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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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ahnte nicht, daß schon das morgende Zeitungsblatt zugleich mit dem ersten
Bericht über seinen oratorischen Triumph auch den verhängnißvollen Brief
selbst, und mit diesem Actenstück von jetzt eingestandener Echtheit aus dem
Schooße der eignen Partei eine vernichtende Kritik seiner diplomatischen Lei¬
stungen bringen sollte! Armer Fest-und Strafredner! so schnell mußtest auch du
mit dem harten Eisen der Poine dich gebrandmarkt fühlen!


Hoffnungen.

In bekannter Weise muß auch bei dieser Gelegenheit das
Wort des Königs von Preußen, daß Preußen überall für das Recht eintrete,
zum Beweise dafür herhalten, daß Schleswig-Holstein sein Recht, sein ganzes
Recht und Preußen wenig oder nichts zu erhalten habe. Auch hier das schüch¬
terne Schielen nach dem Auslande in dem wiederholten Hinweise auf "die
großen europäischen Verhältnisse", "die europäische Politik", die mehr als den
Bundesstaat in Deutschland nie zugeben werde: man kennt ja sattsam die
Schmerzensschreie aus dem auaustenburgischen Lager bald an Oestreichs, bald an
Frankreichs Adresse! Herr F. scheint sich aber hiervon selbst nicht viel Erfolg zu Ver¬
sprechen; darumwirdmitdemdeutschenBürgerkriegegedroht, der unfehlbar eintreten
werde, wenn man "die Freiheit der deutschen Stämme" nicht respectire! Die be¬
treffenden frommen Wünsche der in Schleswig-Holstein herrschenden Partei sind nicht
neu, ebensowenig aber, daß ihre Aussichten auf eine deutsche Vendee äußerst
gering sind. Es ist kein Geheimniß, daß vielmehr die UnPopularität des Ministe¬
riums Bismarck und das Band des gemeinsamen Hasses, das die Fortschritts¬
partei mit der herzoglichen Partei in Kiel verbindet, der wahre Nothanker
der letzteren ist. Auch Herr F. ermangelt nicht, über "die beispiellose innere
Zerwürfniß", die Preußens Action hemme, schadenfroh die Hände zu reiben
und sich über den "vaterländischen Hauch" zu freuen, "der gottlob auch aus
Preußen zu uns herüberwehe"; das heißt, in schlichte Prosa übersetzt, über den
beispiellosen Compromiß, den ein Theil der Fortschrittspartei mit den kieler
Legitimisten geschlossen hat, um einen persönlichen Feind zu ärgern und die
deutsche Machtstellung des preußischen Staats auf Decennien hinaus zu schädigen.
Seit der Besiegelung jenes unnatürlichen Compromisses fließen die Höfischen in
den Herzogthümern über von Lobsprüchen für die preußische Opposition: man
sollte meinen, manchem braven preußischen Patrioten müßte die Scham über
solches Lob von solcher Seite wie höllisches Feuer auf den Wangen brennen.
Wer in Preußen noch etwa in Zweifel sein sollte, wie die herrschende Partei
in Schleswig-Holstein jenen Compromiß auffaßt, der möge die dreisten Hohn¬
worte Herrn Forchhammers S. 16 beherzigen, die einzigen in der ganzen Rede,
wo etwas von den Pflichten der Schleswig-Holsteiner gegen ihre Retter vor¬
kommt: "Sie haben den Dank, den wir als Mitkämpfende zu leisten begehrten,
verschmäht. Sie werden es nicht als Undankbarkeit auslegen, wenn wir uns
selbst gehören wollen, damit unser Dank um so freier und wahrer sei".


Grenzboten III. 18KS. 30

ahnte nicht, daß schon das morgende Zeitungsblatt zugleich mit dem ersten
Bericht über seinen oratorischen Triumph auch den verhängnißvollen Brief
selbst, und mit diesem Actenstück von jetzt eingestandener Echtheit aus dem
Schooße der eignen Partei eine vernichtende Kritik seiner diplomatischen Lei¬
stungen bringen sollte! Armer Fest-und Strafredner! so schnell mußtest auch du
mit dem harten Eisen der Poine dich gebrandmarkt fühlen!


Hoffnungen.

In bekannter Weise muß auch bei dieser Gelegenheit das
Wort des Königs von Preußen, daß Preußen überall für das Recht eintrete,
zum Beweise dafür herhalten, daß Schleswig-Holstein sein Recht, sein ganzes
Recht und Preußen wenig oder nichts zu erhalten habe. Auch hier das schüch¬
terne Schielen nach dem Auslande in dem wiederholten Hinweise auf „die
großen europäischen Verhältnisse", „die europäische Politik", die mehr als den
Bundesstaat in Deutschland nie zugeben werde: man kennt ja sattsam die
Schmerzensschreie aus dem auaustenburgischen Lager bald an Oestreichs, bald an
Frankreichs Adresse! Herr F. scheint sich aber hiervon selbst nicht viel Erfolg zu Ver¬
sprechen; darumwirdmitdemdeutschenBürgerkriegegedroht, der unfehlbar eintreten
werde, wenn man „die Freiheit der deutschen Stämme" nicht respectire! Die be¬
treffenden frommen Wünsche der in Schleswig-Holstein herrschenden Partei sind nicht
neu, ebensowenig aber, daß ihre Aussichten auf eine deutsche Vendee äußerst
gering sind. Es ist kein Geheimniß, daß vielmehr die UnPopularität des Ministe¬
riums Bismarck und das Band des gemeinsamen Hasses, das die Fortschritts¬
partei mit der herzoglichen Partei in Kiel verbindet, der wahre Nothanker
der letzteren ist. Auch Herr F. ermangelt nicht, über „die beispiellose innere
Zerwürfniß", die Preußens Action hemme, schadenfroh die Hände zu reiben
und sich über den „vaterländischen Hauch" zu freuen, „der gottlob auch aus
Preußen zu uns herüberwehe"; das heißt, in schlichte Prosa übersetzt, über den
beispiellosen Compromiß, den ein Theil der Fortschrittspartei mit den kieler
Legitimisten geschlossen hat, um einen persönlichen Feind zu ärgern und die
deutsche Machtstellung des preußischen Staats auf Decennien hinaus zu schädigen.
Seit der Besiegelung jenes unnatürlichen Compromisses fließen die Höfischen in
den Herzogthümern über von Lobsprüchen für die preußische Opposition: man
sollte meinen, manchem braven preußischen Patrioten müßte die Scham über
solches Lob von solcher Seite wie höllisches Feuer auf den Wangen brennen.
Wer in Preußen noch etwa in Zweifel sein sollte, wie die herrschende Partei
in Schleswig-Holstein jenen Compromiß auffaßt, der möge die dreisten Hohn¬
worte Herrn Forchhammers S. 16 beherzigen, die einzigen in der ganzen Rede,
wo etwas von den Pflichten der Schleswig-Holsteiner gegen ihre Retter vor¬
kommt: „Sie haben den Dank, den wir als Mitkämpfende zu leisten begehrten,
verschmäht. Sie werden es nicht als Undankbarkeit auslegen, wenn wir uns
selbst gehören wollen, damit unser Dank um so freier und wahrer sei".


Grenzboten III. 18KS. 30
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/249>, abgerufen am 15.01.2025.