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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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Die Genugthuung über die im diesjährigen Feldzuge gegen die Dänen
gewonnenen Gefechte hat die Gemüther so mancher östreichischen Militärs und
superloyalen Unterthanen zu argen Uebereilungen und lächerlicher Ungebühr
verleitet. Wir registrirten bisher eine Reihe beinahe kindisch zu nennender Kund¬
gebungen einer Freude, die. in gehörigen Schranken gehalten, nach den Er¬
fahrungen von 1839 recht wohl begreiflich wäre. Im Ganzen waren die bis¬
herigen Ostentationen, trotz mancher boshafter Witzeleien und Seitenhiebe auf
Deutschland, ziemlich harmloser Natur; zudem hatte man es nur mit Ein¬
tagsfliegen zu thun. Die von den Tribünen der Bänkelsänger in den Bier¬
häusern gehaltenen Reden und die lobhudelnden Artikel in den politischen
Tagesblättern wurden vergessen, sobald man das letzte Wort gehört oder ge¬
lesen hatte. Doch nun beginnt sich der noch fortdauernde Siegesrausch in
anderer und zwar höchst widerwärtiger Art zu offenbaren. Es gibt, da die
Ankunft des gegenwärtig in Jütland stehenden Armeecorps nicht so bald zu
erwarten ist, weder dccorirte oder verwundete Soldaten zu empfangen, noch
dänische Gefangene und Trophäen anzustaunen. -- welche Schauspiele übri¬
gens nur noch geringe Anziehungskraft ausüben dürften --, und so sieht man
sich gemüßigt, der überschwänglichen Loyalität und Begeisterung auf andrem
Wege Luft zu machen. Dies geschieht nun auf vermeintlich gleich wirksame
Weise dadurch, daß man das Gebiet der Kriegsgeschichte betritt und angeblich
die Verhältnisse und Absichten der verschiedenen an dem Kriege direct betheilig¬
ten oder interessirten Staaten kritisch beleuchtet, thatsächlich aber nur die ärg¬
sten Verdächtigungen und Beleidigungen gegen Deutschland schleudert und alles,
was in dieser Beziehung bisher geleistet wurde, in ein System zu bringen und
mit neuen Zugaben zu bereichern sucht.

Das Geplänkel der Tagesblättter, zumal der im Dialekt und in der Auf¬
fassungsweise der Menge geschriebenen sogenannten "Volksblätter", kann füg¬
lich mit Stillschweigen übergangen werden; doch nunmehr tritt auch das schwe¬
rere Geschütz der östreichischen Literatur in den Kampf, freilich mit einer Wirkung,
die mindestens ebenso problematisch ist, wie die der östreichischen Artillerie am
sogenannten Königsberge vorm Dannewerk.

Schon sind einige Broschüren erschienen, welche sich mit der Darstellung
der Gcsammtercignisse des letzten Feldzuges, oder richtiger mit der Verherr¬
lichung der östreichischen Kriegsthaten befassen. In welcher Weise dieses ge¬
schieht, ist leicht zu errathen, und der in diesen Producten abgelagerte Geist


Ans

Die Genugthuung über die im diesjährigen Feldzuge gegen die Dänen
gewonnenen Gefechte hat die Gemüther so mancher östreichischen Militärs und
superloyalen Unterthanen zu argen Uebereilungen und lächerlicher Ungebühr
verleitet. Wir registrirten bisher eine Reihe beinahe kindisch zu nennender Kund¬
gebungen einer Freude, die. in gehörigen Schranken gehalten, nach den Er¬
fahrungen von 1839 recht wohl begreiflich wäre. Im Ganzen waren die bis¬
herigen Ostentationen, trotz mancher boshafter Witzeleien und Seitenhiebe auf
Deutschland, ziemlich harmloser Natur; zudem hatte man es nur mit Ein¬
tagsfliegen zu thun. Die von den Tribünen der Bänkelsänger in den Bier¬
häusern gehaltenen Reden und die lobhudelnden Artikel in den politischen
Tagesblättern wurden vergessen, sobald man das letzte Wort gehört oder ge¬
lesen hatte. Doch nun beginnt sich der noch fortdauernde Siegesrausch in
anderer und zwar höchst widerwärtiger Art zu offenbaren. Es gibt, da die
Ankunft des gegenwärtig in Jütland stehenden Armeecorps nicht so bald zu
erwarten ist, weder dccorirte oder verwundete Soldaten zu empfangen, noch
dänische Gefangene und Trophäen anzustaunen. — welche Schauspiele übri¬
gens nur noch geringe Anziehungskraft ausüben dürften —, und so sieht man
sich gemüßigt, der überschwänglichen Loyalität und Begeisterung auf andrem
Wege Luft zu machen. Dies geschieht nun auf vermeintlich gleich wirksame
Weise dadurch, daß man das Gebiet der Kriegsgeschichte betritt und angeblich
die Verhältnisse und Absichten der verschiedenen an dem Kriege direct betheilig¬
ten oder interessirten Staaten kritisch beleuchtet, thatsächlich aber nur die ärg¬
sten Verdächtigungen und Beleidigungen gegen Deutschland schleudert und alles,
was in dieser Beziehung bisher geleistet wurde, in ein System zu bringen und
mit neuen Zugaben zu bereichern sucht.

Das Geplänkel der Tagesblättter, zumal der im Dialekt und in der Auf¬
fassungsweise der Menge geschriebenen sogenannten „Volksblätter", kann füg¬
lich mit Stillschweigen übergangen werden; doch nunmehr tritt auch das schwe¬
rere Geschütz der östreichischen Literatur in den Kampf, freilich mit einer Wirkung,
die mindestens ebenso problematisch ist, wie die der östreichischen Artillerie am
sogenannten Königsberge vorm Dannewerk.

Schon sind einige Broschüren erschienen, welche sich mit der Darstellung
der Gcsammtercignisse des letzten Feldzuges, oder richtiger mit der Verherr¬
lichung der östreichischen Kriegsthaten befassen. In welcher Weise dieses ge¬
schieht, ist leicht zu errathen, und der in diesen Producten abgelagerte Geist


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[0526] Ans Die Genugthuung über die im diesjährigen Feldzuge gegen die Dänen gewonnenen Gefechte hat die Gemüther so mancher östreichischen Militärs und superloyalen Unterthanen zu argen Uebereilungen und lächerlicher Ungebühr verleitet. Wir registrirten bisher eine Reihe beinahe kindisch zu nennender Kund¬ gebungen einer Freude, die. in gehörigen Schranken gehalten, nach den Er¬ fahrungen von 1839 recht wohl begreiflich wäre. Im Ganzen waren die bis¬ herigen Ostentationen, trotz mancher boshafter Witzeleien und Seitenhiebe auf Deutschland, ziemlich harmloser Natur; zudem hatte man es nur mit Ein¬ tagsfliegen zu thun. Die von den Tribünen der Bänkelsänger in den Bier¬ häusern gehaltenen Reden und die lobhudelnden Artikel in den politischen Tagesblättern wurden vergessen, sobald man das letzte Wort gehört oder ge¬ lesen hatte. Doch nun beginnt sich der noch fortdauernde Siegesrausch in anderer und zwar höchst widerwärtiger Art zu offenbaren. Es gibt, da die Ankunft des gegenwärtig in Jütland stehenden Armeecorps nicht so bald zu erwarten ist, weder dccorirte oder verwundete Soldaten zu empfangen, noch dänische Gefangene und Trophäen anzustaunen. — welche Schauspiele übri¬ gens nur noch geringe Anziehungskraft ausüben dürften —, und so sieht man sich gemüßigt, der überschwänglichen Loyalität und Begeisterung auf andrem Wege Luft zu machen. Dies geschieht nun auf vermeintlich gleich wirksame Weise dadurch, daß man das Gebiet der Kriegsgeschichte betritt und angeblich die Verhältnisse und Absichten der verschiedenen an dem Kriege direct betheilig¬ ten oder interessirten Staaten kritisch beleuchtet, thatsächlich aber nur die ärg¬ sten Verdächtigungen und Beleidigungen gegen Deutschland schleudert und alles, was in dieser Beziehung bisher geleistet wurde, in ein System zu bringen und mit neuen Zugaben zu bereichern sucht. Das Geplänkel der Tagesblättter, zumal der im Dialekt und in der Auf¬ fassungsweise der Menge geschriebenen sogenannten „Volksblätter", kann füg¬ lich mit Stillschweigen übergangen werden; doch nunmehr tritt auch das schwe¬ rere Geschütz der östreichischen Literatur in den Kampf, freilich mit einer Wirkung, die mindestens ebenso problematisch ist, wie die der östreichischen Artillerie am sogenannten Königsberge vorm Dannewerk. Schon sind einige Broschüren erschienen, welche sich mit der Darstellung der Gcsammtercignisse des letzten Feldzuges, oder richtiger mit der Verherr¬ lichung der östreichischen Kriegsthaten befassen. In welcher Weise dieses ge¬ schieht, ist leicht zu errathen, und der in diesen Producten abgelagerte Geist

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/526>, abgerufen am 28.09.2024.