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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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Der Kampf um Schleswig-Holstein
1848-1850. '
i.

Immer aufs Neue'werden in unsern Teuren aus den Urkunden der ver¬
schiedensten Zeiten Thatsachen und Verhältnisse ans Licht gezogen, um das
Recht Schleswig-Holsteins gegen Dänemark zu erhärten. Aber die Geschichte
erzählt uns noch von Anderem als von der Verpflichtung Dänemarks, die Selb¬
ständigkeit der Herzogthümer anzuerkennen; sie berichtet uns von einer Verpflich¬
tung Deutschlands, ihnen die Selbständigkeit zu schaffen. Sie berichtet uns
von Verheißungen deutscher Fürsten und des deutschen Volkes, die an Schles¬
wig-Holstein gethan worden, und meldet dann weiter, wie kläglich Fürsten und
Volt die Erfüllung dieser Verheißungen schuldig geblieben. So richtet sie eine
Mahnung an das deutsche Gewissen, an das Gefühl nationaler Ehrenhaftigkeit;
und wir sollen und müssen dieser Mahnung unser Ohr leihen, wie peinlich und
widerwärtig auch der Bericht der Thatsachen sich anhöre, aus welchen sie zu
uns dringt. Ist doch auch die Erkenntniß der Ursachen, aus denen man früher bank¬
brüchig geworden, eine der ersten Bedingungen zur Vermeidung neuen Bankbruchs.

Es ist der Schleswig-holsteinische Kampf der Jahre 1848--18S0. von dem
ich einen raschen Ueberblick zu geben beabsichtige. Dabei erkläre ich im Voraus,
daß ich Verzicht leiste auf jedes fernere Wort zur Bezeichnung der Empfindungen,
ohne welche kein Deutscher die Ereignisse dieses Kampfes an sich vorübergehen
lassen kann und darf, sowie aus jede nähere Andeutung der "belehrenden Winke
für die Gegenwart", welche in den Thatsachen liegen. Fürwahr, wem hier
nicht schon der einfache Bericht des Geschehenen den Stachel in die Brust senkt,
welcher zum Handel" treibt, den wird auch die zornigste Rede, auch die bitterste
Klage aus seinem stumpfen Gleichmuthe nicht aufreizen; und wem hier nicht
die Thatsachen selbst das nöthige Licht sind, welches ihm leuchte, der wird auch
-- um an ein lessingsches Wort zu erinnern -- die Sonne nicht sehen bis sie
ihm durch ein daran gehaltenes Lämpchen erhellt ist.

Ich erachte es nicht für erforderlich, einleitungsweise in die Jahrhun¬
derte des Mittelalters hinaufzugehen, in welchen, unter schweren Kämpfen,
der erste Grund gelegt worden ist zu den besonderen Rechtsverhältnissen Schles-


Grenzboten I. 1864. 21
Der Kampf um Schleswig-Holstein
1848-1850. '
i.

Immer aufs Neue'werden in unsern Teuren aus den Urkunden der ver¬
schiedensten Zeiten Thatsachen und Verhältnisse ans Licht gezogen, um das
Recht Schleswig-Holsteins gegen Dänemark zu erhärten. Aber die Geschichte
erzählt uns noch von Anderem als von der Verpflichtung Dänemarks, die Selb¬
ständigkeit der Herzogthümer anzuerkennen; sie berichtet uns von einer Verpflich¬
tung Deutschlands, ihnen die Selbständigkeit zu schaffen. Sie berichtet uns
von Verheißungen deutscher Fürsten und des deutschen Volkes, die an Schles¬
wig-Holstein gethan worden, und meldet dann weiter, wie kläglich Fürsten und
Volt die Erfüllung dieser Verheißungen schuldig geblieben. So richtet sie eine
Mahnung an das deutsche Gewissen, an das Gefühl nationaler Ehrenhaftigkeit;
und wir sollen und müssen dieser Mahnung unser Ohr leihen, wie peinlich und
widerwärtig auch der Bericht der Thatsachen sich anhöre, aus welchen sie zu
uns dringt. Ist doch auch die Erkenntniß der Ursachen, aus denen man früher bank¬
brüchig geworden, eine der ersten Bedingungen zur Vermeidung neuen Bankbruchs.

Es ist der Schleswig-holsteinische Kampf der Jahre 1848—18S0. von dem
ich einen raschen Ueberblick zu geben beabsichtige. Dabei erkläre ich im Voraus,
daß ich Verzicht leiste auf jedes fernere Wort zur Bezeichnung der Empfindungen,
ohne welche kein Deutscher die Ereignisse dieses Kampfes an sich vorübergehen
lassen kann und darf, sowie aus jede nähere Andeutung der „belehrenden Winke
für die Gegenwart", welche in den Thatsachen liegen. Fürwahr, wem hier
nicht schon der einfache Bericht des Geschehenen den Stachel in die Brust senkt,
welcher zum Handel» treibt, den wird auch die zornigste Rede, auch die bitterste
Klage aus seinem stumpfen Gleichmuthe nicht aufreizen; und wem hier nicht
die Thatsachen selbst das nöthige Licht sind, welches ihm leuchte, der wird auch
— um an ein lessingsches Wort zu erinnern — die Sonne nicht sehen bis sie
ihm durch ein daran gehaltenes Lämpchen erhellt ist.

Ich erachte es nicht für erforderlich, einleitungsweise in die Jahrhun¬
derte des Mittelalters hinaufzugehen, in welchen, unter schweren Kämpfen,
der erste Grund gelegt worden ist zu den besonderen Rechtsverhältnissen Schles-


Grenzboten I. 1864. 21
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[0171] Der Kampf um Schleswig-Holstein 1848-1850. ' i. Immer aufs Neue'werden in unsern Teuren aus den Urkunden der ver¬ schiedensten Zeiten Thatsachen und Verhältnisse ans Licht gezogen, um das Recht Schleswig-Holsteins gegen Dänemark zu erhärten. Aber die Geschichte erzählt uns noch von Anderem als von der Verpflichtung Dänemarks, die Selb¬ ständigkeit der Herzogthümer anzuerkennen; sie berichtet uns von einer Verpflich¬ tung Deutschlands, ihnen die Selbständigkeit zu schaffen. Sie berichtet uns von Verheißungen deutscher Fürsten und des deutschen Volkes, die an Schles¬ wig-Holstein gethan worden, und meldet dann weiter, wie kläglich Fürsten und Volt die Erfüllung dieser Verheißungen schuldig geblieben. So richtet sie eine Mahnung an das deutsche Gewissen, an das Gefühl nationaler Ehrenhaftigkeit; und wir sollen und müssen dieser Mahnung unser Ohr leihen, wie peinlich und widerwärtig auch der Bericht der Thatsachen sich anhöre, aus welchen sie zu uns dringt. Ist doch auch die Erkenntniß der Ursachen, aus denen man früher bank¬ brüchig geworden, eine der ersten Bedingungen zur Vermeidung neuen Bankbruchs. Es ist der Schleswig-holsteinische Kampf der Jahre 1848—18S0. von dem ich einen raschen Ueberblick zu geben beabsichtige. Dabei erkläre ich im Voraus, daß ich Verzicht leiste auf jedes fernere Wort zur Bezeichnung der Empfindungen, ohne welche kein Deutscher die Ereignisse dieses Kampfes an sich vorübergehen lassen kann und darf, sowie aus jede nähere Andeutung der „belehrenden Winke für die Gegenwart", welche in den Thatsachen liegen. Fürwahr, wem hier nicht schon der einfache Bericht des Geschehenen den Stachel in die Brust senkt, welcher zum Handel» treibt, den wird auch die zornigste Rede, auch die bitterste Klage aus seinem stumpfen Gleichmuthe nicht aufreizen; und wem hier nicht die Thatsachen selbst das nöthige Licht sind, welches ihm leuchte, der wird auch — um an ein lessingsches Wort zu erinnern — die Sonne nicht sehen bis sie ihm durch ein daran gehaltenes Lämpchen erhellt ist. Ich erachte es nicht für erforderlich, einleitungsweise in die Jahrhun¬ derte des Mittelalters hinaufzugehen, in welchen, unter schweren Kämpfen, der erste Grund gelegt worden ist zu den besonderen Rechtsverhältnissen Schles- Grenzboten I. 1864. 21

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/171>, abgerufen am 27.06.2024.