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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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See ohnweit Gnesen hat unser Kaiser Otto der Dritte besucht. Ratel. auf einer
Insel der Lopez gelegen, hat manchen harten Sturm erlitten. Seiner Zeit
war es eine gefürchtete Räuberburg. Der mächtige Starost Wlvdek einer der
ärgsten Räuber wurde hier gefangen genommen, um mit dem Schwerte Ein¬
gerichtet zu werden. Die Genossin seiner Frevel, die schöne Katharina Wlodl'a*)
ward lebendig verbrannt.

Ratel liegt schon auszerhalb der Pfuelschen Demarkationslinie, also im
Lande der Deutschen, der "Hergelaufenen, die nichts mitzureden haben," wie
öl-. Mebig seine Landsleute nennt. Es befinden sich unter denselben Hoheiten
und Durchlauchten verschiedener deutscher Länder, die hier gern ihre Capitalien
anzulegen scheinen und dadurch den Wünschen des guten Diaconus Fischer in
Pretsch zu Sachsen entgegenkommen, der alles Land für Deutsche kaufen und
den Polen reiche Mittel zur Auswanderung gewähren möchte.

Es gehören ihnen die Kinder unseres früheren Minister Bethmann und
manch andere edle Famile an, deren Namen guten Klang hat. Wie sie hinein¬
gekommen, was und wie sie es treiben, darüber schreibe ich Ihnen einen dritten
Brief.




Litmttur.

Richard Schöne, Ueber Platons Protcigoras. Ein Beitrag zur Lösung
der platonischen Frage. Leipzig. Breitkopf und Härtel. 1862. VIII. n. 98 S.

Dieses Schriftchen, wiewohl mit seinem Gegenstand" zunächst einer bestimmten
Fachwissenschaft zugcbörend, verdient dennoch sowohl "in seiner formellen Vorzüglich-
keit willen als wegen der Neuheit seines Grundgedankens eine Beachtung, die über
die Grenzen des specifischen Gelehrtenthums hinausreicht. Was die Form anlangt,
so loben wir in der jugendlichen Erstlingsschrift die Sicherheit des ästhetischen
und sittlichen Taktes, ebenso wie der edle und keusche Ausdruck uns lebhaft erfreut.



") Bekanntlich bezeichnet bei den polnischen Namen aufki die Wandlung in das Femi¬
ninum. Sonst dient die Endung o>va, die wie das deutsche iun bei Namen und Titeln ge¬
braucht wird, cwllwi'una u. s, w. Bei geringen Leuten wird aber die Frau nach dem Vor¬
namen des Mannes genannt, I^-anvIca,, icarüllc-i, ". s. w,. wodurch natürlich die Auffindung
solcher Weiber dem neu angezogenen Deutschen recht sehr erschwert wird.

See ohnweit Gnesen hat unser Kaiser Otto der Dritte besucht. Ratel. auf einer
Insel der Lopez gelegen, hat manchen harten Sturm erlitten. Seiner Zeit
war es eine gefürchtete Räuberburg. Der mächtige Starost Wlvdek einer der
ärgsten Räuber wurde hier gefangen genommen, um mit dem Schwerte Ein¬
gerichtet zu werden. Die Genossin seiner Frevel, die schöne Katharina Wlodl'a*)
ward lebendig verbrannt.

Ratel liegt schon auszerhalb der Pfuelschen Demarkationslinie, also im
Lande der Deutschen, der „Hergelaufenen, die nichts mitzureden haben," wie
öl-. Mebig seine Landsleute nennt. Es befinden sich unter denselben Hoheiten
und Durchlauchten verschiedener deutscher Länder, die hier gern ihre Capitalien
anzulegen scheinen und dadurch den Wünschen des guten Diaconus Fischer in
Pretsch zu Sachsen entgegenkommen, der alles Land für Deutsche kaufen und
den Polen reiche Mittel zur Auswanderung gewähren möchte.

Es gehören ihnen die Kinder unseres früheren Minister Bethmann und
manch andere edle Famile an, deren Namen guten Klang hat. Wie sie hinein¬
gekommen, was und wie sie es treiben, darüber schreibe ich Ihnen einen dritten
Brief.




Litmttur.

Richard Schöne, Ueber Platons Protcigoras. Ein Beitrag zur Lösung
der platonischen Frage. Leipzig. Breitkopf und Härtel. 1862. VIII. n. 98 S.

Dieses Schriftchen, wiewohl mit seinem Gegenstand» zunächst einer bestimmten
Fachwissenschaft zugcbörend, verdient dennoch sowohl »in seiner formellen Vorzüglich-
keit willen als wegen der Neuheit seines Grundgedankens eine Beachtung, die über
die Grenzen des specifischen Gelehrtenthums hinausreicht. Was die Form anlangt,
so loben wir in der jugendlichen Erstlingsschrift die Sicherheit des ästhetischen
und sittlichen Taktes, ebenso wie der edle und keusche Ausdruck uns lebhaft erfreut.



") Bekanntlich bezeichnet bei den polnischen Namen aufki die Wandlung in das Femi¬
ninum. Sonst dient die Endung o>va, die wie das deutsche iun bei Namen und Titeln ge¬
braucht wird, cwllwi'una u. s, w. Bei geringen Leuten wird aber die Frau nach dem Vor¬
namen des Mannes genannt, I^-anvIca,, icarüllc-i, ». s. w,. wodurch natürlich die Auffindung
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[0245] See ohnweit Gnesen hat unser Kaiser Otto der Dritte besucht. Ratel. auf einer Insel der Lopez gelegen, hat manchen harten Sturm erlitten. Seiner Zeit war es eine gefürchtete Räuberburg. Der mächtige Starost Wlvdek einer der ärgsten Räuber wurde hier gefangen genommen, um mit dem Schwerte Ein¬ gerichtet zu werden. Die Genossin seiner Frevel, die schöne Katharina Wlodl'a*) ward lebendig verbrannt. Ratel liegt schon auszerhalb der Pfuelschen Demarkationslinie, also im Lande der Deutschen, der „Hergelaufenen, die nichts mitzureden haben," wie öl-. Mebig seine Landsleute nennt. Es befinden sich unter denselben Hoheiten und Durchlauchten verschiedener deutscher Länder, die hier gern ihre Capitalien anzulegen scheinen und dadurch den Wünschen des guten Diaconus Fischer in Pretsch zu Sachsen entgegenkommen, der alles Land für Deutsche kaufen und den Polen reiche Mittel zur Auswanderung gewähren möchte. Es gehören ihnen die Kinder unseres früheren Minister Bethmann und manch andere edle Famile an, deren Namen guten Klang hat. Wie sie hinein¬ gekommen, was und wie sie es treiben, darüber schreibe ich Ihnen einen dritten Brief. Litmttur. Richard Schöne, Ueber Platons Protcigoras. Ein Beitrag zur Lösung der platonischen Frage. Leipzig. Breitkopf und Härtel. 1862. VIII. n. 98 S. Dieses Schriftchen, wiewohl mit seinem Gegenstand» zunächst einer bestimmten Fachwissenschaft zugcbörend, verdient dennoch sowohl »in seiner formellen Vorzüglich- keit willen als wegen der Neuheit seines Grundgedankens eine Beachtung, die über die Grenzen des specifischen Gelehrtenthums hinausreicht. Was die Form anlangt, so loben wir in der jugendlichen Erstlingsschrift die Sicherheit des ästhetischen und sittlichen Taktes, ebenso wie der edle und keusche Ausdruck uns lebhaft erfreut. ") Bekanntlich bezeichnet bei den polnischen Namen aufki die Wandlung in das Femi¬ ninum. Sonst dient die Endung o>va, die wie das deutsche iun bei Namen und Titeln ge¬ braucht wird, cwllwi'una u. s, w. Bei geringen Leuten wird aber die Frau nach dem Vor¬ namen des Mannes genannt, I^-anvIca,, icarüllc-i, ». s. w,. wodurch natürlich die Auffindung solcher Weiber dem neu angezogenen Deutschen recht sehr erschwert wird.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/245>, abgerufen am 21.11.2024.