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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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Militärische Briefe über den Krieg in Schleswig.
i.

Die neuesten kriegerischen Ereignisse in Schleswig liegen uns noch so nahe
und die Nachrickten darüber sind so unvollständig, daß es unmöglich ist. schon
ein nach allen Seiten sicher begründetes Urtheil darüber zu fällen. Wollen wir
diese Ereignisse aber besprechen, so müssen wir uns begnügen den Gesammteindruck
mitzutheilen, den wir bis jetzt davon empfangen haben. -- In kurzen Worten
ist dies folgender:

1) Die dänische Armee hat eine gute obere Leitung, aber die Truppen
entbehren der innern Festigkeit.

2) Eine Leitung der alliirten Armee hat eigentlich nicht stattgefunden.

3) Die Oestreicher erweisen sich als eine sehr kriegstüchtige und energische
Truppe. Sie haben vieles von der Fechtart der Franzosen angenommen.

4) Die Preußen zeigen eine vorzügliche Bewaffnung und sehr gründliche
Ausbildung des einzelnen Mannes.

Die Motivirung dieser Aussprüche ist, wie gesagt, schwierig, da die vor¬
handenen Nachrichten nicht erschöpfend sind. Das Urtheil ist mehr ein Ausdruck
der Empfindung als abschließender Erfahrungen. Wir wollen aber so viel po¬
sitive Daten als Beleg geben, wie eben vorhanden sind.

1) Die Dänen haben durch ihre Kriegführung erreicht, was dem bedeu¬
tenden Uebergewicht ihrer Feinde gegenüber irgend erwartet werden konnte.
Trotzdem sie in allen Gefechten viele Gefangene verloren und niemals den Sieg
auf ihrer Seite gehabt haben, beherrschen sie heute noch die Situation. Der
dänische Obergeneral verließ durchaus rechtzeitig die für seine Truppen und seine
Truppenstärke viel zu ausgedehnte Dannewcrkstcllung. Mit 40,000 Mann kann
man nicht mit Erfolg eine Ausdehnung von zehn Meilen, von der Eider- bis
zur Schleimündung gegen eine Uebermacht vertheidigen. Einer so langen Front
gegenüber ist selbst die Minderzahl im Vortheil, da sie alle ihre Kräfte auf einen
Punkt concentriren kann. Für die Beschaffenheit der Truppen war die Stellung
zu ausgedehnt, weil sie nicht durchgängig zuverlässig waren, und weil selbst die
ganz treuen Bataillone erst neu formirt und so wenig ausgebildet waren, daß
man de! Dctachirungen und bei Besatzungen einzelner Punkte kein Vertrauen
aus ihre Ausdauer haben konnte. Dergleichen Truppen müssen stets zusammen
in der Hand des obersten Führers behalten werden. Es ist eine alte Kriegs¬
erfahrung, daß man mit sogenannten Volksheeren, zu welchen das dänische ver¬
möge seiner im Ganzen sechsmonatlichen Dienstzeit, vermöge seiner Completirung
der Unteroffiziere und Subalternofsizicre aus allen möglichen subalternen Civil¬
verhältnissen und vermöge seines enormen Unterschieds zwischen Kriegs- und


Militärische Briefe über den Krieg in Schleswig.
i.

Die neuesten kriegerischen Ereignisse in Schleswig liegen uns noch so nahe
und die Nachrickten darüber sind so unvollständig, daß es unmöglich ist. schon
ein nach allen Seiten sicher begründetes Urtheil darüber zu fällen. Wollen wir
diese Ereignisse aber besprechen, so müssen wir uns begnügen den Gesammteindruck
mitzutheilen, den wir bis jetzt davon empfangen haben. — In kurzen Worten
ist dies folgender:

1) Die dänische Armee hat eine gute obere Leitung, aber die Truppen
entbehren der innern Festigkeit.

2) Eine Leitung der alliirten Armee hat eigentlich nicht stattgefunden.

3) Die Oestreicher erweisen sich als eine sehr kriegstüchtige und energische
Truppe. Sie haben vieles von der Fechtart der Franzosen angenommen.

4) Die Preußen zeigen eine vorzügliche Bewaffnung und sehr gründliche
Ausbildung des einzelnen Mannes.

Die Motivirung dieser Aussprüche ist, wie gesagt, schwierig, da die vor¬
handenen Nachrichten nicht erschöpfend sind. Das Urtheil ist mehr ein Ausdruck
der Empfindung als abschließender Erfahrungen. Wir wollen aber so viel po¬
sitive Daten als Beleg geben, wie eben vorhanden sind.

1) Die Dänen haben durch ihre Kriegführung erreicht, was dem bedeu¬
tenden Uebergewicht ihrer Feinde gegenüber irgend erwartet werden konnte.
Trotzdem sie in allen Gefechten viele Gefangene verloren und niemals den Sieg
auf ihrer Seite gehabt haben, beherrschen sie heute noch die Situation. Der
dänische Obergeneral verließ durchaus rechtzeitig die für seine Truppen und seine
Truppenstärke viel zu ausgedehnte Dannewcrkstcllung. Mit 40,000 Mann kann
man nicht mit Erfolg eine Ausdehnung von zehn Meilen, von der Eider- bis
zur Schleimündung gegen eine Uebermacht vertheidigen. Einer so langen Front
gegenüber ist selbst die Minderzahl im Vortheil, da sie alle ihre Kräfte auf einen
Punkt concentriren kann. Für die Beschaffenheit der Truppen war die Stellung
zu ausgedehnt, weil sie nicht durchgängig zuverlässig waren, und weil selbst die
ganz treuen Bataillone erst neu formirt und so wenig ausgebildet waren, daß
man de! Dctachirungen und bei Besatzungen einzelner Punkte kein Vertrauen
aus ihre Ausdauer haben konnte. Dergleichen Truppen müssen stets zusammen
in der Hand des obersten Führers behalten werden. Es ist eine alte Kriegs¬
erfahrung, daß man mit sogenannten Volksheeren, zu welchen das dänische ver¬
möge seiner im Ganzen sechsmonatlichen Dienstzeit, vermöge seiner Completirung
der Unteroffiziere und Subalternofsizicre aus allen möglichen subalternen Civil¬
verhältnissen und vermöge seines enormen Unterschieds zwischen Kriegs- und


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[0523] Militärische Briefe über den Krieg in Schleswig. i. Die neuesten kriegerischen Ereignisse in Schleswig liegen uns noch so nahe und die Nachrickten darüber sind so unvollständig, daß es unmöglich ist. schon ein nach allen Seiten sicher begründetes Urtheil darüber zu fällen. Wollen wir diese Ereignisse aber besprechen, so müssen wir uns begnügen den Gesammteindruck mitzutheilen, den wir bis jetzt davon empfangen haben. — In kurzen Worten ist dies folgender: 1) Die dänische Armee hat eine gute obere Leitung, aber die Truppen entbehren der innern Festigkeit. 2) Eine Leitung der alliirten Armee hat eigentlich nicht stattgefunden. 3) Die Oestreicher erweisen sich als eine sehr kriegstüchtige und energische Truppe. Sie haben vieles von der Fechtart der Franzosen angenommen. 4) Die Preußen zeigen eine vorzügliche Bewaffnung und sehr gründliche Ausbildung des einzelnen Mannes. Die Motivirung dieser Aussprüche ist, wie gesagt, schwierig, da die vor¬ handenen Nachrichten nicht erschöpfend sind. Das Urtheil ist mehr ein Ausdruck der Empfindung als abschließender Erfahrungen. Wir wollen aber so viel po¬ sitive Daten als Beleg geben, wie eben vorhanden sind. 1) Die Dänen haben durch ihre Kriegführung erreicht, was dem bedeu¬ tenden Uebergewicht ihrer Feinde gegenüber irgend erwartet werden konnte. Trotzdem sie in allen Gefechten viele Gefangene verloren und niemals den Sieg auf ihrer Seite gehabt haben, beherrschen sie heute noch die Situation. Der dänische Obergeneral verließ durchaus rechtzeitig die für seine Truppen und seine Truppenstärke viel zu ausgedehnte Dannewcrkstcllung. Mit 40,000 Mann kann man nicht mit Erfolg eine Ausdehnung von zehn Meilen, von der Eider- bis zur Schleimündung gegen eine Uebermacht vertheidigen. Einer so langen Front gegenüber ist selbst die Minderzahl im Vortheil, da sie alle ihre Kräfte auf einen Punkt concentriren kann. Für die Beschaffenheit der Truppen war die Stellung zu ausgedehnt, weil sie nicht durchgängig zuverlässig waren, und weil selbst die ganz treuen Bataillone erst neu formirt und so wenig ausgebildet waren, daß man de! Dctachirungen und bei Besatzungen einzelner Punkte kein Vertrauen aus ihre Ausdauer haben konnte. Dergleichen Truppen müssen stets zusammen in der Hand des obersten Führers behalten werden. Es ist eine alte Kriegs¬ erfahrung, daß man mit sogenannten Volksheeren, zu welchen das dänische ver¬ möge seiner im Ganzen sechsmonatlichen Dienstzeit, vermöge seiner Completirung der Unteroffiziere und Subalternofsizicre aus allen möglichen subalternen Civil¬ verhältnissen und vermöge seines enormen Unterschieds zwischen Kriegs- und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/523>, abgerufen am 24.07.2024.