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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.

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hatte*), und welcher noch heute alle Arten von Leibesgebrechen der Gläubigen
heilt." --

"Ich besuchte dann die Malerschule des Klosters, wo zwanzig Künstler und
dreißig Kunstschüler bei der Arbeit waren und nicht nach byzantinischen "Ikons"
oder andern präraphaelischen Gemälden, sondern nach Copien von Raphael selbst,
von Leonardo da Vinci und sogar von Horace Bernet malten. Mit Freude
sah ich. daß Rußland seine Sclaven emancipirt und daß sich selbst im alten
Troiza-Kloster eine raphaelische und eine nachraphaelische Schule bildete, In
einer kleinen Bildergallerie neben dem Atelier befand sich zwischen einem Por¬
trait des Kaisers und eines Metropoliten von Moskau eine recht lebensvolle
Darstellung des Angriffs der polnischen Belagerer auf das Dreieinigkeits¬
kloster." --

"Ich besuchte nun noch die Wälle und die Höhe des goldköpfigen Glocken¬
thurms, der sich hoch ni'er die roth und grünen Dächer des Klosters und die
wie Gold und Silber glänzenden Kuppeln und Kreuze seiner zahlreichen Kirchen
und Kapellen erhebt. Wie sie inmitten der klaren, trockenen Luft über dem un¬
ermeßlichen Schneefeld glänzten, welches die Laura von allen Seiten umgab!
Der blaue Himmel war ohne Wolken, wie im Juli, die Stäbe und Ketten an
den Kreuzen der Kirchen schienen von den Strahlen der Mittagssonne zu glühen.
Dabei war es bitterkalt, und das Wasser der heiligen Quelle verwandelte sich
beinahe aus dem Wege vom Brunnen zu den Lippen in Eis. Man gab mir
zu verstehen, daß der Trunk mich, wenn ich krank gewesen wäre, geheilt haben
würde. Es fehlte mir nichts, aber ich kann bezeugen, daß es mir wenigstens
keinen Schaden that."




Vermischte Literatur.
Athenäum. -- Philosophische Zeitschrift herausgegeben von Dr. I. Frohscham-
Mer, o. Prof. d. Philos. an der Universität München. 1. und 2. Heft. München,
18K2. Verlag der I. I. Lcntnerschen Buchhandlung.

Ist vorzugsweise für Katholiken bestimmt. "Die Philosophie als freie selbstän¬
dige, nur ihren eignen Gesetzen folgende Wissenschaft", sagt der Herausgeber, "ist
natürlich weder katholisch, noch protestantisch", und "insofern hat jede wahrhaft
Philosophische Untersuchung, wie wir sie zu bringe" uns bemühen werden, gleiche
Geltung und Wichtigkeit für jeden des Verständnisses derselben fähigen Menschen,
mag er welcher Confession immer angehören ; aber in der Wahl und nähern Aus"
führung der Themata, in Per Berücksichtigung gangbarer Ansichten, früherer Lei¬
stungen und herrschender geistiger Bedürfnisse läßt sich allerdings einigermaßen Rück¬
sicht nehmen auf die dem Glauben nach der katholischen Kirche Angehörigen". Der



") Die von einer der Predigten, welche der oben erwähnte Erzbischof Jnnocent der Garnison
von Scbastopol hielt, geweissagte vierte Erscheinung des patriotischen Heiligen ist bekanntlich
nicht erfolgt.
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hatte*), und welcher noch heute alle Arten von Leibesgebrechen der Gläubigen
heilt." —

„Ich besuchte dann die Malerschule des Klosters, wo zwanzig Künstler und
dreißig Kunstschüler bei der Arbeit waren und nicht nach byzantinischen „Ikons"
oder andern präraphaelischen Gemälden, sondern nach Copien von Raphael selbst,
von Leonardo da Vinci und sogar von Horace Bernet malten. Mit Freude
sah ich. daß Rußland seine Sclaven emancipirt und daß sich selbst im alten
Troiza-Kloster eine raphaelische und eine nachraphaelische Schule bildete, In
einer kleinen Bildergallerie neben dem Atelier befand sich zwischen einem Por¬
trait des Kaisers und eines Metropoliten von Moskau eine recht lebensvolle
Darstellung des Angriffs der polnischen Belagerer auf das Dreieinigkeits¬
kloster." —

„Ich besuchte nun noch die Wälle und die Höhe des goldköpfigen Glocken¬
thurms, der sich hoch ni'er die roth und grünen Dächer des Klosters und die
wie Gold und Silber glänzenden Kuppeln und Kreuze seiner zahlreichen Kirchen
und Kapellen erhebt. Wie sie inmitten der klaren, trockenen Luft über dem un¬
ermeßlichen Schneefeld glänzten, welches die Laura von allen Seiten umgab!
Der blaue Himmel war ohne Wolken, wie im Juli, die Stäbe und Ketten an
den Kreuzen der Kirchen schienen von den Strahlen der Mittagssonne zu glühen.
Dabei war es bitterkalt, und das Wasser der heiligen Quelle verwandelte sich
beinahe aus dem Wege vom Brunnen zu den Lippen in Eis. Man gab mir
zu verstehen, daß der Trunk mich, wenn ich krank gewesen wäre, geheilt haben
würde. Es fehlte mir nichts, aber ich kann bezeugen, daß es mir wenigstens
keinen Schaden that."




Vermischte Literatur.
Athenäum. — Philosophische Zeitschrift herausgegeben von Dr. I. Frohscham-
Mer, o. Prof. d. Philos. an der Universität München. 1. und 2. Heft. München,
18K2. Verlag der I. I. Lcntnerschen Buchhandlung.

Ist vorzugsweise für Katholiken bestimmt. „Die Philosophie als freie selbstän¬
dige, nur ihren eignen Gesetzen folgende Wissenschaft", sagt der Herausgeber, „ist
natürlich weder katholisch, noch protestantisch", und „insofern hat jede wahrhaft
Philosophische Untersuchung, wie wir sie zu bringe» uns bemühen werden, gleiche
Geltung und Wichtigkeit für jeden des Verständnisses derselben fähigen Menschen,
mag er welcher Confession immer angehören ; aber in der Wahl und nähern Aus«
führung der Themata, in Per Berücksichtigung gangbarer Ansichten, früherer Lei¬
stungen und herrschender geistiger Bedürfnisse läßt sich allerdings einigermaßen Rück¬
sicht nehmen auf die dem Glauben nach der katholischen Kirche Angehörigen". Der



") Die von einer der Predigten, welche der oben erwähnte Erzbischof Jnnocent der Garnison
von Scbastopol hielt, geweissagte vierte Erscheinung des patriotischen Heiligen ist bekanntlich
nicht erfolgt.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113779/443>, abgerufen am 05.01.2025.