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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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schnitte von Friedrichs Leben ausdehne, welche mit den furchtbaren Bewegungen
und tragischen Katastrophen, die sie in sich schließen, der Forschung wie der
Darstellung sehr eigenthümliche Schwierigkeiten darbieten.




Die Shakesziearemtssnhrmtgen zum ShakesMreseste
in Weimar.

Zur Feier des dreihundertjährigen Geburtstags Shakespeares sind denn
nun die sieben historischen Stücke des Dichters (von Richard dem Zweiten bis
Richard dem Dritten) in Weimar zur Darstellung gekommen, deren zusammen¬
hängende Vorführung das von Dingelstedt ausgegebene Programm in Aussicht
gestellt hatte.

Zur Shakespcarefeier! Wenn wir Deutschen unserer augenblicklichen poli¬
tischen Stimmung gegen England hätten nachgeben wollen, wie dieselbe durch
die niederträchtige, manchmal an Wahnsinn streifende Haltung der englischen
Presse gegen Deutschland hervorgerufen und berechtigt ist- es wäre in der That
jetzt nicht die Zeit gewesen einen englischen Schriftsteller, und wäre er von
höchster Bedeutung, durch deutsche Feste zu feiern. Aber es ist eine schöne
Eigenthümlichkeit unsers Volks, daß es auch in Zeiten nationaler Erregung die
Besonnenheit nicht verliert, sondern den Blick für alles Große und Schöne sich
frei erhält und unbefangen von der leidenschaftlichen Aufwallung des Augen¬
blicks. So gerecht unsere Klage über die engherzige Verbissenheit der britischen
Politiker, so begründet unser Zorn gegen die ungerechte Herabwürdigung und
Beschimpfung unserer nationalen Sache ist, wie wir solche jetzt von England
erfahren: so hat diese augenblickliche Entfremdung uns doch mit Recht nicht ab¬
gehalten, den großen englischen Dichter mit den gebührenden Ehren zu feiern.
Die Größe des Mannes an sich schon würde diese Huldigung rechtfertigen, eine
Größe, welche bleibt, während die leidenschaftliche Abwendung zweier stamm¬
verwandten Völker von einander bald wieder ruhiger Erwägung und der Macht
gemeinsamer Interessen weichen wird. Aber bei Shakespeare kommt noch ein
besonderer Grund hinzu: er gehört beiden Völkern, England und Deutschland
gemeinschaftlich an, ja in manchem Sinne haben wir beinahe ein höheres An-


schnitte von Friedrichs Leben ausdehne, welche mit den furchtbaren Bewegungen
und tragischen Katastrophen, die sie in sich schließen, der Forschung wie der
Darstellung sehr eigenthümliche Schwierigkeiten darbieten.




Die Shakesziearemtssnhrmtgen zum ShakesMreseste
in Weimar.

Zur Feier des dreihundertjährigen Geburtstags Shakespeares sind denn
nun die sieben historischen Stücke des Dichters (von Richard dem Zweiten bis
Richard dem Dritten) in Weimar zur Darstellung gekommen, deren zusammen¬
hängende Vorführung das von Dingelstedt ausgegebene Programm in Aussicht
gestellt hatte.

Zur Shakespcarefeier! Wenn wir Deutschen unserer augenblicklichen poli¬
tischen Stimmung gegen England hätten nachgeben wollen, wie dieselbe durch
die niederträchtige, manchmal an Wahnsinn streifende Haltung der englischen
Presse gegen Deutschland hervorgerufen und berechtigt ist- es wäre in der That
jetzt nicht die Zeit gewesen einen englischen Schriftsteller, und wäre er von
höchster Bedeutung, durch deutsche Feste zu feiern. Aber es ist eine schöne
Eigenthümlichkeit unsers Volks, daß es auch in Zeiten nationaler Erregung die
Besonnenheit nicht verliert, sondern den Blick für alles Große und Schöne sich
frei erhält und unbefangen von der leidenschaftlichen Aufwallung des Augen¬
blicks. So gerecht unsere Klage über die engherzige Verbissenheit der britischen
Politiker, so begründet unser Zorn gegen die ungerechte Herabwürdigung und
Beschimpfung unserer nationalen Sache ist, wie wir solche jetzt von England
erfahren: so hat diese augenblickliche Entfremdung uns doch mit Recht nicht ab¬
gehalten, den großen englischen Dichter mit den gebührenden Ehren zu feiern.
Die Größe des Mannes an sich schon würde diese Huldigung rechtfertigen, eine
Größe, welche bleibt, während die leidenschaftliche Abwendung zweier stamm¬
verwandten Völker von einander bald wieder ruhiger Erwägung und der Macht
gemeinsamer Interessen weichen wird. Aber bei Shakespeare kommt noch ein
besonderer Grund hinzu: er gehört beiden Völkern, England und Deutschland
gemeinschaftlich an, ja in manchem Sinne haben wir beinahe ein höheres An-


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[0264] schnitte von Friedrichs Leben ausdehne, welche mit den furchtbaren Bewegungen und tragischen Katastrophen, die sie in sich schließen, der Forschung wie der Darstellung sehr eigenthümliche Schwierigkeiten darbieten. Die Shakesziearemtssnhrmtgen zum ShakesMreseste in Weimar. Zur Feier des dreihundertjährigen Geburtstags Shakespeares sind denn nun die sieben historischen Stücke des Dichters (von Richard dem Zweiten bis Richard dem Dritten) in Weimar zur Darstellung gekommen, deren zusammen¬ hängende Vorführung das von Dingelstedt ausgegebene Programm in Aussicht gestellt hatte. Zur Shakespcarefeier! Wenn wir Deutschen unserer augenblicklichen poli¬ tischen Stimmung gegen England hätten nachgeben wollen, wie dieselbe durch die niederträchtige, manchmal an Wahnsinn streifende Haltung der englischen Presse gegen Deutschland hervorgerufen und berechtigt ist- es wäre in der That jetzt nicht die Zeit gewesen einen englischen Schriftsteller, und wäre er von höchster Bedeutung, durch deutsche Feste zu feiern. Aber es ist eine schöne Eigenthümlichkeit unsers Volks, daß es auch in Zeiten nationaler Erregung die Besonnenheit nicht verliert, sondern den Blick für alles Große und Schöne sich frei erhält und unbefangen von der leidenschaftlichen Aufwallung des Augen¬ blicks. So gerecht unsere Klage über die engherzige Verbissenheit der britischen Politiker, so begründet unser Zorn gegen die ungerechte Herabwürdigung und Beschimpfung unserer nationalen Sache ist, wie wir solche jetzt von England erfahren: so hat diese augenblickliche Entfremdung uns doch mit Recht nicht ab¬ gehalten, den großen englischen Dichter mit den gebührenden Ehren zu feiern. Die Größe des Mannes an sich schon würde diese Huldigung rechtfertigen, eine Größe, welche bleibt, während die leidenschaftliche Abwendung zweier stamm¬ verwandten Völker von einander bald wieder ruhiger Erwägung und der Macht gemeinsamer Interessen weichen wird. Aber bei Shakespeare kommt noch ein besonderer Grund hinzu: er gehört beiden Völkern, England und Deutschland gemeinschaftlich an, ja in manchem Sinne haben wir beinahe ein höheres An-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/264>, abgerufen am 22.07.2024.