Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
Charakterbilder aus den ersten Jahren Neu-Oestreichs.

^schichte Oestreichs seit dem wiener Frieden 1809. Von Anton Springer. Zweiter
Thut. Leipzig, Verlag von S. Hirzel. 1865. Staatengeschichte der neuesten Zeit.
Zehnter Band. 774 S. gr. 8.

Mit großer Befriedigung haben wir diesen neuen Band der Hirzelschen
^taatengeschichte gelesen. Wenn es auch in unsrer objectiver urtheilenden und
durchsichtigerem Zeit überhaupt noch Schwierigkeiten hat. die Geschichte der un¬
mittelbaren Vergangenheit zu schreiben, da für ein solches Unternehmen immer
"och nur schwer die nothwendige Unbefangenheit und Freiheit zu gewinnen
und noch weniger leicht das erforderliche zuverlässige Material zu beschaffen ist,
so müssen die Schwierigkeiten bei einer Geschichte Neu-Oestreichs, die mit diesem
Bande eigentlich erst beginnt, sich schon dadurch mehren, daß die Monarchie
°er Habsburger ein so bunt zusammengesetzter, vielgliedriger und von den ver-
schiedensten Kräften und Interessen bewegter Körper ist, wie kein andrer Staat
Europas, und daß daS Chaos, in welches dieselbe in der hier behandelten Pe-
"ode zerfiel, demzufolge besonders wirr und dunkel war. Daß die Aufhellung
^ses Chaos gegenwärtig noch mit einigen Hindernissen unüberwindlicher Art
in kämpfen hat. daß eine spätere Zeit, welcher mehr Quellen geöffnet sind,
^§ und jenes anders auffassen, über das Eine und das Andere strenger oder
Guter urtheilen und noch mehr Lücken in unsrer Kenntniß ausfüllen wird, als
^geschehen, liegt in der Natur der Sache. Daß aber die Aufgabe, die
Springer sich mit diesem Theil seiner Arbeit gestellt, im Großen und Ganzen
""d selbst jn den meisten Details zu lösen war. hat er jetzt glänzend bewiesen.

Wohl vertraut mit der historischen Methode, zwar einen sehr bestimmten
^litischen Standpunkt einnehmend, aber durch kein Parteiprogramm zu un-
kluger Vertheilung von Schatten und Licht verblendet, gründlich bekannt mit
^ Borgeschichte seines Gegenstandes und in gleicher Weise mit den nun in
ctracht kommenden Zuständen, Vorgängen und Persönlichkeiten, aus Quellen
Köpfend, die durchaus wohl gewählt sind, und die namentlich in Betreff der
^mischen und ungarischen Verhältnisse nichts zu wünschen übriglassen, hat


Grenzboten III. 1866. 61
Charakterbilder aus den ersten Jahren Neu-Oestreichs.

^schichte Oestreichs seit dem wiener Frieden 1809. Von Anton Springer. Zweiter
Thut. Leipzig, Verlag von S. Hirzel. 1865. Staatengeschichte der neuesten Zeit.
Zehnter Band. 774 S. gr. 8.

Mit großer Befriedigung haben wir diesen neuen Band der Hirzelschen
^taatengeschichte gelesen. Wenn es auch in unsrer objectiver urtheilenden und
durchsichtigerem Zeit überhaupt noch Schwierigkeiten hat. die Geschichte der un¬
mittelbaren Vergangenheit zu schreiben, da für ein solches Unternehmen immer
"och nur schwer die nothwendige Unbefangenheit und Freiheit zu gewinnen
und noch weniger leicht das erforderliche zuverlässige Material zu beschaffen ist,
so müssen die Schwierigkeiten bei einer Geschichte Neu-Oestreichs, die mit diesem
Bande eigentlich erst beginnt, sich schon dadurch mehren, daß die Monarchie
°er Habsburger ein so bunt zusammengesetzter, vielgliedriger und von den ver-
schiedensten Kräften und Interessen bewegter Körper ist, wie kein andrer Staat
Europas, und daß daS Chaos, in welches dieselbe in der hier behandelten Pe-
"ode zerfiel, demzufolge besonders wirr und dunkel war. Daß die Aufhellung
^ses Chaos gegenwärtig noch mit einigen Hindernissen unüberwindlicher Art
in kämpfen hat. daß eine spätere Zeit, welcher mehr Quellen geöffnet sind,
^§ und jenes anders auffassen, über das Eine und das Andere strenger oder
Guter urtheilen und noch mehr Lücken in unsrer Kenntniß ausfüllen wird, als
^geschehen, liegt in der Natur der Sache. Daß aber die Aufgabe, die
Springer sich mit diesem Theil seiner Arbeit gestellt, im Großen und Ganzen
""d selbst jn den meisten Details zu lösen war. hat er jetzt glänzend bewiesen.

Wohl vertraut mit der historischen Methode, zwar einen sehr bestimmten
^litischen Standpunkt einnehmend, aber durch kein Parteiprogramm zu un-
kluger Vertheilung von Schatten und Licht verblendet, gründlich bekannt mit
^ Borgeschichte seines Gegenstandes und in gleicher Weise mit den nun in
ctracht kommenden Zuständen, Vorgängen und Persönlichkeiten, aus Quellen
Köpfend, die durchaus wohl gewählt sind, und die namentlich in Betreff der
^mischen und ungarischen Verhältnisse nichts zu wünschen übriglassen, hat


Grenzboten III. 1866. 61
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0469" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/283822"/>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Charakterbilder aus den ersten Jahren Neu-Oestreichs.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1348"> ^schichte Oestreichs seit dem wiener Frieden 1809. Von Anton Springer. Zweiter<lb/>
Thut.  Leipzig, Verlag von S. Hirzel. 1865. Staatengeschichte der neuesten Zeit.<lb/>
Zehnter Band. 774 S. gr. 8.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1349"> Mit großer Befriedigung haben wir diesen neuen Band der Hirzelschen<lb/>
^taatengeschichte gelesen. Wenn es auch in unsrer objectiver urtheilenden und<lb/>
durchsichtigerem Zeit überhaupt noch Schwierigkeiten hat. die Geschichte der un¬<lb/>
mittelbaren Vergangenheit zu schreiben, da für ein solches Unternehmen immer<lb/>
"och nur schwer die nothwendige Unbefangenheit und Freiheit zu gewinnen<lb/>
und noch weniger leicht das erforderliche zuverlässige Material zu beschaffen ist,<lb/>
so müssen die Schwierigkeiten bei einer Geschichte Neu-Oestreichs, die mit diesem<lb/>
Bande eigentlich erst beginnt, sich schon dadurch mehren, daß die Monarchie<lb/>
°er Habsburger ein so bunt zusammengesetzter, vielgliedriger und von den ver-<lb/>
schiedensten Kräften und Interessen bewegter Körper ist, wie kein andrer Staat<lb/>
Europas, und daß daS Chaos, in welches dieselbe in der hier behandelten Pe-<lb/>
"ode zerfiel, demzufolge besonders wirr und dunkel war. Daß die Aufhellung<lb/>
^ses Chaos gegenwärtig noch mit einigen Hindernissen unüberwindlicher Art<lb/>
in kämpfen hat. daß eine spätere Zeit, welcher mehr Quellen geöffnet sind,<lb/>
^§ und jenes anders auffassen, über das Eine und das Andere strenger oder<lb/>
Guter urtheilen und noch mehr Lücken in unsrer Kenntniß ausfüllen wird, als<lb/>
^geschehen, liegt in der Natur der Sache. Daß aber die Aufgabe, die<lb/>
Springer sich mit diesem Theil seiner Arbeit gestellt, im Großen und Ganzen<lb/>
""d selbst jn den meisten Details zu lösen war. hat er jetzt glänzend bewiesen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1350" next="#ID_1351"> Wohl vertraut mit der historischen Methode, zwar einen sehr bestimmten<lb/>
^litischen Standpunkt einnehmend, aber durch kein Parteiprogramm zu un-<lb/>
kluger Vertheilung von Schatten und Licht verblendet, gründlich bekannt mit<lb/>
^ Borgeschichte seines Gegenstandes und in gleicher Weise mit den nun in<lb/>
ctracht kommenden Zuständen, Vorgängen und Persönlichkeiten, aus Quellen<lb/>
Köpfend, die durchaus wohl gewählt sind, und die namentlich in Betreff der<lb/>
^mischen und ungarischen Verhältnisse nichts zu wünschen übriglassen, hat</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten III. 1866. 61</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0469] Charakterbilder aus den ersten Jahren Neu-Oestreichs. ^schichte Oestreichs seit dem wiener Frieden 1809. Von Anton Springer. Zweiter Thut. Leipzig, Verlag von S. Hirzel. 1865. Staatengeschichte der neuesten Zeit. Zehnter Band. 774 S. gr. 8. Mit großer Befriedigung haben wir diesen neuen Band der Hirzelschen ^taatengeschichte gelesen. Wenn es auch in unsrer objectiver urtheilenden und durchsichtigerem Zeit überhaupt noch Schwierigkeiten hat. die Geschichte der un¬ mittelbaren Vergangenheit zu schreiben, da für ein solches Unternehmen immer "och nur schwer die nothwendige Unbefangenheit und Freiheit zu gewinnen und noch weniger leicht das erforderliche zuverlässige Material zu beschaffen ist, so müssen die Schwierigkeiten bei einer Geschichte Neu-Oestreichs, die mit diesem Bande eigentlich erst beginnt, sich schon dadurch mehren, daß die Monarchie °er Habsburger ein so bunt zusammengesetzter, vielgliedriger und von den ver- schiedensten Kräften und Interessen bewegter Körper ist, wie kein andrer Staat Europas, und daß daS Chaos, in welches dieselbe in der hier behandelten Pe- "ode zerfiel, demzufolge besonders wirr und dunkel war. Daß die Aufhellung ^ses Chaos gegenwärtig noch mit einigen Hindernissen unüberwindlicher Art in kämpfen hat. daß eine spätere Zeit, welcher mehr Quellen geöffnet sind, ^§ und jenes anders auffassen, über das Eine und das Andere strenger oder Guter urtheilen und noch mehr Lücken in unsrer Kenntniß ausfüllen wird, als ^geschehen, liegt in der Natur der Sache. Daß aber die Aufgabe, die Springer sich mit diesem Theil seiner Arbeit gestellt, im Großen und Ganzen ""d selbst jn den meisten Details zu lösen war. hat er jetzt glänzend bewiesen. Wohl vertraut mit der historischen Methode, zwar einen sehr bestimmten ^litischen Standpunkt einnehmend, aber durch kein Parteiprogramm zu un- kluger Vertheilung von Schatten und Licht verblendet, gründlich bekannt mit ^ Borgeschichte seines Gegenstandes und in gleicher Weise mit den nun in ctracht kommenden Zuständen, Vorgängen und Persönlichkeiten, aus Quellen Köpfend, die durchaus wohl gewählt sind, und die namentlich in Betreff der ^mischen und ungarischen Verhältnisse nichts zu wünschen übriglassen, hat Grenzboten III. 1866. 61

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/469
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/469>, abgerufen am 15.01.2025.