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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.

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Die PolizeiwiMn in Oestreich.

Die Polizei eines Staates kann in gewissem Grad als Maßstab für die
Beurtheilung der innern Zustände desselben selbst genommen werden. Welcher
Unterschied zwischen einem russischen Polizeisoldaten und dem Stadtgardisten
einer freien Stadt, zwischen dem englischen Policeman und einem neapolitanischen
Sbirren, zwischen dem pariser Sergeant de Ville und einem türkischen Kawaß
oder einem ungarischen Panduren!

Im Allgemeinen aber wird die Polizei eines Landes, je mehr die Verfas¬
sung desselben sich dem Absolutismus nähert, ein militärisches Gepräge tragen,
in constitutionellen. noch mehr aber in republikanischen Staaten eine mehr
bürgerliche Verfassung besitzen.

Diese Erscheinung zeigte sich in Oestreich besonders auffällig; ja, als die
einzelnen Bestandtheile dieses Reiches eine verschiedene Verfassung besaßen,
hatten auch die Polizeiorgane eine verschiedene Verfassung.

Wiewohl Oestreich vor 1848 ein Polizeistaat im eigentlichsten Sinne des
Wortes war, konnten doch seine Pvlizeitruppen weder der Zahl noch der
Qualität nach ansehnlich genannt werden. Die Beamten der Polizeibehörden,
Stadthauptmannschaften und Commissariate und die berüchtigten "Vertrauten"')
waren der eigentliche Körper der Polizei, welche sich weniger auf das ihr zu¬
gewiesene bewaffnete Personal, als auf die eigentliche Militärmacht des Staates
stützte.

Nur in den sogenannten Erbländern und in Galizien existirte ein eigenes
Polizeiwachcorps, welches militärisch organisirt und in mehrfacher Beziehung
dem Hoftricgsrathe untergeordnet war.

Die Bekleidung dieses Corps bestand in einem lichtblauen Fracke und
gleichfarbigen Beinkleidern mit grünen Aufschlägen und messingenen Schuppen-
epaulets und einem Helme, an dessen Stelle später ein Tschako trat; die Be¬
waffnung war ein leichter Jnfanteriesäbel und ein gewöhnliches Bayonnetge-



*) Diesen Namen führten die Agenten und Diener der geheimen Polizei, sowie die nicht
unifvrmirten Wachmänner der Pvlizcicommissarwte,
Grenzboten II. 1862. 41
Die PolizeiwiMn in Oestreich.

Die Polizei eines Staates kann in gewissem Grad als Maßstab für die
Beurtheilung der innern Zustände desselben selbst genommen werden. Welcher
Unterschied zwischen einem russischen Polizeisoldaten und dem Stadtgardisten
einer freien Stadt, zwischen dem englischen Policeman und einem neapolitanischen
Sbirren, zwischen dem pariser Sergeant de Ville und einem türkischen Kawaß
oder einem ungarischen Panduren!

Im Allgemeinen aber wird die Polizei eines Landes, je mehr die Verfas¬
sung desselben sich dem Absolutismus nähert, ein militärisches Gepräge tragen,
in constitutionellen. noch mehr aber in republikanischen Staaten eine mehr
bürgerliche Verfassung besitzen.

Diese Erscheinung zeigte sich in Oestreich besonders auffällig; ja, als die
einzelnen Bestandtheile dieses Reiches eine verschiedene Verfassung besaßen,
hatten auch die Polizeiorgane eine verschiedene Verfassung.

Wiewohl Oestreich vor 1848 ein Polizeistaat im eigentlichsten Sinne des
Wortes war, konnten doch seine Pvlizeitruppen weder der Zahl noch der
Qualität nach ansehnlich genannt werden. Die Beamten der Polizeibehörden,
Stadthauptmannschaften und Commissariate und die berüchtigten „Vertrauten"')
waren der eigentliche Körper der Polizei, welche sich weniger auf das ihr zu¬
gewiesene bewaffnete Personal, als auf die eigentliche Militärmacht des Staates
stützte.

Nur in den sogenannten Erbländern und in Galizien existirte ein eigenes
Polizeiwachcorps, welches militärisch organisirt und in mehrfacher Beziehung
dem Hoftricgsrathe untergeordnet war.

Die Bekleidung dieses Corps bestand in einem lichtblauen Fracke und
gleichfarbigen Beinkleidern mit grünen Aufschlägen und messingenen Schuppen-
epaulets und einem Helme, an dessen Stelle später ein Tschako trat; die Be¬
waffnung war ein leichter Jnfanteriesäbel und ein gewöhnliches Bayonnetge-



*) Diesen Namen führten die Agenten und Diener der geheimen Polizei, sowie die nicht
unifvrmirten Wachmänner der Pvlizcicommissarwte,
Grenzboten II. 1862. 41
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[0329] Die PolizeiwiMn in Oestreich. Die Polizei eines Staates kann in gewissem Grad als Maßstab für die Beurtheilung der innern Zustände desselben selbst genommen werden. Welcher Unterschied zwischen einem russischen Polizeisoldaten und dem Stadtgardisten einer freien Stadt, zwischen dem englischen Policeman und einem neapolitanischen Sbirren, zwischen dem pariser Sergeant de Ville und einem türkischen Kawaß oder einem ungarischen Panduren! Im Allgemeinen aber wird die Polizei eines Landes, je mehr die Verfas¬ sung desselben sich dem Absolutismus nähert, ein militärisches Gepräge tragen, in constitutionellen. noch mehr aber in republikanischen Staaten eine mehr bürgerliche Verfassung besitzen. Diese Erscheinung zeigte sich in Oestreich besonders auffällig; ja, als die einzelnen Bestandtheile dieses Reiches eine verschiedene Verfassung besaßen, hatten auch die Polizeiorgane eine verschiedene Verfassung. Wiewohl Oestreich vor 1848 ein Polizeistaat im eigentlichsten Sinne des Wortes war, konnten doch seine Pvlizeitruppen weder der Zahl noch der Qualität nach ansehnlich genannt werden. Die Beamten der Polizeibehörden, Stadthauptmannschaften und Commissariate und die berüchtigten „Vertrauten"') waren der eigentliche Körper der Polizei, welche sich weniger auf das ihr zu¬ gewiesene bewaffnete Personal, als auf die eigentliche Militärmacht des Staates stützte. Nur in den sogenannten Erbländern und in Galizien existirte ein eigenes Polizeiwachcorps, welches militärisch organisirt und in mehrfacher Beziehung dem Hoftricgsrathe untergeordnet war. Die Bekleidung dieses Corps bestand in einem lichtblauen Fracke und gleichfarbigen Beinkleidern mit grünen Aufschlägen und messingenen Schuppen- epaulets und einem Helme, an dessen Stelle später ein Tschako trat; die Be¬ waffnung war ein leichter Jnfanteriesäbel und ein gewöhnliches Bayonnetge- *) Diesen Namen führten die Agenten und Diener der geheimen Polizei, sowie die nicht unifvrmirten Wachmänner der Pvlizcicommissarwte, Grenzboten II. 1862. 41

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113779/329>, abgerufen am 05.01.2025.