Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.Von der polnischen Grenze. Die Reise unseres Kronprinzen durch die Provinz von Thorn her über Von der polnischen Grenze. Die Reise unseres Kronprinzen durch die Provinz von Thorn her über <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0110" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/115502"/> </div> </div> <div n="1"> <head> Von der polnischen Grenze.</head><lb/> <p xml:id="ID_306" next="#ID_307"> Die Reise unseres Kronprinzen durch die Provinz von Thorn her über<lb/> Inowraclaw, Trzemcszno, Gnesen nach Posen, von da wieder nach Schneide-<lb/> mühl, war für uns arme Großhcrzogthümler wirklich einmal ein frischer Luft¬<lb/> zug durch die drückende Schwüle, in der wir sonst athmen. Der Prinz, auf<lb/> den, wie Sie wissen, jetzt alle Augen und wer weiß wie viel Hoffnungen ge¬<lb/> richtet sind, hat jedenfalls die Gabe einer Liebe gewinnenden und Vertrauen<lb/> erweckenden Persönlichkeit im reichen Maße empfangen. Referent gehörte<lb/> einem Kreise, der sich an einer der Zwischenstationen zur Begrüßung zusammen¬<lb/> gefunden hatte, an und überzeugte sich selbst davon, wie herzlich die Königl.<lb/> Hoheit sich bemüht, jedem Freundliches zu sagen, mit jedem von Dingen zu<lb/> reden, für die sich der Vorgestellte interessiren möchte. Dann aber war ich<lb/> auch Zeuge der ungeteilten und ungeheuchelten Freude, in welche die An¬<lb/> wesenden alle durch die Güte des hohen Reisenden verseht waren. Ueöngens<lb/> schloß sich die katholische Geistlichkeit von den Empfangsfeierlichkeiten nicht aus,<lb/> wenn auch die Betheiligung lau war und einzelne Herren nicht einmal ihr<lb/> Amtskleid angelegt hatten. Nur Herr Leo v. Przyluski entsandte statt seiner<lb/> die Domherrn Richter und Polczynsti, welche ihn — „den 74jMrigen Mann"<lb/> wegen Kränklichkeit entschuldigen sollten. Darauf hat nach der wiederholten<lb/> Versicherung von Ohrenzeugen der Kronprinz geantwortet: wir kennen das,<lb/> und sehr ernste Worte über die Pflicht der Geistlichen, „Frieden und Gehor¬<lb/> sam gegen das Gesetz" zu predigen, gesprochen. Die Kunde davon machte<lb/> ziemlich allgemein Freude, obgleich wir bedauerten, daß gerade die beiden wür¬<lb/> digsten Mitglieder des Domkapitels, deren Stellung in demselben ohnehin eine<lb/> sehr schwielige ist, zu Uebcrbringern dieser bedeutenden Worte aus hohem<lb/> Munde ausersehen waren. — Heute aber überrascht uns das bischöfliche Con-<lb/> sistorium mit einer Berichtigung. Dasselbe ist jetzt überhaupt damit sehr rasch<lb/> zur Hand, sobald der leiseste Schalten auf seine Loyalität geworfen wird.<lb/> Die geistliche Behörde versichert, Königl. Hoheit sei sehr, gnädig gegen die<lb/> Domherrn gewesen, und Herr Richter habe Gelegenheit gehabt zu versichern: „die<lb/> Kirche hat allerdings eine schwierige Aufgabe, indem sie die Autorität mit ih¬<lb/> ren Mitteln zu schützen und zu stärken verpflichtet ist; sie erkennt aber ihre des-<lb/> fallsige Aufgabe vollständig und wird sie ganz gewiß mit Gottes Hilfe zu lösen<lb/> im Stande sein. Königl. Hoheit, ich lebe der vollen Ueberzeugung, daß die<lb/> Kirche gegenwärtig auch hier ihren hohen Beruf erfüllen wird;" worauf der</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0110]
Von der polnischen Grenze.
Die Reise unseres Kronprinzen durch die Provinz von Thorn her über
Inowraclaw, Trzemcszno, Gnesen nach Posen, von da wieder nach Schneide-
mühl, war für uns arme Großhcrzogthümler wirklich einmal ein frischer Luft¬
zug durch die drückende Schwüle, in der wir sonst athmen. Der Prinz, auf
den, wie Sie wissen, jetzt alle Augen und wer weiß wie viel Hoffnungen ge¬
richtet sind, hat jedenfalls die Gabe einer Liebe gewinnenden und Vertrauen
erweckenden Persönlichkeit im reichen Maße empfangen. Referent gehörte
einem Kreise, der sich an einer der Zwischenstationen zur Begrüßung zusammen¬
gefunden hatte, an und überzeugte sich selbst davon, wie herzlich die Königl.
Hoheit sich bemüht, jedem Freundliches zu sagen, mit jedem von Dingen zu
reden, für die sich der Vorgestellte interessiren möchte. Dann aber war ich
auch Zeuge der ungeteilten und ungeheuchelten Freude, in welche die An¬
wesenden alle durch die Güte des hohen Reisenden verseht waren. Ueöngens
schloß sich die katholische Geistlichkeit von den Empfangsfeierlichkeiten nicht aus,
wenn auch die Betheiligung lau war und einzelne Herren nicht einmal ihr
Amtskleid angelegt hatten. Nur Herr Leo v. Przyluski entsandte statt seiner
die Domherrn Richter und Polczynsti, welche ihn — „den 74jMrigen Mann"
wegen Kränklichkeit entschuldigen sollten. Darauf hat nach der wiederholten
Versicherung von Ohrenzeugen der Kronprinz geantwortet: wir kennen das,
und sehr ernste Worte über die Pflicht der Geistlichen, „Frieden und Gehor¬
sam gegen das Gesetz" zu predigen, gesprochen. Die Kunde davon machte
ziemlich allgemein Freude, obgleich wir bedauerten, daß gerade die beiden wür¬
digsten Mitglieder des Domkapitels, deren Stellung in demselben ohnehin eine
sehr schwielige ist, zu Uebcrbringern dieser bedeutenden Worte aus hohem
Munde ausersehen waren. — Heute aber überrascht uns das bischöfliche Con-
sistorium mit einer Berichtigung. Dasselbe ist jetzt überhaupt damit sehr rasch
zur Hand, sobald der leiseste Schalten auf seine Loyalität geworfen wird.
Die geistliche Behörde versichert, Königl. Hoheit sei sehr, gnädig gegen die
Domherrn gewesen, und Herr Richter habe Gelegenheit gehabt zu versichern: „die
Kirche hat allerdings eine schwierige Aufgabe, indem sie die Autorität mit ih¬
ren Mitteln zu schützen und zu stärken verpflichtet ist; sie erkennt aber ihre des-
fallsige Aufgabe vollständig und wird sie ganz gewiß mit Gottes Hilfe zu lösen
im Stande sein. Königl. Hoheit, ich lebe der vollen Ueberzeugung, daß die
Kirche gegenwärtig auch hier ihren hohen Beruf erfüllen wird;" worauf der
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |