Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.Literatur. Aesthetischc und historische Einleitung nebst fortlaufender Er¬ Die Einleitung enthält manchen guten Gedanken, wenn auch nicht viel Neues. Literatur. Aesthetischc und historische Einleitung nebst fortlaufender Er¬ Die Einleitung enthält manchen guten Gedanken, wenn auch nicht viel Neues. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0527" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/116455"/> </div> <div n="1"> <head> Literatur.</head><lb/> <p xml:id="ID_1775"> Aesthetischc und historische Einleitung nebst fortlaufender Er¬<lb/> läuterung zu Goethes Hermann und Dorothea. Von Dr. L, Chole-<lb/> vius. Leipzig Druck und Verlag von B. G, Teubner. 1863. 274 S.</p><lb/> <p xml:id="ID_1776" next="#ID_1777"> Die Einleitung enthält manchen guten Gedanken, wenn auch nicht viel Neues.<lb/> Die fortlaufende Erläuterung dagegen ist an mehr als einer Stelle zum Fortlaufen.<lb/> Wir glaubten, Düntzer habe in dieser Art Interpretation das Möglichste geleistet,<lb/> aber Herr Professor Cholevius versteht es, ihn zu überbieten. Man höre einige<lb/> Proben dieser Uebergründlichkeit, denen sich leicht noch etliche Dutzend gleich ergötzliche<lb/> beifügen ließen. Zu Geh. 1, 19: „Diesmal fuhr er allein" wird bemerkt: „Nicht,<lb/> ohne den Kutscher auf dem Bocke, sondern ohne die Eltern, mit denen er vielleicht<lb/> manchmal eine Spazierfahrt nach dem Lindenbrunnen macht." Zu 21: — „der<lb/> Wirth zum goldnen Löwen" gibts folgende höchst nothwendige Note: „die Gast-<lb/> Höfe erhalten, wie Speicher und Apotheken, ein Abzeichen, weil es für die Fremden<lb/> unbequemer ist, sich die Namen der Eigenthümer zu merken, und weil das Bild<lb/> dasselbe bleibt, wenn auch die Wirthe wechseln." Zu 29: „Und besonders den<lb/> Schlafrock mit indianischen Blumen, Von dem feinsten Kattun", erhalten wir die tief-<lb/> gelehrte Erläuterung: „Kattun, franz. ooton, engl. cotton, stammt von einem arabischen<lb/> Worte, welches Baumwolle bedeutet. In Ostindien verfertigte man ehemals sehr<lb/> feine, mit großen Blumen geschmückte Zeuge der Art. Sie hießen dort eines,<lb/> woher unser Zieh." Zu 117: „auf mancherlei Karren und Wagen" wird uns gelehrt:<lb/> „der Karren ist ein Packwagen, dessen oberer Theil aus einem Kasten besteht. Er<lb/> hat meistens nur zwei Näder. Cäsar erwähnt, daß solche earri bei den Galliern<lb/> in Gebrauch waren, und das Wort selbst ist gallisch." Zu 155: „Schickten wir<lb/> eilend ein Scherflein" findet sich der Verfasser genöthigt zu erläutern: „Ein kleiner<lb/> Metallscherben und in älterer Zeit eine Münze, die unter demselben Namen in Ge¬<lb/> brauch war und anderthalb preußische Pfennige galt. Seit Luther bedeutet das Wort<lb/> ausschließlich ein kleines Almosen." Zu 186: „Haltet am Glauben fest" wird uns<lb/> (oder richtiger, dem strebsamen Litcraturftcund in Quinta, an den der Verfasser sich<lb/> mit dieser Weisheit zu adresstrcn scheint) folgende Glosse geboten: „Der Ausdruck<lb/> bedeutete ursprünglich: am christlichen Bekenntniß festhalten. Der Glaube ist das<lb/> Geloben, das Gelübde. Die bekehrten Heiden mußten bei der Taufe eine Formel<lb/> hersagen, die mit den Worten: ich gelobe anfing. Zwar nennt man noch heute<lb/> die Religion den Glauben, aber am Glauben festhalten beziehen wir gewöhn¬<lb/> lich auf das unwandelbare Vertrauen zu Gottes Vatergüte." Geh. 3, 42: „An¬<lb/> dere hocken zu Haus' und brüten hinter dem Ofen" erforderte unumgänglich die<lb/> Bemerkung: „Die Landleute nehmen die Bruthenne in ihre Wohnstube und über¬<lb/> lassen ihr den stillen Winkel zwischen Ofen und Wand. Die Volkssprache macht<lb/> hiervon eine vortreffliche Anwendung auf die Stubensitzer" u. s. w. Geh. 7, 12:<lb/> „den größeren Krug und einen kleinern am Henkel" veranlaßt zu folgender<lb/> dankenswerther Hypothese: „Nach dem Wortlaut sollre man meinen, daß sie den<lb/> größern Krug nicht an einem Henkel, sondern etwa an einem Bügel oder wie<lb/> Rebekka auf ihrer Achsel getragen. Vergl. jedoch V. 103." V. 146: „Freunde, die¬<lb/> ses ist wohl das letzte Mal, daß ich den Krug Euch" hat die Glosse: „Die feier-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0527]
Literatur.
Aesthetischc und historische Einleitung nebst fortlaufender Er¬
läuterung zu Goethes Hermann und Dorothea. Von Dr. L, Chole-
vius. Leipzig Druck und Verlag von B. G, Teubner. 1863. 274 S.
Die Einleitung enthält manchen guten Gedanken, wenn auch nicht viel Neues.
Die fortlaufende Erläuterung dagegen ist an mehr als einer Stelle zum Fortlaufen.
Wir glaubten, Düntzer habe in dieser Art Interpretation das Möglichste geleistet,
aber Herr Professor Cholevius versteht es, ihn zu überbieten. Man höre einige
Proben dieser Uebergründlichkeit, denen sich leicht noch etliche Dutzend gleich ergötzliche
beifügen ließen. Zu Geh. 1, 19: „Diesmal fuhr er allein" wird bemerkt: „Nicht,
ohne den Kutscher auf dem Bocke, sondern ohne die Eltern, mit denen er vielleicht
manchmal eine Spazierfahrt nach dem Lindenbrunnen macht." Zu 21: — „der
Wirth zum goldnen Löwen" gibts folgende höchst nothwendige Note: „die Gast-
Höfe erhalten, wie Speicher und Apotheken, ein Abzeichen, weil es für die Fremden
unbequemer ist, sich die Namen der Eigenthümer zu merken, und weil das Bild
dasselbe bleibt, wenn auch die Wirthe wechseln." Zu 29: „Und besonders den
Schlafrock mit indianischen Blumen, Von dem feinsten Kattun", erhalten wir die tief-
gelehrte Erläuterung: „Kattun, franz. ooton, engl. cotton, stammt von einem arabischen
Worte, welches Baumwolle bedeutet. In Ostindien verfertigte man ehemals sehr
feine, mit großen Blumen geschmückte Zeuge der Art. Sie hießen dort eines,
woher unser Zieh." Zu 117: „auf mancherlei Karren und Wagen" wird uns gelehrt:
„der Karren ist ein Packwagen, dessen oberer Theil aus einem Kasten besteht. Er
hat meistens nur zwei Näder. Cäsar erwähnt, daß solche earri bei den Galliern
in Gebrauch waren, und das Wort selbst ist gallisch." Zu 155: „Schickten wir
eilend ein Scherflein" findet sich der Verfasser genöthigt zu erläutern: „Ein kleiner
Metallscherben und in älterer Zeit eine Münze, die unter demselben Namen in Ge¬
brauch war und anderthalb preußische Pfennige galt. Seit Luther bedeutet das Wort
ausschließlich ein kleines Almosen." Zu 186: „Haltet am Glauben fest" wird uns
(oder richtiger, dem strebsamen Litcraturftcund in Quinta, an den der Verfasser sich
mit dieser Weisheit zu adresstrcn scheint) folgende Glosse geboten: „Der Ausdruck
bedeutete ursprünglich: am christlichen Bekenntniß festhalten. Der Glaube ist das
Geloben, das Gelübde. Die bekehrten Heiden mußten bei der Taufe eine Formel
hersagen, die mit den Worten: ich gelobe anfing. Zwar nennt man noch heute
die Religion den Glauben, aber am Glauben festhalten beziehen wir gewöhn¬
lich auf das unwandelbare Vertrauen zu Gottes Vatergüte." Geh. 3, 42: „An¬
dere hocken zu Haus' und brüten hinter dem Ofen" erforderte unumgänglich die
Bemerkung: „Die Landleute nehmen die Bruthenne in ihre Wohnstube und über¬
lassen ihr den stillen Winkel zwischen Ofen und Wand. Die Volkssprache macht
hiervon eine vortreffliche Anwendung auf die Stubensitzer" u. s. w. Geh. 7, 12:
„den größeren Krug und einen kleinern am Henkel" veranlaßt zu folgender
dankenswerther Hypothese: „Nach dem Wortlaut sollre man meinen, daß sie den
größern Krug nicht an einem Henkel, sondern etwa an einem Bügel oder wie
Rebekka auf ihrer Achsel getragen. Vergl. jedoch V. 103." V. 146: „Freunde, die¬
ses ist wohl das letzte Mal, daß ich den Krug Euch" hat die Glosse: „Die feier-
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