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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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ihm selbst der König; die großen Heereszüge werden weggeschnitten. Durch,
gängig ist seine Bearbeitung sehr geschmackvoll: sie verdiente eine deutsche Ueber¬
setzung. Der hebräische Stil ist so rein, wie man es nur irgend verlangen
kann; freilich erleichtert sich der Bearbeiter die Aufgabe, ein biblisches Hebräisch
zu schreiben, dadurch, daß er seine Rede großenteils mosaikartig aus Bibel¬
stellen zusammensetzt, aber auch hierin zeigt er Geschmack. Die Abfassung dieser
Bearbeitung kann übrigens erst in ziemlich späte Zeit fallen, da wir eine
solche Nachahmung des biblischen Stils nicht vor dem 10. Jahrhundert er¬
warten können; die Benutzung der Vulgata weist uns aufs Abendland als
Ort der Abfassung hin.


2. Das Buch Tobie.

Auch bei diesem Buche legen wir den gewöhnlichen griechischen Text unsrer
Inhaltsangabe zu Grunde. Wir trennen dabei den ersten Theil, in welchem
Tobie in erster Person von sich redet, von dem folgenden, durch besondere
Bezifferung.

I. Tobie aus dem Stamme Naphthali wohnt nördlich (oder nordwestlich)
vom See Gennezareth, wird aber mit seinem ganzen Stamm vom Assyrerkönig
Salmanassar in die Verbannung nach Ninive geschleppt, obgleich er sich an den
Sünden seiner Stammesgenossen nicht betheiligt und nicht dem Baal geopfert
hat, sondern nach Vorschrift des Gesetzes jährlich mehrmals zu den Festen nach
Jerusalem gegangen ist. Auch in Ninive widersteht er den Verführungen zu
Uebertretung des Gesetzes. Auf einer Reise läßt er dem Gabael in Ragä
(im Mittelalter Rai. jetzt in Trümmern nahe bei Teheran) 10 Talente Silbers
als Depositum, welche er nicht zurückholen kann, da die Wege seit dem Regierungs-
antritt des Sanherib, Sohnes des Salmanassar, zu unsicher werden. Tobie
sährt fort, Werke der Barmherzigkeit zu thun, namentlich unbegrabne Leichen
M bestatten. Dazu bekommt er besonders Gelegenheit, seit der König von
seinem Zuge gegen Judäa ohne Erfolg zurückgekehrt und nun in seiner Wuth
Viele umbringen läßt. Als es aber dem König hinterbracht wird, daß Tobie
die Leichen der von ihm Getödteten bestattet, wird er zornig. Tobie muß sich
verstecken, um dem Tode zu entgehn, alle seine Habe wird geplündert; seiner
einträglichen Stelle als Hoflieferant geht er natürlich auch verlustig. Aber die
Ermordung des Sanherib und der Einfluß eines Neffen Achiachar, welcher am
Hofe des neuen Königs eine hohe Stelle bekleidet, erlauben ihm bald, zu
seinem Hause, zu seiner Frau Anna und seinem Sohn Tobias zurückzukehren.

Durch diese Erfahrungen nicht abgeschreckt, begräbt Tobie bald wieder die
Leiche eines eben erschlagnen Jsraeliten, obgleicher er gerade fröhlich beim Mahle
des Pfingstfestes gesessen hat. Durch die Berührung der Leiche religiös unrein
geworden, schläft er nicht im Hause, sondern im Hofe an der Wand. Hier


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ihm selbst der König; die großen Heereszüge werden weggeschnitten. Durch,
gängig ist seine Bearbeitung sehr geschmackvoll: sie verdiente eine deutsche Ueber¬
setzung. Der hebräische Stil ist so rein, wie man es nur irgend verlangen
kann; freilich erleichtert sich der Bearbeiter die Aufgabe, ein biblisches Hebräisch
zu schreiben, dadurch, daß er seine Rede großenteils mosaikartig aus Bibel¬
stellen zusammensetzt, aber auch hierin zeigt er Geschmack. Die Abfassung dieser
Bearbeitung kann übrigens erst in ziemlich späte Zeit fallen, da wir eine
solche Nachahmung des biblischen Stils nicht vor dem 10. Jahrhundert er¬
warten können; die Benutzung der Vulgata weist uns aufs Abendland als
Ort der Abfassung hin.


2. Das Buch Tobie.

Auch bei diesem Buche legen wir den gewöhnlichen griechischen Text unsrer
Inhaltsangabe zu Grunde. Wir trennen dabei den ersten Theil, in welchem
Tobie in erster Person von sich redet, von dem folgenden, durch besondere
Bezifferung.

I. Tobie aus dem Stamme Naphthali wohnt nördlich (oder nordwestlich)
vom See Gennezareth, wird aber mit seinem ganzen Stamm vom Assyrerkönig
Salmanassar in die Verbannung nach Ninive geschleppt, obgleich er sich an den
Sünden seiner Stammesgenossen nicht betheiligt und nicht dem Baal geopfert
hat, sondern nach Vorschrift des Gesetzes jährlich mehrmals zu den Festen nach
Jerusalem gegangen ist. Auch in Ninive widersteht er den Verführungen zu
Uebertretung des Gesetzes. Auf einer Reise läßt er dem Gabael in Ragä
(im Mittelalter Rai. jetzt in Trümmern nahe bei Teheran) 10 Talente Silbers
als Depositum, welche er nicht zurückholen kann, da die Wege seit dem Regierungs-
antritt des Sanherib, Sohnes des Salmanassar, zu unsicher werden. Tobie
sährt fort, Werke der Barmherzigkeit zu thun, namentlich unbegrabne Leichen
M bestatten. Dazu bekommt er besonders Gelegenheit, seit der König von
seinem Zuge gegen Judäa ohne Erfolg zurückgekehrt und nun in seiner Wuth
Viele umbringen läßt. Als es aber dem König hinterbracht wird, daß Tobie
die Leichen der von ihm Getödteten bestattet, wird er zornig. Tobie muß sich
verstecken, um dem Tode zu entgehn, alle seine Habe wird geplündert; seiner
einträglichen Stelle als Hoflieferant geht er natürlich auch verlustig. Aber die
Ermordung des Sanherib und der Einfluß eines Neffen Achiachar, welcher am
Hofe des neuen Königs eine hohe Stelle bekleidet, erlauben ihm bald, zu
seinem Hause, zu seiner Frau Anna und seinem Sohn Tobias zurückzukehren.

Durch diese Erfahrungen nicht abgeschreckt, begräbt Tobie bald wieder die
Leiche eines eben erschlagnen Jsraeliten, obgleicher er gerade fröhlich beim Mahle
des Pfingstfestes gesessen hat. Durch die Berührung der Leiche religiös unrein
geworden, schläft er nicht im Hause, sondern im Hofe an der Wand. Hier


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[0487] ihm selbst der König; die großen Heereszüge werden weggeschnitten. Durch, gängig ist seine Bearbeitung sehr geschmackvoll: sie verdiente eine deutsche Ueber¬ setzung. Der hebräische Stil ist so rein, wie man es nur irgend verlangen kann; freilich erleichtert sich der Bearbeiter die Aufgabe, ein biblisches Hebräisch zu schreiben, dadurch, daß er seine Rede großenteils mosaikartig aus Bibel¬ stellen zusammensetzt, aber auch hierin zeigt er Geschmack. Die Abfassung dieser Bearbeitung kann übrigens erst in ziemlich späte Zeit fallen, da wir eine solche Nachahmung des biblischen Stils nicht vor dem 10. Jahrhundert er¬ warten können; die Benutzung der Vulgata weist uns aufs Abendland als Ort der Abfassung hin. 2. Das Buch Tobie. Auch bei diesem Buche legen wir den gewöhnlichen griechischen Text unsrer Inhaltsangabe zu Grunde. Wir trennen dabei den ersten Theil, in welchem Tobie in erster Person von sich redet, von dem folgenden, durch besondere Bezifferung. I. Tobie aus dem Stamme Naphthali wohnt nördlich (oder nordwestlich) vom See Gennezareth, wird aber mit seinem ganzen Stamm vom Assyrerkönig Salmanassar in die Verbannung nach Ninive geschleppt, obgleich er sich an den Sünden seiner Stammesgenossen nicht betheiligt und nicht dem Baal geopfert hat, sondern nach Vorschrift des Gesetzes jährlich mehrmals zu den Festen nach Jerusalem gegangen ist. Auch in Ninive widersteht er den Verführungen zu Uebertretung des Gesetzes. Auf einer Reise läßt er dem Gabael in Ragä (im Mittelalter Rai. jetzt in Trümmern nahe bei Teheran) 10 Talente Silbers als Depositum, welche er nicht zurückholen kann, da die Wege seit dem Regierungs- antritt des Sanherib, Sohnes des Salmanassar, zu unsicher werden. Tobie sährt fort, Werke der Barmherzigkeit zu thun, namentlich unbegrabne Leichen M bestatten. Dazu bekommt er besonders Gelegenheit, seit der König von seinem Zuge gegen Judäa ohne Erfolg zurückgekehrt und nun in seiner Wuth Viele umbringen läßt. Als es aber dem König hinterbracht wird, daß Tobie die Leichen der von ihm Getödteten bestattet, wird er zornig. Tobie muß sich verstecken, um dem Tode zu entgehn, alle seine Habe wird geplündert; seiner einträglichen Stelle als Hoflieferant geht er natürlich auch verlustig. Aber die Ermordung des Sanherib und der Einfluß eines Neffen Achiachar, welcher am Hofe des neuen Königs eine hohe Stelle bekleidet, erlauben ihm bald, zu seinem Hause, zu seiner Frau Anna und seinem Sohn Tobias zurückzukehren. Durch diese Erfahrungen nicht abgeschreckt, begräbt Tobie bald wieder die Leiche eines eben erschlagnen Jsraeliten, obgleicher er gerade fröhlich beim Mahle des Pfingstfestes gesessen hat. Durch die Berührung der Leiche religiös unrein geworden, schläft er nicht im Hause, sondern im Hofe an der Wand. Hier S8*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/487>, abgerufen am 29.06.2024.