Neue Essays über Kunst und Literatur. Von Hermann Grimm. Berlin, 1865. Verlag von Dümmler.
Zwei Abhandlungen dieser Sammlung beschäftigen sich mit Peter v. Cor¬ nelius, seinen Cartons und der Stellung, die Berlin zu den Werken des .Künst¬ lers eingenommen hat, eine dritte charakterisirt den amerikanischen Philosophen Emerson oder giebt vielmehr den Eindruck wieder, den dieser eigen geartete Geist und seine Auffcissung von Welt und Menschen auf den Verfasser gemacht haben. Andere Essays behandeln Raphaels Disputa, seine Sonette und seine Geliebte, den Verfall der Kunst in Italien, Alexander v. Humboldt, Varnhagens Tage¬ bücher, die Akademie der Künste und das Verhältniß der Künstler zum Staate (ein Aufsatz, in welchem der Nachweis geführt wird, daß es auf ein Mißver¬ ständniß hinausläuft, wenn man auf Akademien Künstler zu bilden meint, wie auf Universitäten Aerzte und Juristen), Goethe in Italien (wohl das Beste, was der Verfasser hier bietet, und begreiflicherweise, da in ihm ein mit jenem Triebe, der Goethe nach Italien führte, verwandtes Empfinden lebt), endlich Dante und die letzten Kämpfe in Italien, wo Grimm Wildes Meinung wider¬ legt, nach welcher Dante ein Gegner der politischen Richtung gewesen wäre, die jetzt in Italien zum Ziele ihrer Bestrebungen zu gelangen im Begriff ist. Bei den meisten dieser Arbeiten kann man mit den Resultaten, zu denen der Ver¬ sasser kommt, einverstanden sein, so namentlich mit der Klage über die Ver¬ nachlässigung, welche in Berlin die corneliusschen Cartons erfahren. Bei allen erfreut ein für das Lichte, Hohe und Schöne lebhaft empfindendes Gemüth und eine edle Sprache voll Anmuth und Wohlklang, voll Ruhe und Klarheit, ein Stil, den man als.einen sonnigen bezeichnen kann, und in dem die betreffenden Gegenstände wie Bilder auf Goldgrund erscheinen. Bisweilen freilich vermißt man in der Stimmung, aus der dieser Stil hervorgeht, die kritische Begabung, und es scheint, als tauche der Verfasser seine Feder mehr, als erlaubt, in Liebe und Bewunderung. Seine Bilder ermangeln dann der Schatten, seine Urtheile der Objectivität, es ist ein lyrischer Zug darin. Wir erfahren mehr von dem warmen Wohlgefallen, welches die Gegenstände dem zu uns Redenden einflö߬ ten, als von den Gegenständen, wie sie an und für sich sind. Solche Stellen sind nicht gerade sehr häufig, und selbst da, wo wir ihnen begegnen, kommt es nicht leicht zu völlig irriger Auffassung, da ein so feiner Kopf und ein so ge¬ bildeter Geschmack wie der des Verfassers dieser Essays selten fehlgreift. Aber der rein beschauliche Ton. das starke Vorwiegen der Bewunderung giebt dein
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Belletristische Literatur.
Neue Essays über Kunst und Literatur. Von Hermann Grimm. Berlin, 1865. Verlag von Dümmler.
Zwei Abhandlungen dieser Sammlung beschäftigen sich mit Peter v. Cor¬ nelius, seinen Cartons und der Stellung, die Berlin zu den Werken des .Künst¬ lers eingenommen hat, eine dritte charakterisirt den amerikanischen Philosophen Emerson oder giebt vielmehr den Eindruck wieder, den dieser eigen geartete Geist und seine Auffcissung von Welt und Menschen auf den Verfasser gemacht haben. Andere Essays behandeln Raphaels Disputa, seine Sonette und seine Geliebte, den Verfall der Kunst in Italien, Alexander v. Humboldt, Varnhagens Tage¬ bücher, die Akademie der Künste und das Verhältniß der Künstler zum Staate (ein Aufsatz, in welchem der Nachweis geführt wird, daß es auf ein Mißver¬ ständniß hinausläuft, wenn man auf Akademien Künstler zu bilden meint, wie auf Universitäten Aerzte und Juristen), Goethe in Italien (wohl das Beste, was der Verfasser hier bietet, und begreiflicherweise, da in ihm ein mit jenem Triebe, der Goethe nach Italien führte, verwandtes Empfinden lebt), endlich Dante und die letzten Kämpfe in Italien, wo Grimm Wildes Meinung wider¬ legt, nach welcher Dante ein Gegner der politischen Richtung gewesen wäre, die jetzt in Italien zum Ziele ihrer Bestrebungen zu gelangen im Begriff ist. Bei den meisten dieser Arbeiten kann man mit den Resultaten, zu denen der Ver¬ sasser kommt, einverstanden sein, so namentlich mit der Klage über die Ver¬ nachlässigung, welche in Berlin die corneliusschen Cartons erfahren. Bei allen erfreut ein für das Lichte, Hohe und Schöne lebhaft empfindendes Gemüth und eine edle Sprache voll Anmuth und Wohlklang, voll Ruhe und Klarheit, ein Stil, den man als.einen sonnigen bezeichnen kann, und in dem die betreffenden Gegenstände wie Bilder auf Goldgrund erscheinen. Bisweilen freilich vermißt man in der Stimmung, aus der dieser Stil hervorgeht, die kritische Begabung, und es scheint, als tauche der Verfasser seine Feder mehr, als erlaubt, in Liebe und Bewunderung. Seine Bilder ermangeln dann der Schatten, seine Urtheile der Objectivität, es ist ein lyrischer Zug darin. Wir erfahren mehr von dem warmen Wohlgefallen, welches die Gegenstände dem zu uns Redenden einflö߬ ten, als von den Gegenständen, wie sie an und für sich sind. Solche Stellen sind nicht gerade sehr häufig, und selbst da, wo wir ihnen begegnen, kommt es nicht leicht zu völlig irriger Auffassung, da ein so feiner Kopf und ein so ge¬ bildeter Geschmack wie der des Verfassers dieser Essays selten fehlgreift. Aber der rein beschauliche Ton. das starke Vorwiegen der Bewunderung giebt dein
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Belletristische Literatur.
Neue Essays über Kunst und Literatur. Von Hermann Grimm.
Berlin, 1865. Verlag von Dümmler.
Zwei Abhandlungen dieser Sammlung beschäftigen sich mit Peter v. Cor¬
nelius, seinen Cartons und der Stellung, die Berlin zu den Werken des .Künst¬
lers eingenommen hat, eine dritte charakterisirt den amerikanischen Philosophen
Emerson oder giebt vielmehr den Eindruck wieder, den dieser eigen geartete Geist
und seine Auffcissung von Welt und Menschen auf den Verfasser gemacht haben.
Andere Essays behandeln Raphaels Disputa, seine Sonette und seine Geliebte,
den Verfall der Kunst in Italien, Alexander v. Humboldt, Varnhagens Tage¬
bücher, die Akademie der Künste und das Verhältniß der Künstler zum Staate
(ein Aufsatz, in welchem der Nachweis geführt wird, daß es auf ein Mißver¬
ständniß hinausläuft, wenn man auf Akademien Künstler zu bilden meint, wie
auf Universitäten Aerzte und Juristen), Goethe in Italien (wohl das Beste,
was der Verfasser hier bietet, und begreiflicherweise, da in ihm ein mit jenem
Triebe, der Goethe nach Italien führte, verwandtes Empfinden lebt), endlich
Dante und die letzten Kämpfe in Italien, wo Grimm Wildes Meinung wider¬
legt, nach welcher Dante ein Gegner der politischen Richtung gewesen wäre, die
jetzt in Italien zum Ziele ihrer Bestrebungen zu gelangen im Begriff ist. Bei
den meisten dieser Arbeiten kann man mit den Resultaten, zu denen der Ver¬
sasser kommt, einverstanden sein, so namentlich mit der Klage über die Ver¬
nachlässigung, welche in Berlin die corneliusschen Cartons erfahren. Bei allen
erfreut ein für das Lichte, Hohe und Schöne lebhaft empfindendes Gemüth und
eine edle Sprache voll Anmuth und Wohlklang, voll Ruhe und Klarheit, ein
Stil, den man als.einen sonnigen bezeichnen kann, und in dem die betreffenden
Gegenstände wie Bilder auf Goldgrund erscheinen. Bisweilen freilich vermißt
man in der Stimmung, aus der dieser Stil hervorgeht, die kritische Begabung,
und es scheint, als tauche der Verfasser seine Feder mehr, als erlaubt, in Liebe
und Bewunderung. Seine Bilder ermangeln dann der Schatten, seine Urtheile
der Objectivität, es ist ein lyrischer Zug darin. Wir erfahren mehr von dem
warmen Wohlgefallen, welches die Gegenstände dem zu uns Redenden einflö߬
ten, als von den Gegenständen, wie sie an und für sich sind. Solche Stellen
sind nicht gerade sehr häufig, und selbst da, wo wir ihnen begegnen, kommt es
nicht leicht zu völlig irriger Auffassung, da ein so feiner Kopf und ein so ge¬
bildeter Geschmack wie der des Verfassers dieser Essays selten fehlgreift. Aber
der rein beschauliche Ton. das starke Vorwiegen der Bewunderung giebt dein
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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/269>, abgerufen am 23.01.2025.
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