Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Landtvogt, wie die Kind vor jm stört, spricht:

Vf das sag mir Wilhelm hetz nun,
welches ist dir der liebste sun?
'
Tell: Herr, so ich und dann d Wahrheit sag,
Glych sinds mir lieb gsyn all min tag.
Vogt: Schlecht kurzum, Theil, das will ich han,
Welchen sun hast am liebsten ghan?
Tell: Min Harr, so jrs parsvrt (gewaltsam) wend wüssen:
Den jüngsten ich am meisten küssen.
Vogt: Das kindle sol hie blybcn star,
die andern tout all heim hetz gan,
so wil ich lugen, lieben knechten,
ob ich jm mög glegcn sin prcchtcn (prahlen),

^ctus tertius.

Musica. Platz bei der Linde. Tell soll dem Kinde den Apfel vom
Haupte schießen:

Din schießzüg han ich dir lan reichen,
Wilhelm, din Herz wil ich erweichen
vnd dich hie leren, das d' solt sin
gehorsam den geholten min.
Hast du din gschoß dann wol bereit
vnd kanst wol schießen, wie man seit,
bist du der kunst gewart vnd so geschwind,
so magh und schaden dinen kind.
Darumb so gib den willen dryn,
Denn schlecht kurzumb, grad muß es son,
Vnd wer dir noch so lieb din kind,
so must jn (den Apfel) schiessen ab hin grind.
Vogt:

Dies ist jener Schlußreim, übrig geblieben in dem Tellenspiel, das die berner
Bauernschaft herkömmlich am Hirsmontag in der Kreuzgasse zu Bern aufzuführen
Pflegte.

Tell beschwört den Landvogt bei Natur und Unnatur, bei Gott und Recht,
bei Maß, Milde und Barmherzigkeit.

Nun schwyg, nun schwyg! din red nit gilt.
Den leiden (das kleine Aas) meinend, furent hin,
Das vnd kein andres muß nun sin!
Landvogt:

Damit legt er eigenhändig den Apfel auf des Kindes Haupt. Tell fleht zu Gott:


Der Landtvogt, wie die Kind vor jm stört, spricht:

Vf das sag mir Wilhelm hetz nun,
welches ist dir der liebste sun?
'
Tell: Herr, so ich und dann d Wahrheit sag,
Glych sinds mir lieb gsyn all min tag.
Vogt: Schlecht kurzum, Theil, das will ich han,
Welchen sun hast am liebsten ghan?
Tell: Min Harr, so jrs parsvrt (gewaltsam) wend wüssen:
Den jüngsten ich am meisten küssen.
Vogt: Das kindle sol hie blybcn star,
die andern tout all heim hetz gan,
so wil ich lugen, lieben knechten,
ob ich jm mög glegcn sin prcchtcn (prahlen),

^ctus tertius.

Musica. Platz bei der Linde. Tell soll dem Kinde den Apfel vom
Haupte schießen:

Din schießzüg han ich dir lan reichen,
Wilhelm, din Herz wil ich erweichen
vnd dich hie leren, das d' solt sin
gehorsam den geholten min.
Hast du din gschoß dann wol bereit
vnd kanst wol schießen, wie man seit,
bist du der kunst gewart vnd so geschwind,
so magh und schaden dinen kind.
Darumb so gib den willen dryn,
Denn schlecht kurzumb, grad muß es son,
Vnd wer dir noch so lieb din kind,
so must jn (den Apfel) schiessen ab hin grind.
Vogt:

Dies ist jener Schlußreim, übrig geblieben in dem Tellenspiel, das die berner
Bauernschaft herkömmlich am Hirsmontag in der Kreuzgasse zu Bern aufzuführen
Pflegte.

Tell beschwört den Landvogt bei Natur und Unnatur, bei Gott und Recht,
bei Maß, Milde und Barmherzigkeit.

Nun schwyg, nun schwyg! din red nit gilt.
Den leiden (das kleine Aas) meinend, furent hin,
Das vnd kein andres muß nun sin!
Landvogt:

Damit legt er eigenhändig den Apfel auf des Kindes Haupt. Tell fleht zu Gott:


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0197" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/189292"/>
            <lg xml:id="POEMID_31" type="poem">
              <l/>
            </lg><lb/>
            <p xml:id="ID_660"> Der Landtvogt, wie die Kind vor jm stört, spricht:</p><lb/>
            <lg xml:id="POEMID_32" type="poem">
              <l> Vf das sag mir Wilhelm hetz nun,<lb/>
welches ist dir der liebste sun?<lb/>
'<lb/><note type="speaker"> Tell: </note>  Herr, so ich und dann d Wahrheit sag,<lb/>
Glych sinds mir lieb gsyn all min tag.<lb/><note type="speaker"> Vogt: </note>  Schlecht kurzum, Theil, das will ich han,<lb/>
Welchen sun hast am liebsten ghan?<lb/><note type="speaker"> Tell: </note>  Min Harr, so jrs parsvrt (gewaltsam) wend wüssen:<lb/>
Den jüngsten ich am meisten küssen.<lb/><note type="speaker"> Vogt: </note> Das kindle sol hie blybcn star,<lb/>
die andern tout all heim hetz gan,<lb/>
so wil ich lugen, lieben knechten,<lb/>
ob ich jm mög glegcn sin prcchtcn (prahlen),<lb/></l>
            </lg><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> ^ctus tertius.</head><lb/>
            <p xml:id="ID_661"> Musica. Platz bei der Linde. Tell soll dem Kinde den Apfel vom<lb/>
Haupte schießen:</p><lb/>
            <lg xml:id="POEMID_33" type="poem">
              <l> Din schießzüg han ich dir lan reichen,<lb/>
Wilhelm, din Herz wil ich erweichen<lb/>
vnd dich hie leren, das d' solt sin<lb/>
gehorsam den geholten min.<lb/>
Hast du din gschoß dann wol bereit<lb/>
vnd kanst wol schießen, wie man seit,<lb/>
bist du der kunst gewart vnd so geschwind,<lb/>
so magh und schaden dinen kind.<lb/>
Darumb so gib den willen dryn,<lb/>
Denn schlecht kurzumb, grad muß es son,<lb/>
Vnd wer dir noch so lieb din kind,<lb/>
so must jn (den Apfel) schiessen ab hin grind.<lb/><note type="speaker"> Vogt: </note></l>
            </lg><lb/>
            <p xml:id="ID_662"> Dies ist jener Schlußreim, übrig geblieben in dem Tellenspiel, das die berner<lb/>
Bauernschaft herkömmlich am Hirsmontag in der Kreuzgasse zu Bern aufzuführen<lb/>
Pflegte.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_663"> Tell beschwört den Landvogt bei Natur und Unnatur, bei Gott und Recht,<lb/>
bei Maß, Milde und Barmherzigkeit.</p><lb/>
            <lg xml:id="POEMID_34" type="poem">
              <l>  Nun schwyg, nun schwyg! din red nit gilt.<lb/>
Den leiden (das kleine Aas) meinend, furent hin,<lb/>
Das vnd kein andres muß nun sin!<lb/><note type="speaker"> Landvogt: </note></l>
            </lg><lb/>
            <p xml:id="ID_664"> Damit legt er eigenhändig den Apfel auf des Kindes Haupt. Tell fleht zu Gott:</p><lb/>
            <lg xml:id="POEMID_35" type="poem">
              <l/>
            </lg><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0197] Der Landtvogt, wie die Kind vor jm stört, spricht: Vf das sag mir Wilhelm hetz nun, welches ist dir der liebste sun? ' Tell: Herr, so ich und dann d Wahrheit sag, Glych sinds mir lieb gsyn all min tag. Vogt: Schlecht kurzum, Theil, das will ich han, Welchen sun hast am liebsten ghan? Tell: Min Harr, so jrs parsvrt (gewaltsam) wend wüssen: Den jüngsten ich am meisten küssen. Vogt: Das kindle sol hie blybcn star, die andern tout all heim hetz gan, so wil ich lugen, lieben knechten, ob ich jm mög glegcn sin prcchtcn (prahlen), ^ctus tertius. Musica. Platz bei der Linde. Tell soll dem Kinde den Apfel vom Haupte schießen: Din schießzüg han ich dir lan reichen, Wilhelm, din Herz wil ich erweichen vnd dich hie leren, das d' solt sin gehorsam den geholten min. Hast du din gschoß dann wol bereit vnd kanst wol schießen, wie man seit, bist du der kunst gewart vnd so geschwind, so magh und schaden dinen kind. Darumb so gib den willen dryn, Denn schlecht kurzumb, grad muß es son, Vnd wer dir noch so lieb din kind, so must jn (den Apfel) schiessen ab hin grind. Vogt: Dies ist jener Schlußreim, übrig geblieben in dem Tellenspiel, das die berner Bauernschaft herkömmlich am Hirsmontag in der Kreuzgasse zu Bern aufzuführen Pflegte. Tell beschwört den Landvogt bei Natur und Unnatur, bei Gott und Recht, bei Maß, Milde und Barmherzigkeit. Nun schwyg, nun schwyg! din red nit gilt. Den leiden (das kleine Aas) meinend, furent hin, Das vnd kein andres muß nun sin! Landvogt: Damit legt er eigenhändig den Apfel auf des Kindes Haupt. Tell fleht zu Gott:

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/197
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/197>, abgerufen am 28.09.2024.