Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Somit begeben sie sich zusammen hinweg zur Landsgemeinde.

Scene auf dem Schlosse zu Tamm.

Der Landvogt meldet seiner Frau Vögeln, er wolle am heutigen Weihnachts¬
tage mit den beiden Knechten zur Kirche gehen. Inzwischen müsse sie das Schloß
um so mehr gegen die listigen Bauern behüten und heute keinen, der die
Weihnachtsgabe überbringen werde, bewehrt eintreten lassen. Er geht ab,
die Vögeln läßt das Thor schließen und die Brücke aufziehen. -- Nusiea.


^ctus yuiiiwL.

Wilhelm Tell steht vor versammelter Landsgemeinde sammt seinen vier
Mitgesellen. Jeder von ihnen ergreift der Reihe nach das Wort zur Aufrich¬
tung des Bundes und zur Vertreibung aller Vögte, besonders aber zum heutigen
Sturm gegen das Schloß Tamm. Die 12 Bauern (entsprechend den 12 epi¬
schen Pairs der Tafelrunde) stimmen einzeln bei. Alle bilden einen Ring, er¬
heben die Hand, Teil spricht ihnen den Eid vor:

Der Plan duldet keinen Aufschub, damit keiner der Gegner gewarnt werde.
Vom Platze weg begiebt man sich zum Sturm gegen Tamm, doch nicht ohne
List. Teil nämlich ertheilt folgenden Rath. Die Hälfte der zwölf Bauern
überbringe dem Vogte die Weihnachtsbescherung, Ali von Grub soll sie anführen;
während die übrigen schleunig sich rüsten, vor dem Schlosse sich ausstellen und
auf einen Hornstoß warten, mit welchem Tell das Zeichen zum Angriff giebt.
So geschiehts, der Anschlag gelingt, das Schloß wird gebrochen. Die ent¬
ronnenen Schloßknechte melden dem vom Kirchgang heimkehrenden Vogt das
Ereigniß. Er ergrimmt und bricht in die bekannten Worte aus, welche das
Iunkerthum gegen die Leibeignen so oft wiederholt hat: Diese Bauern erfrechen
sich gegen unsre Oberherrschaft, sie, die mit Hab und Gut, mit Weib und
Kind unser Eigenthum sind! Bis auf die Speise in ihren Eingeweiden, ihre


Somit begeben sie sich zusammen hinweg zur Landsgemeinde.

Scene auf dem Schlosse zu Tamm.

Der Landvogt meldet seiner Frau Vögeln, er wolle am heutigen Weihnachts¬
tage mit den beiden Knechten zur Kirche gehen. Inzwischen müsse sie das Schloß
um so mehr gegen die listigen Bauern behüten und heute keinen, der die
Weihnachtsgabe überbringen werde, bewehrt eintreten lassen. Er geht ab,
die Vögeln läßt das Thor schließen und die Brücke aufziehen. — Nusiea.


^ctus yuiiiwL.

Wilhelm Tell steht vor versammelter Landsgemeinde sammt seinen vier
Mitgesellen. Jeder von ihnen ergreift der Reihe nach das Wort zur Aufrich¬
tung des Bundes und zur Vertreibung aller Vögte, besonders aber zum heutigen
Sturm gegen das Schloß Tamm. Die 12 Bauern (entsprechend den 12 epi¬
schen Pairs der Tafelrunde) stimmen einzeln bei. Alle bilden einen Ring, er¬
heben die Hand, Teil spricht ihnen den Eid vor:

Der Plan duldet keinen Aufschub, damit keiner der Gegner gewarnt werde.
Vom Platze weg begiebt man sich zum Sturm gegen Tamm, doch nicht ohne
List. Teil nämlich ertheilt folgenden Rath. Die Hälfte der zwölf Bauern
überbringe dem Vogte die Weihnachtsbescherung, Ali von Grub soll sie anführen;
während die übrigen schleunig sich rüsten, vor dem Schlosse sich ausstellen und
auf einen Hornstoß warten, mit welchem Tell das Zeichen zum Angriff giebt.
So geschiehts, der Anschlag gelingt, das Schloß wird gebrochen. Die ent¬
ronnenen Schloßknechte melden dem vom Kirchgang heimkehrenden Vogt das
Ereigniß. Er ergrimmt und bricht in die bekannten Worte aus, welche das
Iunkerthum gegen die Leibeignen so oft wiederholt hat: Diese Bauern erfrechen
sich gegen unsre Oberherrschaft, sie, die mit Hab und Gut, mit Weib und
Kind unser Eigenthum sind! Bis auf die Speise in ihren Eingeweiden, ihre


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0200" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/189295"/>
            <lg xml:id="POEMID_42" type="poem">
              <l/>
            </lg><lb/>
            <p xml:id="ID_680"> Somit begeben sie sich zusammen hinweg zur Landsgemeinde.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_681"> Scene auf dem Schlosse zu Tamm.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_682"> Der Landvogt meldet seiner Frau Vögeln, er wolle am heutigen Weihnachts¬<lb/>
tage mit den beiden Knechten zur Kirche gehen. Inzwischen müsse sie das Schloß<lb/>
um so mehr gegen die listigen Bauern behüten und heute keinen, der die<lb/>
Weihnachtsgabe überbringen werde, bewehrt eintreten lassen. Er geht ab,<lb/>
die Vögeln läßt das Thor schließen und die Brücke aufziehen. &#x2014; Nusiea.</p><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> ^ctus yuiiiwL.</head><lb/>
            <p xml:id="ID_683"> Wilhelm Tell steht vor versammelter Landsgemeinde sammt seinen vier<lb/>
Mitgesellen. Jeder von ihnen ergreift der Reihe nach das Wort zur Aufrich¬<lb/>
tung des Bundes und zur Vertreibung aller Vögte, besonders aber zum heutigen<lb/>
Sturm gegen das Schloß Tamm. Die 12 Bauern (entsprechend den 12 epi¬<lb/>
schen Pairs der Tafelrunde) stimmen einzeln bei. Alle bilden einen Ring, er¬<lb/>
heben die Hand, Teil spricht ihnen den Eid vor:</p><lb/>
            <lg xml:id="POEMID_43" type="poem">
              <l/>
            </lg><lb/>
            <p xml:id="ID_684" next="#ID_685"> Der Plan duldet keinen Aufschub, damit keiner der Gegner gewarnt werde.<lb/>
Vom Platze weg begiebt man sich zum Sturm gegen Tamm, doch nicht ohne<lb/>
List. Teil nämlich ertheilt folgenden Rath. Die Hälfte der zwölf Bauern<lb/>
überbringe dem Vogte die Weihnachtsbescherung, Ali von Grub soll sie anführen;<lb/>
während die übrigen schleunig sich rüsten, vor dem Schlosse sich ausstellen und<lb/>
auf einen Hornstoß warten, mit welchem Tell das Zeichen zum Angriff giebt.<lb/>
So geschiehts, der Anschlag gelingt, das Schloß wird gebrochen. Die ent¬<lb/>
ronnenen Schloßknechte melden dem vom Kirchgang heimkehrenden Vogt das<lb/>
Ereigniß. Er ergrimmt und bricht in die bekannten Worte aus, welche das<lb/>
Iunkerthum gegen die Leibeignen so oft wiederholt hat: Diese Bauern erfrechen<lb/>
sich gegen unsre Oberherrschaft, sie, die mit Hab und Gut, mit Weib und<lb/>
Kind unser Eigenthum sind! Bis auf die Speise in ihren Eingeweiden, ihre</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0200] Somit begeben sie sich zusammen hinweg zur Landsgemeinde. Scene auf dem Schlosse zu Tamm. Der Landvogt meldet seiner Frau Vögeln, er wolle am heutigen Weihnachts¬ tage mit den beiden Knechten zur Kirche gehen. Inzwischen müsse sie das Schloß um so mehr gegen die listigen Bauern behüten und heute keinen, der die Weihnachtsgabe überbringen werde, bewehrt eintreten lassen. Er geht ab, die Vögeln läßt das Thor schließen und die Brücke aufziehen. — Nusiea. ^ctus yuiiiwL. Wilhelm Tell steht vor versammelter Landsgemeinde sammt seinen vier Mitgesellen. Jeder von ihnen ergreift der Reihe nach das Wort zur Aufrich¬ tung des Bundes und zur Vertreibung aller Vögte, besonders aber zum heutigen Sturm gegen das Schloß Tamm. Die 12 Bauern (entsprechend den 12 epi¬ schen Pairs der Tafelrunde) stimmen einzeln bei. Alle bilden einen Ring, er¬ heben die Hand, Teil spricht ihnen den Eid vor: Der Plan duldet keinen Aufschub, damit keiner der Gegner gewarnt werde. Vom Platze weg begiebt man sich zum Sturm gegen Tamm, doch nicht ohne List. Teil nämlich ertheilt folgenden Rath. Die Hälfte der zwölf Bauern überbringe dem Vogte die Weihnachtsbescherung, Ali von Grub soll sie anführen; während die übrigen schleunig sich rüsten, vor dem Schlosse sich ausstellen und auf einen Hornstoß warten, mit welchem Tell das Zeichen zum Angriff giebt. So geschiehts, der Anschlag gelingt, das Schloß wird gebrochen. Die ent¬ ronnenen Schloßknechte melden dem vom Kirchgang heimkehrenden Vogt das Ereigniß. Er ergrimmt und bricht in die bekannten Worte aus, welche das Iunkerthum gegen die Leibeignen so oft wiederholt hat: Diese Bauern erfrechen sich gegen unsre Oberherrschaft, sie, die mit Hab und Gut, mit Weib und Kind unser Eigenthum sind! Bis auf die Speise in ihren Eingeweiden, ihre

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/200
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/200>, abgerufen am 28.09.2024.