Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
Die oldenburgische Begriindungsschrist.

Der Großherzog von Oldenburg begründet die Ansprüche, die er auf die
Erbfolge in den Herzogthümern erhebt, auf die Cession des Kaisers Alexander
von Nußland, und er konnte sie nur auf diese begründen. Denn noch kurz
vor dem kissinger Briefe, der den Verzicht des Kaisers versprach, lies; der
Grobherzog dem oldenburgcr Landtag officiell erklären, daß er keine actuellen
Erbansprüche auf Schleswig-Holstein geltend zu machen habe.

Ist nun die russische Cession die alleinige Quelle der oldenburgischen An¬
sprüche, so versteht sich von selbst, daß der Großherzog Peter jetzt lediglich die¬
jenigen Rechte besitzen kann, welche vorher der Kaiser Alexander hatte, und da
erhebt sich die Frage, ob letzterer nach dem Wegfall des londoner Protokolls
actuelle, unmittelbar wirksame Erbansprüche auf die Herzogthümer erheben
konnte. Die deutsche Wissenschaft sagt nach gründlicher Prüfung der Thatsachen
mit seltner Einmütigkeit -- die Herren Pcrnice, LeverkuS und Schultze werden
gestatten müssen, daß wir sie nicht zu den Vertretern deutscher Wissenschaft
zählen --- die deutsche Wissenschaft also sagt einmüthig: Nein, der Kaiser hatte
durchaus keine unmittelbaren Erbansprüche, und die Rechtsüberzeugung aller
zurechnungsfähigen und ehrlichen Schleswig-Holstcmer stimmt mit diesem Aus¬
spruch vollkommen überein. Nur der Großherzog Peter, seine drei Staatsweisen
und etwa noch deren gute Freunde scheinen über diesen Punkt andrer Meinung
zu sein. Aber über <^ins müssen dieselben, wenn ihnen die Logik nicht völlig
abhanden gekommen ist, nothwendig mit uns die gleiche Ansicht hegen, darüber
nänilich. daß derjenige, welcher gewisse Rechte abtritt, am besten wissen muß,
was der Umfang dieser Rechte ist. Mit andern Worten-, der Großherzog von
Oldenburg kann unmöglich mehr Rechte in Anspruch nehmen, als der Kaiser
von Rußland selbst zu besitzen meinte und >hin übertragen wollte.

Nun fragen wir weiter: lo^is waren die Rechte und Ansprüche, welche der
jetzige Ehef des Hauses Gottorf auf die Herzogthümer zu haben und mit jenem
kissinger Act an den olbenburger Vetter abzutreten glaubte? In der Sitzung
der londoner Conferenz vom 2. Juni d. I. erklärte der russische Bevollmächtigte,
Varon v. Vrunnvw, daß der Kaiser von Nußland dem Großherzog von Olden¬
burg die eventuellen Rechte cedirt habe, welche der dritte Paragraph des
warschauer Protokolls vom 6. Juni 1851 dem Kaiser als dem Haupte der
ältern Linie des Hauses Holstein-Gottorf vorbehalte.

Nehmen wir das warschauer Protokoll zur Hand und lesen wir mit der


Die oldenburgische Begriindungsschrist.

Der Großherzog von Oldenburg begründet die Ansprüche, die er auf die
Erbfolge in den Herzogthümern erhebt, auf die Cession des Kaisers Alexander
von Nußland, und er konnte sie nur auf diese begründen. Denn noch kurz
vor dem kissinger Briefe, der den Verzicht des Kaisers versprach, lies; der
Grobherzog dem oldenburgcr Landtag officiell erklären, daß er keine actuellen
Erbansprüche auf Schleswig-Holstein geltend zu machen habe.

Ist nun die russische Cession die alleinige Quelle der oldenburgischen An¬
sprüche, so versteht sich von selbst, daß der Großherzog Peter jetzt lediglich die¬
jenigen Rechte besitzen kann, welche vorher der Kaiser Alexander hatte, und da
erhebt sich die Frage, ob letzterer nach dem Wegfall des londoner Protokolls
actuelle, unmittelbar wirksame Erbansprüche auf die Herzogthümer erheben
konnte. Die deutsche Wissenschaft sagt nach gründlicher Prüfung der Thatsachen
mit seltner Einmütigkeit — die Herren Pcrnice, LeverkuS und Schultze werden
gestatten müssen, daß wir sie nicht zu den Vertretern deutscher Wissenschaft
zählen —- die deutsche Wissenschaft also sagt einmüthig: Nein, der Kaiser hatte
durchaus keine unmittelbaren Erbansprüche, und die Rechtsüberzeugung aller
zurechnungsfähigen und ehrlichen Schleswig-Holstcmer stimmt mit diesem Aus¬
spruch vollkommen überein. Nur der Großherzog Peter, seine drei Staatsweisen
und etwa noch deren gute Freunde scheinen über diesen Punkt andrer Meinung
zu sein. Aber über <^ins müssen dieselben, wenn ihnen die Logik nicht völlig
abhanden gekommen ist, nothwendig mit uns die gleiche Ansicht hegen, darüber
nänilich. daß derjenige, welcher gewisse Rechte abtritt, am besten wissen muß,
was der Umfang dieser Rechte ist. Mit andern Worten-, der Großherzog von
Oldenburg kann unmöglich mehr Rechte in Anspruch nehmen, als der Kaiser
von Rußland selbst zu besitzen meinte und >hin übertragen wollte.

Nun fragen wir weiter: lo^is waren die Rechte und Ansprüche, welche der
jetzige Ehef des Hauses Gottorf auf die Herzogthümer zu haben und mit jenem
kissinger Act an den olbenburger Vetter abzutreten glaubte? In der Sitzung
der londoner Conferenz vom 2. Juni d. I. erklärte der russische Bevollmächtigte,
Varon v. Vrunnvw, daß der Kaiser von Nußland dem Großherzog von Olden¬
burg die eventuellen Rechte cedirt habe, welche der dritte Paragraph des
warschauer Protokolls vom 6. Juni 1851 dem Kaiser als dem Haupte der
ältern Linie des Hauses Holstein-Gottorf vorbehalte.

Nehmen wir das warschauer Protokoll zur Hand und lesen wir mit der


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0306" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/189930"/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Die oldenburgische Begriindungsschrist.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1051"> Der Großherzog von Oldenburg begründet die Ansprüche, die er auf die<lb/>
Erbfolge in den Herzogthümern erhebt, auf die Cession des Kaisers Alexander<lb/>
von Nußland, und er konnte sie nur auf diese begründen. Denn noch kurz<lb/>
vor dem kissinger Briefe, der den Verzicht des Kaisers versprach, lies; der<lb/>
Grobherzog dem oldenburgcr Landtag officiell erklären, daß er keine actuellen<lb/>
Erbansprüche auf Schleswig-Holstein geltend zu machen habe.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1052"> Ist nun die russische Cession die alleinige Quelle der oldenburgischen An¬<lb/>
sprüche, so versteht sich von selbst, daß der Großherzog Peter jetzt lediglich die¬<lb/>
jenigen Rechte besitzen kann, welche vorher der Kaiser Alexander hatte, und da<lb/>
erhebt sich die Frage, ob letzterer nach dem Wegfall des londoner Protokolls<lb/>
actuelle, unmittelbar wirksame Erbansprüche auf die Herzogthümer erheben<lb/>
konnte. Die deutsche Wissenschaft sagt nach gründlicher Prüfung der Thatsachen<lb/>
mit seltner Einmütigkeit &#x2014; die Herren Pcrnice, LeverkuS und Schultze werden<lb/>
gestatten müssen, daß wir sie nicht zu den Vertretern deutscher Wissenschaft<lb/>
zählen &#x2014;- die deutsche Wissenschaft also sagt einmüthig: Nein, der Kaiser hatte<lb/>
durchaus keine unmittelbaren Erbansprüche, und die Rechtsüberzeugung aller<lb/>
zurechnungsfähigen und ehrlichen Schleswig-Holstcmer stimmt mit diesem Aus¬<lb/>
spruch vollkommen überein. Nur der Großherzog Peter, seine drei Staatsweisen<lb/>
und etwa noch deren gute Freunde scheinen über diesen Punkt andrer Meinung<lb/>
zu sein. Aber über &lt;^ins müssen dieselben, wenn ihnen die Logik nicht völlig<lb/>
abhanden gekommen ist, nothwendig mit uns die gleiche Ansicht hegen, darüber<lb/>
nänilich. daß derjenige, welcher gewisse Rechte abtritt, am besten wissen muß,<lb/>
was der Umfang dieser Rechte ist. Mit andern Worten-, der Großherzog von<lb/>
Oldenburg kann unmöglich mehr Rechte in Anspruch nehmen, als der Kaiser<lb/>
von Rußland selbst zu besitzen meinte und &gt;hin übertragen wollte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1053"> Nun fragen wir weiter: lo^is waren die Rechte und Ansprüche, welche der<lb/>
jetzige Ehef des Hauses Gottorf auf die Herzogthümer zu haben und mit jenem<lb/>
kissinger Act an den olbenburger Vetter abzutreten glaubte? In der Sitzung<lb/>
der londoner Conferenz vom 2. Juni d. I. erklärte der russische Bevollmächtigte,<lb/>
Varon v. Vrunnvw, daß der Kaiser von Nußland dem Großherzog von Olden¬<lb/>
burg die eventuellen Rechte cedirt habe, welche der dritte Paragraph des<lb/>
warschauer Protokolls vom 6. Juni 1851 dem Kaiser als dem Haupte der<lb/>
ältern Linie des Hauses Holstein-Gottorf vorbehalte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1054" next="#ID_1055"> Nehmen wir das warschauer Protokoll zur Hand und lesen wir mit der</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0306] Die oldenburgische Begriindungsschrist. Der Großherzog von Oldenburg begründet die Ansprüche, die er auf die Erbfolge in den Herzogthümern erhebt, auf die Cession des Kaisers Alexander von Nußland, und er konnte sie nur auf diese begründen. Denn noch kurz vor dem kissinger Briefe, der den Verzicht des Kaisers versprach, lies; der Grobherzog dem oldenburgcr Landtag officiell erklären, daß er keine actuellen Erbansprüche auf Schleswig-Holstein geltend zu machen habe. Ist nun die russische Cession die alleinige Quelle der oldenburgischen An¬ sprüche, so versteht sich von selbst, daß der Großherzog Peter jetzt lediglich die¬ jenigen Rechte besitzen kann, welche vorher der Kaiser Alexander hatte, und da erhebt sich die Frage, ob letzterer nach dem Wegfall des londoner Protokolls actuelle, unmittelbar wirksame Erbansprüche auf die Herzogthümer erheben konnte. Die deutsche Wissenschaft sagt nach gründlicher Prüfung der Thatsachen mit seltner Einmütigkeit — die Herren Pcrnice, LeverkuS und Schultze werden gestatten müssen, daß wir sie nicht zu den Vertretern deutscher Wissenschaft zählen —- die deutsche Wissenschaft also sagt einmüthig: Nein, der Kaiser hatte durchaus keine unmittelbaren Erbansprüche, und die Rechtsüberzeugung aller zurechnungsfähigen und ehrlichen Schleswig-Holstcmer stimmt mit diesem Aus¬ spruch vollkommen überein. Nur der Großherzog Peter, seine drei Staatsweisen und etwa noch deren gute Freunde scheinen über diesen Punkt andrer Meinung zu sein. Aber über <^ins müssen dieselben, wenn ihnen die Logik nicht völlig abhanden gekommen ist, nothwendig mit uns die gleiche Ansicht hegen, darüber nänilich. daß derjenige, welcher gewisse Rechte abtritt, am besten wissen muß, was der Umfang dieser Rechte ist. Mit andern Worten-, der Großherzog von Oldenburg kann unmöglich mehr Rechte in Anspruch nehmen, als der Kaiser von Rußland selbst zu besitzen meinte und >hin übertragen wollte. Nun fragen wir weiter: lo^is waren die Rechte und Ansprüche, welche der jetzige Ehef des Hauses Gottorf auf die Herzogthümer zu haben und mit jenem kissinger Act an den olbenburger Vetter abzutreten glaubte? In der Sitzung der londoner Conferenz vom 2. Juni d. I. erklärte der russische Bevollmächtigte, Varon v. Vrunnvw, daß der Kaiser von Nußland dem Großherzog von Olden¬ burg die eventuellen Rechte cedirt habe, welche der dritte Paragraph des warschauer Protokolls vom 6. Juni 1851 dem Kaiser als dem Haupte der ältern Linie des Hauses Holstein-Gottorf vorbehalte. Nehmen wir das warschauer Protokoll zur Hand und lesen wir mit der

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/306
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/306>, abgerufen am 22.07.2024.