Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.Sealsfield. Der Tod hat in den letzten Monaten eine Reihe namhafter Schriftsteller Das erste Werk, mit welchem sich Sealsfield dem deutschen Publicum Zwei Vorzüge sind es, die ihn vor den meisten Reisebeschreibern und Zunächst ein Reichthum, ein Glanz und eine Frische der Farbe, die freilich Sealsfield. Der Tod hat in den letzten Monaten eine Reihe namhafter Schriftsteller Das erste Werk, mit welchem sich Sealsfield dem deutschen Publicum Zwei Vorzüge sind es, die ihn vor den meisten Reisebeschreibern und Zunächst ein Reichthum, ein Glanz und eine Frische der Farbe, die freilich <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0440" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/189001"/> </div> <div n="1"> <head> Sealsfield.</head><lb/> <p xml:id="ID_1494"> Der Tod hat in den letzten Monaten eine Reihe namhafter Schriftsteller<lb/> hinweggerafft; es wird von Interesse sein, auf ihre Stellung zur deutschen Lite¬<lb/> ratur einen flüchtigen Rückblick zu werfen. Lassen Sie mich mit dem zuletzt<lb/> Gestorbenen beginnen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1495"> Das erste Werk, mit welchem sich Sealsfield dem deutschen Publicum<lb/> bekannt machte, „der Legitime und die Republikaner", erschien 1833; das letzte.<lb/> „Süden und Norden", 1842; während dieses Zeitraums lieferte er fast alljähr¬<lb/> lich einige Bände, seitdem ist er völlig verstummt. Die Werke erregten außer¬<lb/> ordentliches Aufsehn, theils wegen ihres innern Werths, theils weil man auf<lb/> den Verfasser neugierig war, dessen Namen, wenn ich mich recht erinnere, man<lb/> erst erfuhr, als er zu schreiben aufgehört hatte. Die ersten positiven Nachrich¬<lb/> ten drangen nicht früher als 1834 ins Publicum. Damals erfuhr man, daß<lb/> ein Mann dieses Namens seit 1832 in der Schweiz lebe, wenig zugänglich.<lb/> Von hypochondrischen Grillen erfüllt; daß er ein geborner Deutscher sei, in<lb/> Deutschland die Universitätsbildung durchgemacht und von Amerika aus schon<lb/> früher das Vaterland mehrfach besucht habe. Zwischen 1830 und 1832 habe<lb/> er sich in London und Paris aufgehalten. Weitere Details über sein Alter,<lb/> wo er eigentlich her ist, und was er vor seiner Schriftstellerei getrieben, weiß<lb/> man noch heute nicht; hoffentlich wird nun durch die Revision seiner Papier<lb/> Gelegenheit gegeben werden, etwas Näheres zu erfahren.</p><lb/> <p xml:id="ID_1496"> Zwei Vorzüge sind es, die ihn vor den meisten Reisebeschreibern und<lb/> Romandichtern seiner Zeit — zwischen beiden steht er in der Mitte — augen¬<lb/> fällig auszeichnen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1497" next="#ID_1498"> Zunächst ein Reichthum, ein Glanz und eine Frische der Farbe, die freilich<lb/> zuweilen blendet, in den meisten Fällen aber das Dargestellte wirklich vor die<lb/> Seele führt. Seine Figuren sind nicht gedacht, sie drängen sich den Augen<lb/> -seines Geistes auf. mit einer zuweilen ängstigenden Gewalt. von der aber et¬<lb/> was jeder wahre Dichter erleiden muß; es stehn ihm schnell die angemessenen<lb/> Mischungen zu Gebot, und er weiß die Bewegung seines Innern auch der<lb/> Seele des Lesers mitzutheilen. So lange man ihn liest, steht man völlig unter<lb/> seinem Bann, die Reaction tritt erst später ein. Diese glückliche poetische Gabe<lb/> ist freilich von den entsprechenden Fehlern begleitet. Sealsfield ist mehr Colo-<lb/> rist als Zeichner, und bei näherer Prüfung läßt die Correctheit seiner Gestalten<lb/> manches zu wünschen übrig. Die Virtuosität, mit der er über die Farbe ver¬<lb/> fügt, verleitet ihn nicht selten, zum Zweck zu machen, was in der echten Poesie nur</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0440]
Sealsfield.
Der Tod hat in den letzten Monaten eine Reihe namhafter Schriftsteller
hinweggerafft; es wird von Interesse sein, auf ihre Stellung zur deutschen Lite¬
ratur einen flüchtigen Rückblick zu werfen. Lassen Sie mich mit dem zuletzt
Gestorbenen beginnen.
Das erste Werk, mit welchem sich Sealsfield dem deutschen Publicum
bekannt machte, „der Legitime und die Republikaner", erschien 1833; das letzte.
„Süden und Norden", 1842; während dieses Zeitraums lieferte er fast alljähr¬
lich einige Bände, seitdem ist er völlig verstummt. Die Werke erregten außer¬
ordentliches Aufsehn, theils wegen ihres innern Werths, theils weil man auf
den Verfasser neugierig war, dessen Namen, wenn ich mich recht erinnere, man
erst erfuhr, als er zu schreiben aufgehört hatte. Die ersten positiven Nachrich¬
ten drangen nicht früher als 1834 ins Publicum. Damals erfuhr man, daß
ein Mann dieses Namens seit 1832 in der Schweiz lebe, wenig zugänglich.
Von hypochondrischen Grillen erfüllt; daß er ein geborner Deutscher sei, in
Deutschland die Universitätsbildung durchgemacht und von Amerika aus schon
früher das Vaterland mehrfach besucht habe. Zwischen 1830 und 1832 habe
er sich in London und Paris aufgehalten. Weitere Details über sein Alter,
wo er eigentlich her ist, und was er vor seiner Schriftstellerei getrieben, weiß
man noch heute nicht; hoffentlich wird nun durch die Revision seiner Papier
Gelegenheit gegeben werden, etwas Näheres zu erfahren.
Zwei Vorzüge sind es, die ihn vor den meisten Reisebeschreibern und
Romandichtern seiner Zeit — zwischen beiden steht er in der Mitte — augen¬
fällig auszeichnen.
Zunächst ein Reichthum, ein Glanz und eine Frische der Farbe, die freilich
zuweilen blendet, in den meisten Fällen aber das Dargestellte wirklich vor die
Seele führt. Seine Figuren sind nicht gedacht, sie drängen sich den Augen
-seines Geistes auf. mit einer zuweilen ängstigenden Gewalt. von der aber et¬
was jeder wahre Dichter erleiden muß; es stehn ihm schnell die angemessenen
Mischungen zu Gebot, und er weiß die Bewegung seines Innern auch der
Seele des Lesers mitzutheilen. So lange man ihn liest, steht man völlig unter
seinem Bann, die Reaction tritt erst später ein. Diese glückliche poetische Gabe
ist freilich von den entsprechenden Fehlern begleitet. Sealsfield ist mehr Colo-
rist als Zeichner, und bei näherer Prüfung läßt die Correctheit seiner Gestalten
manches zu wünschen übrig. Die Virtuosität, mit der er über die Farbe ver¬
fügt, verleitet ihn nicht selten, zum Zweck zu machen, was in der echten Poesie nur
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