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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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Unsere Minister athmen auf von der lästigen Controle, welche die Landes¬
vertretung über ihre Schleswig-holsteinische Politik ausgeübt hat. Morgen wird
der Landtag, der am 24. Nov. zusammengetreten war, wieder vertagt. Die
Erledigung des Budgets und der Eiscnbahnvvrlagcn, welche beide noch auf sich
warten lassen, sind einer späteren Periode vorbehalten.

Die wichtigeren Gesetzentwürfe, welche in dieser Zeit berathen wurden,
sind die über die bürgerliche Emancipation der Juden, über die Einführung
des deutschen Handelsgesetzbuchs und über die Ablösung der privatrechtlichen
Leistungen für öffentliche Zwecke.

Das Einführungsgesetz zum Handelsgesetzbuch und die aus letzteres be¬
gründete Einführung von Handelsgerichten war Gegenstand sehr langwieriger
Debatten. Die Handelsgerichte insbesondere fanden lebhaften Widerspruch, der
sich theils aus einseitig juristischen Gründen gegen das Institut überhaupt rich¬
tete, theils darauf beruhte, daß die Wohlthat eines auf Oeffentlichkeit und
Mündlichkeit begründeten Verfahrens damit nur einem abgesonderten Zweig zu
Theil werde, im Uebrigen aber die Justizverfassung davon nicht berührt werde.
Allein den Ausschlag mußte die Erwägung geben, daß denn doch das alte
Verfahren damit wenigstens an einem Punkte durchbrochen und dem Fortschritt
somit die Bahn eröffnet sei. Das Justizministerium gab nicht undeutlich zu
verstehen, daß eine Verwerfung der Vorlage für das ganze projectirte Reform¬
werk ein übles Präjudiz bilden würde. Man weiß nämlich, daß die organisa¬
torischen Plane dieses Ministeriums auf hartnäckigen Widerstand im Geheimen
Nath, diesem ewigen Hemmschuh unserer Gesetzgebung, stoßen und demselben
jene Verwerfung nur eine willkommene Handhabe gewesen wäre, seinen Wider¬
stand durch die Berufung auf die Abneigung der Landcsvertrcter zu decken.
Die Reformpläne haben aber einen um so schwierigeren Stand, als sie nicht
blos nach oben, sondern auch in der Bevölkerung selbst aus Vorurtheile aller
Art stoßen. Bekanntlich hängt unser Volksstamm mit ganz besonderer Zähig¬
keit an alten festgewurzelten Einrichtungen, zumal wenn ein beträchtlicher Kosten¬
aufwand mit der Verbesserung verknüpft ist. Eben aus Sparsamkeitsrücksichten
werden auch die Handelsgerichte bei uns nur ein verkümmertes Dasein erhalten.
Der Entwurf ging aus den Berathungen der Kammer dermaßen zugerichtet her¬
vor, daß einige Resignation vom Justizministerium dazu gehört, ihn bei den
weiteren Factoren der Gesetzgebung zu vertreten.


Unsere Minister athmen auf von der lästigen Controle, welche die Landes¬
vertretung über ihre Schleswig-holsteinische Politik ausgeübt hat. Morgen wird
der Landtag, der am 24. Nov. zusammengetreten war, wieder vertagt. Die
Erledigung des Budgets und der Eiscnbahnvvrlagcn, welche beide noch auf sich
warten lassen, sind einer späteren Periode vorbehalten.

Die wichtigeren Gesetzentwürfe, welche in dieser Zeit berathen wurden,
sind die über die bürgerliche Emancipation der Juden, über die Einführung
des deutschen Handelsgesetzbuchs und über die Ablösung der privatrechtlichen
Leistungen für öffentliche Zwecke.

Das Einführungsgesetz zum Handelsgesetzbuch und die aus letzteres be¬
gründete Einführung von Handelsgerichten war Gegenstand sehr langwieriger
Debatten. Die Handelsgerichte insbesondere fanden lebhaften Widerspruch, der
sich theils aus einseitig juristischen Gründen gegen das Institut überhaupt rich¬
tete, theils darauf beruhte, daß die Wohlthat eines auf Oeffentlichkeit und
Mündlichkeit begründeten Verfahrens damit nur einem abgesonderten Zweig zu
Theil werde, im Uebrigen aber die Justizverfassung davon nicht berührt werde.
Allein den Ausschlag mußte die Erwägung geben, daß denn doch das alte
Verfahren damit wenigstens an einem Punkte durchbrochen und dem Fortschritt
somit die Bahn eröffnet sei. Das Justizministerium gab nicht undeutlich zu
verstehen, daß eine Verwerfung der Vorlage für das ganze projectirte Reform¬
werk ein übles Präjudiz bilden würde. Man weiß nämlich, daß die organisa¬
torischen Plane dieses Ministeriums auf hartnäckigen Widerstand im Geheimen
Nath, diesem ewigen Hemmschuh unserer Gesetzgebung, stoßen und demselben
jene Verwerfung nur eine willkommene Handhabe gewesen wäre, seinen Wider¬
stand durch die Berufung auf die Abneigung der Landcsvertrcter zu decken.
Die Reformpläne haben aber einen um so schwierigeren Stand, als sie nicht
blos nach oben, sondern auch in der Bevölkerung selbst aus Vorurtheile aller
Art stoßen. Bekanntlich hängt unser Volksstamm mit ganz besonderer Zähig¬
keit an alten festgewurzelten Einrichtungen, zumal wenn ein beträchtlicher Kosten¬
aufwand mit der Verbesserung verknüpft ist. Eben aus Sparsamkeitsrücksichten
werden auch die Handelsgerichte bei uns nur ein verkümmertes Dasein erhalten.
Der Entwurf ging aus den Berathungen der Kammer dermaßen zugerichtet her¬
vor, daß einige Resignation vom Justizministerium dazu gehört, ihn bei den
weiteren Factoren der Gesetzgebung zu vertreten.


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[0446] Unsere Minister athmen auf von der lästigen Controle, welche die Landes¬ vertretung über ihre Schleswig-holsteinische Politik ausgeübt hat. Morgen wird der Landtag, der am 24. Nov. zusammengetreten war, wieder vertagt. Die Erledigung des Budgets und der Eiscnbahnvvrlagcn, welche beide noch auf sich warten lassen, sind einer späteren Periode vorbehalten. Die wichtigeren Gesetzentwürfe, welche in dieser Zeit berathen wurden, sind die über die bürgerliche Emancipation der Juden, über die Einführung des deutschen Handelsgesetzbuchs und über die Ablösung der privatrechtlichen Leistungen für öffentliche Zwecke. Das Einführungsgesetz zum Handelsgesetzbuch und die aus letzteres be¬ gründete Einführung von Handelsgerichten war Gegenstand sehr langwieriger Debatten. Die Handelsgerichte insbesondere fanden lebhaften Widerspruch, der sich theils aus einseitig juristischen Gründen gegen das Institut überhaupt rich¬ tete, theils darauf beruhte, daß die Wohlthat eines auf Oeffentlichkeit und Mündlichkeit begründeten Verfahrens damit nur einem abgesonderten Zweig zu Theil werde, im Uebrigen aber die Justizverfassung davon nicht berührt werde. Allein den Ausschlag mußte die Erwägung geben, daß denn doch das alte Verfahren damit wenigstens an einem Punkte durchbrochen und dem Fortschritt somit die Bahn eröffnet sei. Das Justizministerium gab nicht undeutlich zu verstehen, daß eine Verwerfung der Vorlage für das ganze projectirte Reform¬ werk ein übles Präjudiz bilden würde. Man weiß nämlich, daß die organisa¬ torischen Plane dieses Ministeriums auf hartnäckigen Widerstand im Geheimen Nath, diesem ewigen Hemmschuh unserer Gesetzgebung, stoßen und demselben jene Verwerfung nur eine willkommene Handhabe gewesen wäre, seinen Wider¬ stand durch die Berufung auf die Abneigung der Landcsvertrcter zu decken. Die Reformpläne haben aber einen um so schwierigeren Stand, als sie nicht blos nach oben, sondern auch in der Bevölkerung selbst aus Vorurtheile aller Art stoßen. Bekanntlich hängt unser Volksstamm mit ganz besonderer Zähig¬ keit an alten festgewurzelten Einrichtungen, zumal wenn ein beträchtlicher Kosten¬ aufwand mit der Verbesserung verknüpft ist. Eben aus Sparsamkeitsrücksichten werden auch die Handelsgerichte bei uns nur ein verkümmertes Dasein erhalten. Der Entwurf ging aus den Berathungen der Kammer dermaßen zugerichtet her¬ vor, daß einige Resignation vom Justizministerium dazu gehört, ihn bei den weiteren Factoren der Gesetzgebung zu vertreten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/446>, abgerufen am 24.07.2024.