickelung in der Lehre darf fortan kein wissenschaftlicher Theolog<lb/> s"h entschlagen."</p><lb/> </div> <div n="2"> <head> Studien zur französischen Cultur- und Literaturgeschichte von<lb/> Fr- Krcyßig. Berlin. !865. Nicolaische Verlagsbuchhandlung. 528 S. 3.</head><lb/> <p xml:id="ID_1459" next="#ID_1460"> Zehn Essays über französische Dichter und Schriftsteller der neuesten Zeit, die<lb/> Zugleich gewisse Momente des französischen socialen und politischen Lebens in dieser<lb/> Zeit repräsentiren. Böranger, Scribe und seine Schule, de Maistre und Lamennais,<lb/> Chateaubriand, Frau v. Staöl, Guizot, Lamartine, George Sand, Victor Hugo in<lb/> der Verbannung, endlich Louis Napoleon. Mehr und mehr wird in unsern Tagen<lb/> d>e eigentliche Bedeutung und das Wesen der ungeheuren Erscheinung begriffen, welche<lb/> Man die französische Revolution nennt. Wir wissen jetzt, daß sie nicht sowohl ein<lb/> Kampf um die oder jene Staatsform, als vielmehr das sich Einporringen des Mittel¬<lb/> standes zu der ihm gebührenden Stellung bedeutet. Zwei Umstände vorzüglich gaben,<lb/> wie der Verfasser im Vorwort auseinandersetzt, der Bewegung ihre gewaltige Expan-<lb/> sivkraft, hinderten aber gleichzeitig, daß sie die politischen Ziele erreichte, welche ihre<lb/> ersten Führer erstrebten, und nach welchen jetzt schon die dritte Generation hinarbeitet.<lb/> Der dritte Stand in Frankreich sah sich, ohne selbst fest organisirt zu sein, einer<lb/> wächtig entwickelten Staatsmaschine gegenüber, er bemühte sich also naturgemäß,<lb/> diese Maschine für sich umzugestalten, sie sich dienstbar zu machen. Das war die<lb/> erste Gefahr. Dazu aber kam eine zweite: der gegen die privilegirten Inhaber der<lb/> Gewalt anstürmende Ncchtsgedankc trat, da er keine Organe vorfand, welche seine<lb/> concrete Erscheinung hätten vermitteln und mäßigen können, als nackte Abstraction<lb/> ^r thatsächlichen Welt gegenüber und wirkte auf diese wie eine entfesselte Naturkraft.<lb/> »Die Lehre von den Mcnschcnrcchtensagt der geistvolle Essayist, „ergriff die Ge-<lb/> wüther wie der Sturm das Meer und thürmte aus den Tiefen der Gesellschaft in<lb/> e»leim Nu die Wogen in die Höhe, deren erstem Anprall die Bollwerke der bevor¬<lb/> rechteten Stände erlagen. Und als dann am Tage nach dem Siege das Princip,<lb/> welches ihn erfochten hatte, naturgemäß zu wirken fortfuhr, als die Masse der Ein¬<lb/> zelnen, deren Kraft sich nicht hinlänglich entwickelt erwies, um die ihnen gewährte<lb/> ^heoretischc Rechtsgleichheit wenigstens annähernd in eine thatsächliche Gleichheit der<lb/> "bensbcdingungen zu übersetzen, sich gegen die Grundlagen auch des neuen Zustandes<lb/> wandte, als die pulverisirten Massen sich in die bedenklichen Kategorien der „Be¬<lb/> friedigten" und der „Unbefriedigter" theilten, mußte wohl die centrale Staatsgewalt,<lb/> einzig unversehrt gebliebene Organ der Gesellschaft, sich als letzten Rettungsanker<lb/> erweisen, mußte jede neue Phase der Bewegung dazu dienen, ihre Uebermacht zu<lb/> wehren und die Heranbildung eines selbständig von alten auf wachsenden Poli-<lb/> ^ehen Lebens mehr und mehr zu erschweren. Hierzu rechne man die chevalereske<lb/> rundlage des gesammten französischen Volkes, seine Freude am Wagniß, sein Be-<lb/> "Miß nach Aufregung, seinen Durst nach äußerer Anerkennung und Geltung,</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0505]
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Vereinigung wahrscheinlich, glaubt der Verfasser verneinen zu müssen. Doch erinnert
er in Betreff des Gedankens einer Ausgleichung der Gegensätze aller Bekenntnisse
überhaupt an ein gutes Wort Döllingers. welches jeder Theolog sich zur Richtschnur
dienen lassen sollte: „Der Anerkennung und folgerechten Durchführung des Gesetzes
d°r historischen Entwickelung in der Lehre darf fortan kein wissenschaftlicher Theolog
s"h entschlagen."
Studien zur französischen Cultur- und Literaturgeschichte von
Fr- Krcyßig. Berlin. !865. Nicolaische Verlagsbuchhandlung. 528 S. 3.
Zehn Essays über französische Dichter und Schriftsteller der neuesten Zeit, die
Zugleich gewisse Momente des französischen socialen und politischen Lebens in dieser
Zeit repräsentiren. Böranger, Scribe und seine Schule, de Maistre und Lamennais,
Chateaubriand, Frau v. Staöl, Guizot, Lamartine, George Sand, Victor Hugo in
der Verbannung, endlich Louis Napoleon. Mehr und mehr wird in unsern Tagen
d>e eigentliche Bedeutung und das Wesen der ungeheuren Erscheinung begriffen, welche
Man die französische Revolution nennt. Wir wissen jetzt, daß sie nicht sowohl ein
Kampf um die oder jene Staatsform, als vielmehr das sich Einporringen des Mittel¬
standes zu der ihm gebührenden Stellung bedeutet. Zwei Umstände vorzüglich gaben,
wie der Verfasser im Vorwort auseinandersetzt, der Bewegung ihre gewaltige Expan-
sivkraft, hinderten aber gleichzeitig, daß sie die politischen Ziele erreichte, welche ihre
ersten Führer erstrebten, und nach welchen jetzt schon die dritte Generation hinarbeitet.
Der dritte Stand in Frankreich sah sich, ohne selbst fest organisirt zu sein, einer
wächtig entwickelten Staatsmaschine gegenüber, er bemühte sich also naturgemäß,
diese Maschine für sich umzugestalten, sie sich dienstbar zu machen. Das war die
erste Gefahr. Dazu aber kam eine zweite: der gegen die privilegirten Inhaber der
Gewalt anstürmende Ncchtsgedankc trat, da er keine Organe vorfand, welche seine
concrete Erscheinung hätten vermitteln und mäßigen können, als nackte Abstraction
^r thatsächlichen Welt gegenüber und wirkte auf diese wie eine entfesselte Naturkraft.
»Die Lehre von den Mcnschcnrcchtensagt der geistvolle Essayist, „ergriff die Ge-
wüther wie der Sturm das Meer und thürmte aus den Tiefen der Gesellschaft in
e»leim Nu die Wogen in die Höhe, deren erstem Anprall die Bollwerke der bevor¬
rechteten Stände erlagen. Und als dann am Tage nach dem Siege das Princip,
welches ihn erfochten hatte, naturgemäß zu wirken fortfuhr, als die Masse der Ein¬
zelnen, deren Kraft sich nicht hinlänglich entwickelt erwies, um die ihnen gewährte
^heoretischc Rechtsgleichheit wenigstens annähernd in eine thatsächliche Gleichheit der
"bensbcdingungen zu übersetzen, sich gegen die Grundlagen auch des neuen Zustandes
wandte, als die pulverisirten Massen sich in die bedenklichen Kategorien der „Be¬
friedigten" und der „Unbefriedigter" theilten, mußte wohl die centrale Staatsgewalt,
einzig unversehrt gebliebene Organ der Gesellschaft, sich als letzten Rettungsanker
erweisen, mußte jede neue Phase der Bewegung dazu dienen, ihre Uebermacht zu
wehren und die Heranbildung eines selbständig von alten auf wachsenden Poli-
^ehen Lebens mehr und mehr zu erschweren. Hierzu rechne man die chevalereske
rundlage des gesammten französischen Volkes, seine Freude am Wagniß, sein Be-
"Miß nach Aufregung, seinen Durst nach äußerer Anerkennung und Geltung,
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