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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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Wir schließen an diesem Zeitpunkte unsre Mittheilung, da die englischen
Blaubücher zunächst hier abbrechen. Auch tritt ja Hannover bei den nach¬
folgenden Ereignissen mit dem gesammten Bund in die zweite Linie und in
den Genitivus.

Es muß und darf dem Leser überlassen bleiben, die Resultate selbst zu
ziehn, welche diese mikroskopischen Untersuchungen nach deutscher Gesinnung bei
der zweiten norddeutschen Macht ergeben. Sie dürften vermuthlich sehr gering
sein, wenigstens treten sie in unsern Augen, wenn überhaupt, nur embryonisch
hervor und es muß lediglich der- Zukunft anheimgegeben werden, ob sie sich
entwickeln oder nicht. Desto zahlreicher sind dagegen die Beweise dafür, daß
die Politik der Leine die Nabelschnüre weder durchgerissen hat noch auch durch¬
reißen zu müssen als ihre Aufgabe erachtet, welche das Königreich einstmal mit
England verbunden hat. 'An der peristaltischen Bewegung dieser Politik in
unsrer Frage zeigt sich wenigstens, daß man in Hannover auch bei rein deutschen
Fragen weder die Pflicht noch den Muth fühlt, diese auswärtige Bevormundung
gebührlich abzuweisen*).




Zur Geschichte des Urchristentums.
4. Fr. Chr. Baur.

Unvergeßlich wird allen, die zu Fr. Chr. Baurs Füßen saßen, die gewaltige
Persönlichkeit des theuren Meisters sein, der vor drei Jahren mitten auf der
Höhe seiner Wirksamkeit der deutschen Wissenschaft entrissen worden ist. Hier
war ein Mann, ein ganzer Mann, dessen bedeutendem Eindruck auch diejenigen
sich nicht entziehen konnten, welche dem kühnen Forschertriebe, der keine Rück¬
sicht kannte als das Interesse der Wahrheit, nicht zu folgen im Stande waren;
daß es nur die Liebe zur Wahrheit, der Ernst, sie zu suchen, war, was sein
ganzes Wesen bestimmte, mußten auch sie anerkennen. Wenn er so in einer



*) Auf Grund neuester authentischer Mittheilungen fühle ich mich veranlaßt, meine obige
Behauptung von der "embryonischen" Beschaffenheit deutscher Gesinnung am hannöverschen
Hofe noch beträchtlich einzuschränken. Zur Motivirung wolle der geneigte Leser die bei
nächster Gelegenheit mitzutheilende- "Gcsinnungsstatistik der Bundesregierungen in
der Ancrkennungsfrage" vergleichen.

Wir schließen an diesem Zeitpunkte unsre Mittheilung, da die englischen
Blaubücher zunächst hier abbrechen. Auch tritt ja Hannover bei den nach¬
folgenden Ereignissen mit dem gesammten Bund in die zweite Linie und in
den Genitivus.

Es muß und darf dem Leser überlassen bleiben, die Resultate selbst zu
ziehn, welche diese mikroskopischen Untersuchungen nach deutscher Gesinnung bei
der zweiten norddeutschen Macht ergeben. Sie dürften vermuthlich sehr gering
sein, wenigstens treten sie in unsern Augen, wenn überhaupt, nur embryonisch
hervor und es muß lediglich der- Zukunft anheimgegeben werden, ob sie sich
entwickeln oder nicht. Desto zahlreicher sind dagegen die Beweise dafür, daß
die Politik der Leine die Nabelschnüre weder durchgerissen hat noch auch durch¬
reißen zu müssen als ihre Aufgabe erachtet, welche das Königreich einstmal mit
England verbunden hat. 'An der peristaltischen Bewegung dieser Politik in
unsrer Frage zeigt sich wenigstens, daß man in Hannover auch bei rein deutschen
Fragen weder die Pflicht noch den Muth fühlt, diese auswärtige Bevormundung
gebührlich abzuweisen*).




Zur Geschichte des Urchristentums.
4. Fr. Chr. Baur.

Unvergeßlich wird allen, die zu Fr. Chr. Baurs Füßen saßen, die gewaltige
Persönlichkeit des theuren Meisters sein, der vor drei Jahren mitten auf der
Höhe seiner Wirksamkeit der deutschen Wissenschaft entrissen worden ist. Hier
war ein Mann, ein ganzer Mann, dessen bedeutendem Eindruck auch diejenigen
sich nicht entziehen konnten, welche dem kühnen Forschertriebe, der keine Rück¬
sicht kannte als das Interesse der Wahrheit, nicht zu folgen im Stande waren;
daß es nur die Liebe zur Wahrheit, der Ernst, sie zu suchen, war, was sein
ganzes Wesen bestimmte, mußten auch sie anerkennen. Wenn er so in einer



*) Auf Grund neuester authentischer Mittheilungen fühle ich mich veranlaßt, meine obige
Behauptung von der „embryonischen" Beschaffenheit deutscher Gesinnung am hannöverschen
Hofe noch beträchtlich einzuschränken. Zur Motivirung wolle der geneigte Leser die bei
nächster Gelegenheit mitzutheilende- „Gcsinnungsstatistik der Bundesregierungen in
der Ancrkennungsfrage" vergleichen.
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[0141] Wir schließen an diesem Zeitpunkte unsre Mittheilung, da die englischen Blaubücher zunächst hier abbrechen. Auch tritt ja Hannover bei den nach¬ folgenden Ereignissen mit dem gesammten Bund in die zweite Linie und in den Genitivus. Es muß und darf dem Leser überlassen bleiben, die Resultate selbst zu ziehn, welche diese mikroskopischen Untersuchungen nach deutscher Gesinnung bei der zweiten norddeutschen Macht ergeben. Sie dürften vermuthlich sehr gering sein, wenigstens treten sie in unsern Augen, wenn überhaupt, nur embryonisch hervor und es muß lediglich der- Zukunft anheimgegeben werden, ob sie sich entwickeln oder nicht. Desto zahlreicher sind dagegen die Beweise dafür, daß die Politik der Leine die Nabelschnüre weder durchgerissen hat noch auch durch¬ reißen zu müssen als ihre Aufgabe erachtet, welche das Königreich einstmal mit England verbunden hat. 'An der peristaltischen Bewegung dieser Politik in unsrer Frage zeigt sich wenigstens, daß man in Hannover auch bei rein deutschen Fragen weder die Pflicht noch den Muth fühlt, diese auswärtige Bevormundung gebührlich abzuweisen*). Zur Geschichte des Urchristentums. 4. Fr. Chr. Baur. Unvergeßlich wird allen, die zu Fr. Chr. Baurs Füßen saßen, die gewaltige Persönlichkeit des theuren Meisters sein, der vor drei Jahren mitten auf der Höhe seiner Wirksamkeit der deutschen Wissenschaft entrissen worden ist. Hier war ein Mann, ein ganzer Mann, dessen bedeutendem Eindruck auch diejenigen sich nicht entziehen konnten, welche dem kühnen Forschertriebe, der keine Rück¬ sicht kannte als das Interesse der Wahrheit, nicht zu folgen im Stande waren; daß es nur die Liebe zur Wahrheit, der Ernst, sie zu suchen, war, was sein ganzes Wesen bestimmte, mußten auch sie anerkennen. Wenn er so in einer *) Auf Grund neuester authentischer Mittheilungen fühle ich mich veranlaßt, meine obige Behauptung von der „embryonischen" Beschaffenheit deutscher Gesinnung am hannöverschen Hofe noch beträchtlich einzuschränken. Zur Motivirung wolle der geneigte Leser die bei nächster Gelegenheit mitzutheilende- „Gcsinnungsstatistik der Bundesregierungen in der Ancrkennungsfrage" vergleichen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/141>, abgerufen am 23.07.2024.