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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.

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Die polnische Frage in Verbindung mit der sächsischen nus
dem wiener Kongreß.
Geschichte Rußlands und der europäischen Politik in den Jahren 1814 bis 1831.
Von Theodor v. Bernhardt. Erster Theil. (Staatengeschichte der neue¬
sten Zeit. 7. Band.) Leipzig. S. Hirzel. 1863. 543 S. 1.

Wenn es noch des Beweises bedürfte, das, die Ereignisse der neuesten Ge¬
schichte oft weniger genau im Gedächtniß der Gegenwart leben als die zeitlich
entfernterer Perioden, so würde ihn die heutige englische Presse mit ihrer Mei¬
nung über die Stellung liefern, welche die britische Politik zur Lösung der
Polnischen Frage auf dem wiener Congreß einnahm -- eine Meinung, die wir,
so unrichtig sie ist, so sehr sie die Dinge geradezu auf den Kops stellt, den
Herren Journalisten freilich um so weniger übel nehmen dürfen, als sie nach
den letzten Kundgebungen des londoner Cabinets selbst von dem Premier und
dem Minister des Auswärtigen getheilt zu werden scheint.

Nach jenen Kundgebungen hätte England bei der damaligen Neugestaltung
der europäischen Verhältnisse sich lebhaft für eine möglichst freie und unabhän¬
gige Stellung Polens verwendet. Nach der unparteiischen Geschichte that Lord
Castlereagh und sein Auftraggeber, der Prinz-Regent in allen Stücken das
gerade Gegentheil. Die Belege dazu findet der geneigte Leser in dem oben
angeführten neuesten Werke Bernhardts, welches wir hiermit warm empfohlen
haben wollen, und zu dessen Acquisition wir dem Verleger ganz besonders
Glück wünschen. Alle Partien dieses auf gründlicher Information beruhenden,
mit einer beträchtlichen Anzahl "euer Thatsachen durchwehten und beleuchte¬
ten, von echtem patriotischen Geiste getragenen und überdies vortrefflich ge¬
schriebenen Buchs beanspruchen ernste Beachtung. Als Glanzpunkt desselben
aber möchten wir neben der lichtvollen Darstellung des bisher in mehr als
einer Beziehung noch dunkel gebliebner Feldzugs von 1816 den höchst lehr¬
reichen Bericht bezeichnen, den der Verfasser S. 1 bis 120 von den Ver¬
schiedenen Phasen des wiener Congresses gibt, und so glauben wir das Werk
nicht besser anzeigen zu können, als durch einen Auszug aus diesen Capiteln,


Grenzboten IV. 18K3.
Die polnische Frage in Verbindung mit der sächsischen nus
dem wiener Kongreß.
Geschichte Rußlands und der europäischen Politik in den Jahren 1814 bis 1831.
Von Theodor v. Bernhardt. Erster Theil. (Staatengeschichte der neue¬
sten Zeit. 7. Band.) Leipzig. S. Hirzel. 1863. 543 S. 1.

Wenn es noch des Beweises bedürfte, das, die Ereignisse der neuesten Ge¬
schichte oft weniger genau im Gedächtniß der Gegenwart leben als die zeitlich
entfernterer Perioden, so würde ihn die heutige englische Presse mit ihrer Mei¬
nung über die Stellung liefern, welche die britische Politik zur Lösung der
Polnischen Frage auf dem wiener Congreß einnahm — eine Meinung, die wir,
so unrichtig sie ist, so sehr sie die Dinge geradezu auf den Kops stellt, den
Herren Journalisten freilich um so weniger übel nehmen dürfen, als sie nach
den letzten Kundgebungen des londoner Cabinets selbst von dem Premier und
dem Minister des Auswärtigen getheilt zu werden scheint.

Nach jenen Kundgebungen hätte England bei der damaligen Neugestaltung
der europäischen Verhältnisse sich lebhaft für eine möglichst freie und unabhän¬
gige Stellung Polens verwendet. Nach der unparteiischen Geschichte that Lord
Castlereagh und sein Auftraggeber, der Prinz-Regent in allen Stücken das
gerade Gegentheil. Die Belege dazu findet der geneigte Leser in dem oben
angeführten neuesten Werke Bernhardts, welches wir hiermit warm empfohlen
haben wollen, und zu dessen Acquisition wir dem Verleger ganz besonders
Glück wünschen. Alle Partien dieses auf gründlicher Information beruhenden,
mit einer beträchtlichen Anzahl »euer Thatsachen durchwehten und beleuchte¬
ten, von echtem patriotischen Geiste getragenen und überdies vortrefflich ge¬
schriebenen Buchs beanspruchen ernste Beachtung. Als Glanzpunkt desselben
aber möchten wir neben der lichtvollen Darstellung des bisher in mehr als
einer Beziehung noch dunkel gebliebner Feldzugs von 1816 den höchst lehr¬
reichen Bericht bezeichnen, den der Verfasser S. 1 bis 120 von den Ver¬
schiedenen Phasen des wiener Congresses gibt, und so glauben wir das Werk
nicht besser anzeigen zu können, als durch einen Auszug aus diesen Capiteln,


Grenzboten IV. 18K3.
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[0089] Die polnische Frage in Verbindung mit der sächsischen nus dem wiener Kongreß. Geschichte Rußlands und der europäischen Politik in den Jahren 1814 bis 1831. Von Theodor v. Bernhardt. Erster Theil. (Staatengeschichte der neue¬ sten Zeit. 7. Band.) Leipzig. S. Hirzel. 1863. 543 S. 1. Wenn es noch des Beweises bedürfte, das, die Ereignisse der neuesten Ge¬ schichte oft weniger genau im Gedächtniß der Gegenwart leben als die zeitlich entfernterer Perioden, so würde ihn die heutige englische Presse mit ihrer Mei¬ nung über die Stellung liefern, welche die britische Politik zur Lösung der Polnischen Frage auf dem wiener Congreß einnahm — eine Meinung, die wir, so unrichtig sie ist, so sehr sie die Dinge geradezu auf den Kops stellt, den Herren Journalisten freilich um so weniger übel nehmen dürfen, als sie nach den letzten Kundgebungen des londoner Cabinets selbst von dem Premier und dem Minister des Auswärtigen getheilt zu werden scheint. Nach jenen Kundgebungen hätte England bei der damaligen Neugestaltung der europäischen Verhältnisse sich lebhaft für eine möglichst freie und unabhän¬ gige Stellung Polens verwendet. Nach der unparteiischen Geschichte that Lord Castlereagh und sein Auftraggeber, der Prinz-Regent in allen Stücken das gerade Gegentheil. Die Belege dazu findet der geneigte Leser in dem oben angeführten neuesten Werke Bernhardts, welches wir hiermit warm empfohlen haben wollen, und zu dessen Acquisition wir dem Verleger ganz besonders Glück wünschen. Alle Partien dieses auf gründlicher Information beruhenden, mit einer beträchtlichen Anzahl »euer Thatsachen durchwehten und beleuchte¬ ten, von echtem patriotischen Geiste getragenen und überdies vortrefflich ge¬ schriebenen Buchs beanspruchen ernste Beachtung. Als Glanzpunkt desselben aber möchten wir neben der lichtvollen Darstellung des bisher in mehr als einer Beziehung noch dunkel gebliebner Feldzugs von 1816 den höchst lehr¬ reichen Bericht bezeichnen, den der Verfasser S. 1 bis 120 von den Ver¬ schiedenen Phasen des wiener Congresses gibt, und so glauben wir das Werk nicht besser anzeigen zu können, als durch einen Auszug aus diesen Capiteln, Grenzboten IV. 18K3.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927/89>, abgerufen am 15.01.2025.