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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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zurückdatiren oder doch deren Schutz nicht beanspruchten -- so sind sie heut¬
zutage doch kaum mehr nothwendig, denn auch der befangenste Freund bestehen¬
der Institutionen wird nicht zugeben können, daß durch Wegfall der Patente
die Industrie in Stillstand oder gar Rückfall gerathen würde. Wer es aber
ernstlich wohl meint, mit ihrer Entwickelung sowie mit der gedeihlichen Blüte
des Staates, dem er angehört, der muß wünschen, daß der letztere der
Industrie so freien Spielraum gewähre, wie nur irgend möglich. Wir sehen
sie überall da aus der höchsten Stufe stehen, wo die Regierungen sie sich voll¬
kommen frei entfalten lassen und nur bemüht sind, die entgegenstehenden Hinder¬
nisse möglichst zu beseitigen und ihr durch Begünstigung von Handel und Ver¬
kehr mittelbaren Vorschub zu leisten. Wo der Gewerbfleiß den Staat als stete
Kindermutter hinter sich haben muß, da kann er es nicht zu hervorragenden
Leistungen bringen. Selfgovernment ist der Nerv einer jeden Jndustrieentwicke-
lung; das ^icks toi ist ihr Grundgesetz. Mit dem Princip der völligen
Freiheit des Handels und der Gewerbe verträgt sich aber die Patentgesetzgebung
nicht; die eine Institution würde eine Satire auf die andere sein. Daß ein Land
sich auch ohne Patente auf eine sehr hohe industrielle Stufe schwingen und
darauf beharren kann, das beweist die Schweiz. So kann demnach, alles zu¬
sammengefaßt, unser Schlußurtheil nicht anders ausfallen, als: die Patent¬
gesetzgebung erfüllt ihren Zweck nicht und ist daher unnöthig. Sie belastet
die Industrie, ohne entsprechendes Aequivalent, und benachtheiligt das Publi-
cum. Wenngleich das Anmeldesystem mit progressiver Abgabenscala und ge¬
nügendem Rechtsschutz viele Unzuträglichkeiten des Patentwesens mildert, so
vermag es doch nicht, sie ganz aufzuheben. Je freier die Entwickelung der
Industrie, um so mächtiger dieselbe -- daher keine Patente!


Dr. W. H.


Heute vor fünfzig Jahren.
Erinnerungen eines Veteranen aus dem Feldzug von 1814. 4.

So kam denn der Abend heran, und es erschien ein französischer Offizier,
welcher mich in Empfang nahm und zu den übrigen, auf der Straße und
in den Häusern gemachten Gefangenen des Marschbataillons brachte. Ich fand


zurückdatiren oder doch deren Schutz nicht beanspruchten — so sind sie heut¬
zutage doch kaum mehr nothwendig, denn auch der befangenste Freund bestehen¬
der Institutionen wird nicht zugeben können, daß durch Wegfall der Patente
die Industrie in Stillstand oder gar Rückfall gerathen würde. Wer es aber
ernstlich wohl meint, mit ihrer Entwickelung sowie mit der gedeihlichen Blüte
des Staates, dem er angehört, der muß wünschen, daß der letztere der
Industrie so freien Spielraum gewähre, wie nur irgend möglich. Wir sehen
sie überall da aus der höchsten Stufe stehen, wo die Regierungen sie sich voll¬
kommen frei entfalten lassen und nur bemüht sind, die entgegenstehenden Hinder¬
nisse möglichst zu beseitigen und ihr durch Begünstigung von Handel und Ver¬
kehr mittelbaren Vorschub zu leisten. Wo der Gewerbfleiß den Staat als stete
Kindermutter hinter sich haben muß, da kann er es nicht zu hervorragenden
Leistungen bringen. Selfgovernment ist der Nerv einer jeden Jndustrieentwicke-
lung; das ^icks toi ist ihr Grundgesetz. Mit dem Princip der völligen
Freiheit des Handels und der Gewerbe verträgt sich aber die Patentgesetzgebung
nicht; die eine Institution würde eine Satire auf die andere sein. Daß ein Land
sich auch ohne Patente auf eine sehr hohe industrielle Stufe schwingen und
darauf beharren kann, das beweist die Schweiz. So kann demnach, alles zu¬
sammengefaßt, unser Schlußurtheil nicht anders ausfallen, als: die Patent¬
gesetzgebung erfüllt ihren Zweck nicht und ist daher unnöthig. Sie belastet
die Industrie, ohne entsprechendes Aequivalent, und benachtheiligt das Publi-
cum. Wenngleich das Anmeldesystem mit progressiver Abgabenscala und ge¬
nügendem Rechtsschutz viele Unzuträglichkeiten des Patentwesens mildert, so
vermag es doch nicht, sie ganz aufzuheben. Je freier die Entwickelung der
Industrie, um so mächtiger dieselbe — daher keine Patente!


Dr. W. H.


Heute vor fünfzig Jahren.
Erinnerungen eines Veteranen aus dem Feldzug von 1814. 4.

So kam denn der Abend heran, und es erschien ein französischer Offizier,
welcher mich in Empfang nahm und zu den übrigen, auf der Straße und
in den Häusern gemachten Gefangenen des Marschbataillons brachte. Ich fand


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[0142] zurückdatiren oder doch deren Schutz nicht beanspruchten — so sind sie heut¬ zutage doch kaum mehr nothwendig, denn auch der befangenste Freund bestehen¬ der Institutionen wird nicht zugeben können, daß durch Wegfall der Patente die Industrie in Stillstand oder gar Rückfall gerathen würde. Wer es aber ernstlich wohl meint, mit ihrer Entwickelung sowie mit der gedeihlichen Blüte des Staates, dem er angehört, der muß wünschen, daß der letztere der Industrie so freien Spielraum gewähre, wie nur irgend möglich. Wir sehen sie überall da aus der höchsten Stufe stehen, wo die Regierungen sie sich voll¬ kommen frei entfalten lassen und nur bemüht sind, die entgegenstehenden Hinder¬ nisse möglichst zu beseitigen und ihr durch Begünstigung von Handel und Ver¬ kehr mittelbaren Vorschub zu leisten. Wo der Gewerbfleiß den Staat als stete Kindermutter hinter sich haben muß, da kann er es nicht zu hervorragenden Leistungen bringen. Selfgovernment ist der Nerv einer jeden Jndustrieentwicke- lung; das ^icks toi ist ihr Grundgesetz. Mit dem Princip der völligen Freiheit des Handels und der Gewerbe verträgt sich aber die Patentgesetzgebung nicht; die eine Institution würde eine Satire auf die andere sein. Daß ein Land sich auch ohne Patente auf eine sehr hohe industrielle Stufe schwingen und darauf beharren kann, das beweist die Schweiz. So kann demnach, alles zu¬ sammengefaßt, unser Schlußurtheil nicht anders ausfallen, als: die Patent¬ gesetzgebung erfüllt ihren Zweck nicht und ist daher unnöthig. Sie belastet die Industrie, ohne entsprechendes Aequivalent, und benachtheiligt das Publi- cum. Wenngleich das Anmeldesystem mit progressiver Abgabenscala und ge¬ nügendem Rechtsschutz viele Unzuträglichkeiten des Patentwesens mildert, so vermag es doch nicht, sie ganz aufzuheben. Je freier die Entwickelung der Industrie, um so mächtiger dieselbe — daher keine Patente! Dr. W. H. Heute vor fünfzig Jahren. Erinnerungen eines Veteranen aus dem Feldzug von 1814. 4. So kam denn der Abend heran, und es erschien ein französischer Offizier, welcher mich in Empfang nahm und zu den übrigen, auf der Straße und in den Häusern gemachten Gefangenen des Marschbataillons brachte. Ich fand

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/142>, abgerufen am 24.07.2024.