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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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flößen können. Ist diese Besorgniß hierdurch widerlegt, so haben wir alle Ursache,
uns mit Theilnahme dem im Südslavenland sich vorbereitenden Schauspiele zuzu¬
wenden. Längst verstorben geglaubte Völker erstehen hier aus ihren Särgen,
stumpfe Greise werden in der Auferstehungsluft des Jahrhunderts wieder zu raschen
Jünglingen, tausend verschüttete Lebensbrunnen brechen wieder aus, und es beginnt
sich eine Nation und ein Reich zu bilden, die sehr wahrscheinlich der Habsburgischen
Macht Verlegenheiten und mit andern im Bunde Verluste bereiten, nimmermehr
aber Deutschlands Interessen Schaden bringen, unter Umständen sogar für uns
von erheblichem Nutzen sein werden. Denn nicht genug können wir den Wahn
widerlegen, als ob ein Angriff aus das jetzige Oestreich -- so weit es nicht
zum deutschen Bunde gehört -- unter allen Umständen auch ein Angriff auf
Deutschland sei. Eine solche Solidarität der Interessen könnte erst mit neuen
völkerrechtlichen Verträgen eintreten, erst mit solchen Verträgen, wie sie das
politische Programm andeutet, dem d. Bl. zu dienen die Ehre und Freude
haben.




Römisches Straßenleben.
2.

Wir standen neulich auf dem Capitol und schauten hinab aufs Forum.
Laß uns heut weiter wandern in die Ruinenstadt hinein.

Wenn der geniale Hadrian, der in seinem ganzen Wesen so viel Aehnlich-
keit mit Friedrich Wilhelm dem Vierten hatte, heute von der Capitolinischen Arx
die ewige Stadt überblickte, wahrlich, er würde sie nicht wieder erkennen; er, der
eine Stadt mit Prachtbauten verschönerte, die Augustus als eine von Holz
erbaute übernommen, Nero als eine von Marmor hinterlassen. Da wo
sonst das üppige Leben der vornehmen römischen Welt wogte, wo das
Forum mit seinen Tempeln, Gerichtshallen und Triumphbögen lag, wo auf
dem Palatinischen Berg die Kaiserpaläste mit ihren Gärten, weiterhin
die Bäder des Caracalla, des Titus mit unermeßlichen Kunstschätzen sich
ausdehnten, wo auf den Hügeln des Aventin, des Coelius, des Esquilin, des
Viminal Palast an Palast, Haus an Haus sich reihte, da würde er nichts als
zerklüftete Trümmer schauen, hervorragend aus den Vignen und Gärten einer


flößen können. Ist diese Besorgniß hierdurch widerlegt, so haben wir alle Ursache,
uns mit Theilnahme dem im Südslavenland sich vorbereitenden Schauspiele zuzu¬
wenden. Längst verstorben geglaubte Völker erstehen hier aus ihren Särgen,
stumpfe Greise werden in der Auferstehungsluft des Jahrhunderts wieder zu raschen
Jünglingen, tausend verschüttete Lebensbrunnen brechen wieder aus, und es beginnt
sich eine Nation und ein Reich zu bilden, die sehr wahrscheinlich der Habsburgischen
Macht Verlegenheiten und mit andern im Bunde Verluste bereiten, nimmermehr
aber Deutschlands Interessen Schaden bringen, unter Umständen sogar für uns
von erheblichem Nutzen sein werden. Denn nicht genug können wir den Wahn
widerlegen, als ob ein Angriff aus das jetzige Oestreich — so weit es nicht
zum deutschen Bunde gehört — unter allen Umständen auch ein Angriff auf
Deutschland sei. Eine solche Solidarität der Interessen könnte erst mit neuen
völkerrechtlichen Verträgen eintreten, erst mit solchen Verträgen, wie sie das
politische Programm andeutet, dem d. Bl. zu dienen die Ehre und Freude
haben.




Römisches Straßenleben.
2.

Wir standen neulich auf dem Capitol und schauten hinab aufs Forum.
Laß uns heut weiter wandern in die Ruinenstadt hinein.

Wenn der geniale Hadrian, der in seinem ganzen Wesen so viel Aehnlich-
keit mit Friedrich Wilhelm dem Vierten hatte, heute von der Capitolinischen Arx
die ewige Stadt überblickte, wahrlich, er würde sie nicht wieder erkennen; er, der
eine Stadt mit Prachtbauten verschönerte, die Augustus als eine von Holz
erbaute übernommen, Nero als eine von Marmor hinterlassen. Da wo
sonst das üppige Leben der vornehmen römischen Welt wogte, wo das
Forum mit seinen Tempeln, Gerichtshallen und Triumphbögen lag, wo auf
dem Palatinischen Berg die Kaiserpaläste mit ihren Gärten, weiterhin
die Bäder des Caracalla, des Titus mit unermeßlichen Kunstschätzen sich
ausdehnten, wo auf den Hügeln des Aventin, des Coelius, des Esquilin, des
Viminal Palast an Palast, Haus an Haus sich reihte, da würde er nichts als
zerklüftete Trümmer schauen, hervorragend aus den Vignen und Gärten einer


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[0486] flößen können. Ist diese Besorgniß hierdurch widerlegt, so haben wir alle Ursache, uns mit Theilnahme dem im Südslavenland sich vorbereitenden Schauspiele zuzu¬ wenden. Längst verstorben geglaubte Völker erstehen hier aus ihren Särgen, stumpfe Greise werden in der Auferstehungsluft des Jahrhunderts wieder zu raschen Jünglingen, tausend verschüttete Lebensbrunnen brechen wieder aus, und es beginnt sich eine Nation und ein Reich zu bilden, die sehr wahrscheinlich der Habsburgischen Macht Verlegenheiten und mit andern im Bunde Verluste bereiten, nimmermehr aber Deutschlands Interessen Schaden bringen, unter Umständen sogar für uns von erheblichem Nutzen sein werden. Denn nicht genug können wir den Wahn widerlegen, als ob ein Angriff aus das jetzige Oestreich — so weit es nicht zum deutschen Bunde gehört — unter allen Umständen auch ein Angriff auf Deutschland sei. Eine solche Solidarität der Interessen könnte erst mit neuen völkerrechtlichen Verträgen eintreten, erst mit solchen Verträgen, wie sie das politische Programm andeutet, dem d. Bl. zu dienen die Ehre und Freude haben. Römisches Straßenleben. 2. Wir standen neulich auf dem Capitol und schauten hinab aufs Forum. Laß uns heut weiter wandern in die Ruinenstadt hinein. Wenn der geniale Hadrian, der in seinem ganzen Wesen so viel Aehnlich- keit mit Friedrich Wilhelm dem Vierten hatte, heute von der Capitolinischen Arx die ewige Stadt überblickte, wahrlich, er würde sie nicht wieder erkennen; er, der eine Stadt mit Prachtbauten verschönerte, die Augustus als eine von Holz erbaute übernommen, Nero als eine von Marmor hinterlassen. Da wo sonst das üppige Leben der vornehmen römischen Welt wogte, wo das Forum mit seinen Tempeln, Gerichtshallen und Triumphbögen lag, wo auf dem Palatinischen Berg die Kaiserpaläste mit ihren Gärten, weiterhin die Bäder des Caracalla, des Titus mit unermeßlichen Kunstschätzen sich ausdehnten, wo auf den Hügeln des Aventin, des Coelius, des Esquilin, des Viminal Palast an Palast, Haus an Haus sich reihte, da würde er nichts als zerklüftete Trümmer schauen, hervorragend aus den Vignen und Gärten einer

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/486>, abgerufen am 24.08.2024.