Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

hat, und nach dieser Erkenntniß zu handeln entschlossen ist. Geschieht dies
nicht, so ist eine Lösung der Frage unmöglich, die schwerste europäische Ver¬
wickelung aber gewiß.

Wir bemerken noch einmal ausdrücklich, daß mir uns betreffs einer Ein¬
wirkung auf Oestreich keinen unbedingten Erwartungen hingeben. Wir haben
unsere Hoffnung niemals auf Oestreich gesetzt. Da aber einmal die Sache im
Verein mit Oestreich unternommen worden ist, so muß dieses in der Wahl der
einzuschlagenden Mittel so weit als die Sache, für die wir kämpfen, es gestattet,
berücksichtigt werden. Dazu kommt, daß gerade eine erHöhle Thätigkeit des
Bundes, die von Preußen auszugehen hat, das beste Mittel ist. Oestreich fest¬
zuhalten: durch Deutschland muß auf Oestreich gewirkt werde"! Vermag
Oestreich aber trotz aller Rücksichten, die Preußen auf seine Lage nimmt, nicht,
sich zu einer deutschen Politik zu entschließen, dann möge man es seinem Schick¬
sal und der Freundschaft Englands überlassen. Preußen würde diese Lösung
seiner Alliancen bedauern, aber es würde ihr mit Nuhe entgegensehen können.
Vorausgesetzt, daß die Anwendung seiner Kraft in der Schleswig-holsteinischen
Frage ihm das Recht zu dem höchsten Gute eines Staates, dem Selbstver¬
trauen, giebt.




Camillo von Cnvour.

"Es ist das ruhmreiche Geschick des nachgelassenen Ruhmes des Grafen
Camillo von Cavour, daß er um so größer erscheint, je mehr er vom Glänze
der Wahrheit erleuchtet wird" -- so beginnt Prof. Nicomcde Bianchl in Turin
seinen trefflichen Aufsatz über Cavour in der Il.loi"tu eontempoiirnku, der eine
große Menge bisher unbekannter und wichtiger Documente ans Licht bringt.
Und er hat Recht. Je mehr die Stimmen persönlichen Hasses und persönlicher
Gunst vor dem geschlossenen Grabe verstummen, und die Ereignisse, bei denen
er eine so hervorragende Rolle gespielt, in die historische Perspective treten, in
um so klareren und großartigeren Zügen tritt uns das Bild des größten Staats¬
mannes der Gegenwart entgegen. Allerdings ist die Zeit noch nicht gekommen,
um eine allen Ansprüchen genügende Biographie, vor Allem eine vollständige
Darstellung seiner' öffentlichen Thätigkeit zu geben. Noch würde eine un¬
beschränkte Benutzung aller auf ihn bezüglichen, in Familien- wie in Staats-


hat, und nach dieser Erkenntniß zu handeln entschlossen ist. Geschieht dies
nicht, so ist eine Lösung der Frage unmöglich, die schwerste europäische Ver¬
wickelung aber gewiß.

Wir bemerken noch einmal ausdrücklich, daß mir uns betreffs einer Ein¬
wirkung auf Oestreich keinen unbedingten Erwartungen hingeben. Wir haben
unsere Hoffnung niemals auf Oestreich gesetzt. Da aber einmal die Sache im
Verein mit Oestreich unternommen worden ist, so muß dieses in der Wahl der
einzuschlagenden Mittel so weit als die Sache, für die wir kämpfen, es gestattet,
berücksichtigt werden. Dazu kommt, daß gerade eine erHöhle Thätigkeit des
Bundes, die von Preußen auszugehen hat, das beste Mittel ist. Oestreich fest¬
zuhalten: durch Deutschland muß auf Oestreich gewirkt werde»! Vermag
Oestreich aber trotz aller Rücksichten, die Preußen auf seine Lage nimmt, nicht,
sich zu einer deutschen Politik zu entschließen, dann möge man es seinem Schick¬
sal und der Freundschaft Englands überlassen. Preußen würde diese Lösung
seiner Alliancen bedauern, aber es würde ihr mit Nuhe entgegensehen können.
Vorausgesetzt, daß die Anwendung seiner Kraft in der Schleswig-holsteinischen
Frage ihm das Recht zu dem höchsten Gute eines Staates, dem Selbstver¬
trauen, giebt.




Camillo von Cnvour.

„Es ist das ruhmreiche Geschick des nachgelassenen Ruhmes des Grafen
Camillo von Cavour, daß er um so größer erscheint, je mehr er vom Glänze
der Wahrheit erleuchtet wird" — so beginnt Prof. Nicomcde Bianchl in Turin
seinen trefflichen Aufsatz über Cavour in der Il.loi»tu eontempoiirnku, der eine
große Menge bisher unbekannter und wichtiger Documente ans Licht bringt.
Und er hat Recht. Je mehr die Stimmen persönlichen Hasses und persönlicher
Gunst vor dem geschlossenen Grabe verstummen, und die Ereignisse, bei denen
er eine so hervorragende Rolle gespielt, in die historische Perspective treten, in
um so klareren und großartigeren Zügen tritt uns das Bild des größten Staats¬
mannes der Gegenwart entgegen. Allerdings ist die Zeit noch nicht gekommen,
um eine allen Ansprüchen genügende Biographie, vor Allem eine vollständige
Darstellung seiner' öffentlichen Thätigkeit zu geben. Noch würde eine un¬
beschränkte Benutzung aller auf ihn bezüglichen, in Familien- wie in Staats-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0295" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/188856"/>
          <p xml:id="ID_992" prev="#ID_991"> hat, und nach dieser Erkenntniß zu handeln entschlossen ist. Geschieht dies<lb/>
nicht, so ist eine Lösung der Frage unmöglich, die schwerste europäische Ver¬<lb/>
wickelung aber gewiß.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_993"> Wir bemerken noch einmal ausdrücklich, daß mir uns betreffs einer Ein¬<lb/>
wirkung auf Oestreich keinen unbedingten Erwartungen hingeben. Wir haben<lb/>
unsere Hoffnung niemals auf Oestreich gesetzt. Da aber einmal die Sache im<lb/>
Verein mit Oestreich unternommen worden ist, so muß dieses in der Wahl der<lb/>
einzuschlagenden Mittel so weit als die Sache, für die wir kämpfen, es gestattet,<lb/>
berücksichtigt werden. Dazu kommt, daß gerade eine erHöhle Thätigkeit des<lb/>
Bundes, die von Preußen auszugehen hat, das beste Mittel ist. Oestreich fest¬<lb/>
zuhalten: durch Deutschland muß auf Oestreich gewirkt werde»! Vermag<lb/>
Oestreich aber trotz aller Rücksichten, die Preußen auf seine Lage nimmt, nicht,<lb/>
sich zu einer deutschen Politik zu entschließen, dann möge man es seinem Schick¬<lb/>
sal und der Freundschaft Englands überlassen. Preußen würde diese Lösung<lb/>
seiner Alliancen bedauern, aber es würde ihr mit Nuhe entgegensehen können.<lb/>
Vorausgesetzt, daß die Anwendung seiner Kraft in der Schleswig-holsteinischen<lb/>
Frage ihm das Recht zu dem höchsten Gute eines Staates, dem Selbstver¬<lb/>
trauen, giebt.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Camillo von Cnvour.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_994" next="#ID_995"> &#x201E;Es ist das ruhmreiche Geschick des nachgelassenen Ruhmes des Grafen<lb/>
Camillo von Cavour, daß er um so größer erscheint, je mehr er vom Glänze<lb/>
der Wahrheit erleuchtet wird" &#x2014; so beginnt Prof. Nicomcde Bianchl in Turin<lb/>
seinen trefflichen Aufsatz über Cavour in der Il.loi»tu eontempoiirnku, der eine<lb/>
große Menge bisher unbekannter und wichtiger Documente ans Licht bringt.<lb/>
Und er hat Recht. Je mehr die Stimmen persönlichen Hasses und persönlicher<lb/>
Gunst vor dem geschlossenen Grabe verstummen, und die Ereignisse, bei denen<lb/>
er eine so hervorragende Rolle gespielt, in die historische Perspective treten, in<lb/>
um so klareren und großartigeren Zügen tritt uns das Bild des größten Staats¬<lb/>
mannes der Gegenwart entgegen. Allerdings ist die Zeit noch nicht gekommen,<lb/>
um eine allen Ansprüchen genügende Biographie, vor Allem eine vollständige<lb/>
Darstellung seiner' öffentlichen Thätigkeit zu geben. Noch würde eine un¬<lb/>
beschränkte Benutzung aller auf ihn bezüglichen, in Familien- wie in Staats-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0295] hat, und nach dieser Erkenntniß zu handeln entschlossen ist. Geschieht dies nicht, so ist eine Lösung der Frage unmöglich, die schwerste europäische Ver¬ wickelung aber gewiß. Wir bemerken noch einmal ausdrücklich, daß mir uns betreffs einer Ein¬ wirkung auf Oestreich keinen unbedingten Erwartungen hingeben. Wir haben unsere Hoffnung niemals auf Oestreich gesetzt. Da aber einmal die Sache im Verein mit Oestreich unternommen worden ist, so muß dieses in der Wahl der einzuschlagenden Mittel so weit als die Sache, für die wir kämpfen, es gestattet, berücksichtigt werden. Dazu kommt, daß gerade eine erHöhle Thätigkeit des Bundes, die von Preußen auszugehen hat, das beste Mittel ist. Oestreich fest¬ zuhalten: durch Deutschland muß auf Oestreich gewirkt werde»! Vermag Oestreich aber trotz aller Rücksichten, die Preußen auf seine Lage nimmt, nicht, sich zu einer deutschen Politik zu entschließen, dann möge man es seinem Schick¬ sal und der Freundschaft Englands überlassen. Preußen würde diese Lösung seiner Alliancen bedauern, aber es würde ihr mit Nuhe entgegensehen können. Vorausgesetzt, daß die Anwendung seiner Kraft in der Schleswig-holsteinischen Frage ihm das Recht zu dem höchsten Gute eines Staates, dem Selbstver¬ trauen, giebt. Camillo von Cnvour. „Es ist das ruhmreiche Geschick des nachgelassenen Ruhmes des Grafen Camillo von Cavour, daß er um so größer erscheint, je mehr er vom Glänze der Wahrheit erleuchtet wird" — so beginnt Prof. Nicomcde Bianchl in Turin seinen trefflichen Aufsatz über Cavour in der Il.loi»tu eontempoiirnku, der eine große Menge bisher unbekannter und wichtiger Documente ans Licht bringt. Und er hat Recht. Je mehr die Stimmen persönlichen Hasses und persönlicher Gunst vor dem geschlossenen Grabe verstummen, und die Ereignisse, bei denen er eine so hervorragende Rolle gespielt, in die historische Perspective treten, in um so klareren und großartigeren Zügen tritt uns das Bild des größten Staats¬ mannes der Gegenwart entgegen. Allerdings ist die Zeit noch nicht gekommen, um eine allen Ansprüchen genügende Biographie, vor Allem eine vollständige Darstellung seiner' öffentlichen Thätigkeit zu geben. Noch würde eine un¬ beschränkte Benutzung aller auf ihn bezüglichen, in Familien- wie in Staats-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/295
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/295>, abgerufen am 23.07.2024.