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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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Peter Forchhammer hat gesprochen.

"Mein Herz brummet über Moab wie eine
Harfe, und mein Inwendiges über Kirhcrcs."

Ich. 16, 11.

Wissenschaftliche Arbeiten Peter Forchhammers haben nicht selten das
Schicksal, von Laien mit ernstem Kopfschütteln, von Fachgenossen mit sicherer
Heiterkeit bei Seite gelegt zu werden. Die von ihm bei der Geburtstags¬
feier deS 6. Juli 1865 in Kiel gehaltene akademische Festrede verdient ausnahms¬
weise größere Beachtung. Einerseits, weil sie unter der Aegide der Landes¬
universität erschienen ist, die damit einen Theil der Verantwortlichkeit für die
Ansichten des Festredners übernimmt; andrerseits wegen der auf Wissenschaft¬
lichkeit kaum Anspruch machenden Haltung der Rede, die von der Rhetorik,
mit der in den Schleswig-holsteinischen und in den Kampfgenossenvereinen ge¬
wirkt wird, ein recht anschauliches Bild giebt. Die ofsiciöse Haltung der au-
gustenburgischen Partei gegen das Ausland kennt man genügend durch Leit¬
artikel namentlich des Hamburger Korrespondenten und der Deutschen Reichs-
zeitung: das ist aber nur das Brod für wohlgesinnte, gläubige Deutsche; soll
die Kenntniß der Politik jener Partei keine einseitige bleiben, so muß man auch
von den Steinen Notiz nehmen, die dem zähen Gaumen des eigenen Volkes
geboten werden. Wem Zeit und Lust fehlen, sich zu diesem Behufe durch ein
Dutzend Nummern der Schleswig-holsteinischen Zeitung durchzuarbeiten, dem
kommt die genannte Festrede in erfreulicher Weise zu Hilfe. Ausgetheilte Pa¬
rolen, demagogische Lockspeisen, Parteischlagwörter, politische Feigenblätter,
Verheißungen, Klagen, Hoffnungen -- alles das mit den ureigenen Phrasen
der Schleswig-holsteinischen Zeitung auf 17 oder eigentlich nur ö Quartseiten!
Denn der ganze Anfang, ein trivialer Rückblick auf die Stellung des Landes
unter den Dänen, ist nichts als ein Anhängsel, welches Herrn F. durch
das akademische Decorum aufgenöthigt worden ist. Was will man mehr? Der
ganze augustenburgische Apparat in der Westentasche! Bei der Verworrenheit,
mit der dieses reiche Material bei Herrn F. durcheinanderwirbelt, glaube ich
mir um Ihre Leser ein Verdienst zu erwerben, wenn ich es nach gewissen Ru¬
briken ordne und die nöthige Gebrauchsanweisung hinzufüge.

Ausgegebene Parolen.

Seitdem das Zusammentreten einer nationalen
Partei in den Herzogtümern sich nicht länger hatte verhindern lassen, ist das
Not ä'orllre ausgetheilt worden, die Liberalen, welche für Unterordnung unter
Preußen sind, nach Kräften einzuschüchtern und als Verräther zu brandmarken,


Peter Forchhammer hat gesprochen.

„Mein Herz brummet über Moab wie eine
Harfe, und mein Inwendiges über Kirhcrcs."

Ich. 16, 11.

Wissenschaftliche Arbeiten Peter Forchhammers haben nicht selten das
Schicksal, von Laien mit ernstem Kopfschütteln, von Fachgenossen mit sicherer
Heiterkeit bei Seite gelegt zu werden. Die von ihm bei der Geburtstags¬
feier deS 6. Juli 1865 in Kiel gehaltene akademische Festrede verdient ausnahms¬
weise größere Beachtung. Einerseits, weil sie unter der Aegide der Landes¬
universität erschienen ist, die damit einen Theil der Verantwortlichkeit für die
Ansichten des Festredners übernimmt; andrerseits wegen der auf Wissenschaft¬
lichkeit kaum Anspruch machenden Haltung der Rede, die von der Rhetorik,
mit der in den Schleswig-holsteinischen und in den Kampfgenossenvereinen ge¬
wirkt wird, ein recht anschauliches Bild giebt. Die ofsiciöse Haltung der au-
gustenburgischen Partei gegen das Ausland kennt man genügend durch Leit¬
artikel namentlich des Hamburger Korrespondenten und der Deutschen Reichs-
zeitung: das ist aber nur das Brod für wohlgesinnte, gläubige Deutsche; soll
die Kenntniß der Politik jener Partei keine einseitige bleiben, so muß man auch
von den Steinen Notiz nehmen, die dem zähen Gaumen des eigenen Volkes
geboten werden. Wem Zeit und Lust fehlen, sich zu diesem Behufe durch ein
Dutzend Nummern der Schleswig-holsteinischen Zeitung durchzuarbeiten, dem
kommt die genannte Festrede in erfreulicher Weise zu Hilfe. Ausgetheilte Pa¬
rolen, demagogische Lockspeisen, Parteischlagwörter, politische Feigenblätter,
Verheißungen, Klagen, Hoffnungen — alles das mit den ureigenen Phrasen
der Schleswig-holsteinischen Zeitung auf 17 oder eigentlich nur ö Quartseiten!
Denn der ganze Anfang, ein trivialer Rückblick auf die Stellung des Landes
unter den Dänen, ist nichts als ein Anhängsel, welches Herrn F. durch
das akademische Decorum aufgenöthigt worden ist. Was will man mehr? Der
ganze augustenburgische Apparat in der Westentasche! Bei der Verworrenheit,
mit der dieses reiche Material bei Herrn F. durcheinanderwirbelt, glaube ich
mir um Ihre Leser ein Verdienst zu erwerben, wenn ich es nach gewissen Ru¬
briken ordne und die nöthige Gebrauchsanweisung hinzufüge.

Ausgegebene Parolen.

Seitdem das Zusammentreten einer nationalen
Partei in den Herzogtümern sich nicht länger hatte verhindern lassen, ist das
Not ä'orllre ausgetheilt worden, die Liberalen, welche für Unterordnung unter
Preußen sind, nach Kräften einzuschüchtern und als Verräther zu brandmarken,


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[0244] Peter Forchhammer hat gesprochen. „Mein Herz brummet über Moab wie eine Harfe, und mein Inwendiges über Kirhcrcs." Ich. 16, 11. Wissenschaftliche Arbeiten Peter Forchhammers haben nicht selten das Schicksal, von Laien mit ernstem Kopfschütteln, von Fachgenossen mit sicherer Heiterkeit bei Seite gelegt zu werden. Die von ihm bei der Geburtstags¬ feier deS 6. Juli 1865 in Kiel gehaltene akademische Festrede verdient ausnahms¬ weise größere Beachtung. Einerseits, weil sie unter der Aegide der Landes¬ universität erschienen ist, die damit einen Theil der Verantwortlichkeit für die Ansichten des Festredners übernimmt; andrerseits wegen der auf Wissenschaft¬ lichkeit kaum Anspruch machenden Haltung der Rede, die von der Rhetorik, mit der in den Schleswig-holsteinischen und in den Kampfgenossenvereinen ge¬ wirkt wird, ein recht anschauliches Bild giebt. Die ofsiciöse Haltung der au- gustenburgischen Partei gegen das Ausland kennt man genügend durch Leit¬ artikel namentlich des Hamburger Korrespondenten und der Deutschen Reichs- zeitung: das ist aber nur das Brod für wohlgesinnte, gläubige Deutsche; soll die Kenntniß der Politik jener Partei keine einseitige bleiben, so muß man auch von den Steinen Notiz nehmen, die dem zähen Gaumen des eigenen Volkes geboten werden. Wem Zeit und Lust fehlen, sich zu diesem Behufe durch ein Dutzend Nummern der Schleswig-holsteinischen Zeitung durchzuarbeiten, dem kommt die genannte Festrede in erfreulicher Weise zu Hilfe. Ausgetheilte Pa¬ rolen, demagogische Lockspeisen, Parteischlagwörter, politische Feigenblätter, Verheißungen, Klagen, Hoffnungen — alles das mit den ureigenen Phrasen der Schleswig-holsteinischen Zeitung auf 17 oder eigentlich nur ö Quartseiten! Denn der ganze Anfang, ein trivialer Rückblick auf die Stellung des Landes unter den Dänen, ist nichts als ein Anhängsel, welches Herrn F. durch das akademische Decorum aufgenöthigt worden ist. Was will man mehr? Der ganze augustenburgische Apparat in der Westentasche! Bei der Verworrenheit, mit der dieses reiche Material bei Herrn F. durcheinanderwirbelt, glaube ich mir um Ihre Leser ein Verdienst zu erwerben, wenn ich es nach gewissen Ru¬ briken ordne und die nöthige Gebrauchsanweisung hinzufüge. Ausgegebene Parolen. Seitdem das Zusammentreten einer nationalen Partei in den Herzogtümern sich nicht länger hatte verhindern lassen, ist das Not ä'orllre ausgetheilt worden, die Liberalen, welche für Unterordnung unter Preußen sind, nach Kräften einzuschüchtern und als Verräther zu brandmarken,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/244>, abgerufen am 15.01.2025.