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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.

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Die Slüwyer Fluge noch einmal.

Das Herzogthum Savoyen, 17K >in Meilen und 600,000 Einwohner, ist
in 6 Provinzen eingetheilt, welche in der Richtung von Norden nach Sü¬
den in folgender Reihe liegen: Chablais, mit Thonvn; Faucigny, mit Bonne-
ville und Chamouny; Genevois mit Annecy; Savoie propre, mit Chaud^ry;
Tarentaise, mit Moutiers; Mauricnnc, mit Se. Jean.

Seit 800 Jahren hat dieses Land, in wechselnder geringer oder größerer
Ausdehnung, einer und derselben Dynastie treulich angehangen und mit Hint¬
ansetzung >der eigenen innern Interessen das Blut seiner Söhne für die In¬
teressen seiner Grafen und Herzöge außerhalb Landes vergossen. Das Haus
Savoyen ist der Sage nach deutschen Ursprungs, und es stellt den sächsischen
Nautenlranz zu Häupten seines Wappens; seine frühesten Grasen folgen stets
der Politik der deutschen Kaiser und sind ihre treuen Gefährten in den unab¬
lässigen Kämpfen gegen Italien und Frankreich. -- Der mehr oder weniger
authentische Name des ersten Grafen ist Berold; er war ein irrender Ritter,
der sich in den Markgrafschaften von Susa und Jvrea, im jetzigen Piemont,
festsetzte. Sein Sohn Humbert aux ti^metres mains residirte schon in Aigue-
belle in Savoyen, zog aber Kriegsfahrten und Abenteuer einem ruhigen Leben
vor und gewann so die Provinzen Maurienne und Tarentaise, womit ihn
Kaiser Konrad der Zweite der Salier belehnte, zum Dank für den Beistand in
den Kriegen, die das alte Königreich Burgund zerrissen. Sein Tod im Jahre
1048 ist constatirt. -- Unter seinen Nachfolgern, von denen mehrere durch
geschickt combinirte Heirathen sowohl ihren Besitz erweiterten, als ihr Ansehn
und ihre Macht verstärkten, nennen wir Thomas den Ersten, der Turin und
Chambm'y erwarb und 1233 zu Aosta starb; -- ferner Amadeus den Fünften
oder den Großen, der von 1285--1323 regierte, und den ein sehr bewegtes
Leben fast beständig außerhalb seiner Staaten hielt. Er beendigte seine kriege¬
rische Laufbahn in Rhodus. dem er gegen die Belagerung durch die Türken
zu Hilfe kam. Seitdem ziert das sapphische Wappen die Devise: K.
?0i'tituä0 Ms Knoclum 'kennt. -- Besonders zu erwähnen ist Amadeus der
Sechste, von 1343 -- 1383, einer der größten Fürsten seines Hauses, der in


Grcnzlwten II. 1862. " 31
Die Slüwyer Fluge noch einmal.

Das Herzogthum Savoyen, 17K >in Meilen und 600,000 Einwohner, ist
in 6 Provinzen eingetheilt, welche in der Richtung von Norden nach Sü¬
den in folgender Reihe liegen: Chablais, mit Thonvn; Faucigny, mit Bonne-
ville und Chamouny; Genevois mit Annecy; Savoie propre, mit Chaud^ry;
Tarentaise, mit Moutiers; Mauricnnc, mit Se. Jean.

Seit 800 Jahren hat dieses Land, in wechselnder geringer oder größerer
Ausdehnung, einer und derselben Dynastie treulich angehangen und mit Hint¬
ansetzung >der eigenen innern Interessen das Blut seiner Söhne für die In¬
teressen seiner Grafen und Herzöge außerhalb Landes vergossen. Das Haus
Savoyen ist der Sage nach deutschen Ursprungs, und es stellt den sächsischen
Nautenlranz zu Häupten seines Wappens; seine frühesten Grasen folgen stets
der Politik der deutschen Kaiser und sind ihre treuen Gefährten in den unab¬
lässigen Kämpfen gegen Italien und Frankreich. — Der mehr oder weniger
authentische Name des ersten Grafen ist Berold; er war ein irrender Ritter,
der sich in den Markgrafschaften von Susa und Jvrea, im jetzigen Piemont,
festsetzte. Sein Sohn Humbert aux ti^metres mains residirte schon in Aigue-
belle in Savoyen, zog aber Kriegsfahrten und Abenteuer einem ruhigen Leben
vor und gewann so die Provinzen Maurienne und Tarentaise, womit ihn
Kaiser Konrad der Zweite der Salier belehnte, zum Dank für den Beistand in
den Kriegen, die das alte Königreich Burgund zerrissen. Sein Tod im Jahre
1048 ist constatirt. — Unter seinen Nachfolgern, von denen mehrere durch
geschickt combinirte Heirathen sowohl ihren Besitz erweiterten, als ihr Ansehn
und ihre Macht verstärkten, nennen wir Thomas den Ersten, der Turin und
Chambm'y erwarb und 1233 zu Aosta starb; — ferner Amadeus den Fünften
oder den Großen, der von 1285—1323 regierte, und den ein sehr bewegtes
Leben fast beständig außerhalb seiner Staaten hielt. Er beendigte seine kriege¬
rische Laufbahn in Rhodus. dem er gegen die Belagerung durch die Türken
zu Hilfe kam. Seitdem ziert das sapphische Wappen die Devise: K.
?0i'tituä0 Ms Knoclum 'kennt. — Besonders zu erwähnen ist Amadeus der
Sechste, von 1343 — 1383, einer der größten Fürsten seines Hauses, der in


Grcnzlwten II. 1862. " 31
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[0249] Die Slüwyer Fluge noch einmal. Das Herzogthum Savoyen, 17K >in Meilen und 600,000 Einwohner, ist in 6 Provinzen eingetheilt, welche in der Richtung von Norden nach Sü¬ den in folgender Reihe liegen: Chablais, mit Thonvn; Faucigny, mit Bonne- ville und Chamouny; Genevois mit Annecy; Savoie propre, mit Chaud^ry; Tarentaise, mit Moutiers; Mauricnnc, mit Se. Jean. Seit 800 Jahren hat dieses Land, in wechselnder geringer oder größerer Ausdehnung, einer und derselben Dynastie treulich angehangen und mit Hint¬ ansetzung >der eigenen innern Interessen das Blut seiner Söhne für die In¬ teressen seiner Grafen und Herzöge außerhalb Landes vergossen. Das Haus Savoyen ist der Sage nach deutschen Ursprungs, und es stellt den sächsischen Nautenlranz zu Häupten seines Wappens; seine frühesten Grasen folgen stets der Politik der deutschen Kaiser und sind ihre treuen Gefährten in den unab¬ lässigen Kämpfen gegen Italien und Frankreich. — Der mehr oder weniger authentische Name des ersten Grafen ist Berold; er war ein irrender Ritter, der sich in den Markgrafschaften von Susa und Jvrea, im jetzigen Piemont, festsetzte. Sein Sohn Humbert aux ti^metres mains residirte schon in Aigue- belle in Savoyen, zog aber Kriegsfahrten und Abenteuer einem ruhigen Leben vor und gewann so die Provinzen Maurienne und Tarentaise, womit ihn Kaiser Konrad der Zweite der Salier belehnte, zum Dank für den Beistand in den Kriegen, die das alte Königreich Burgund zerrissen. Sein Tod im Jahre 1048 ist constatirt. — Unter seinen Nachfolgern, von denen mehrere durch geschickt combinirte Heirathen sowohl ihren Besitz erweiterten, als ihr Ansehn und ihre Macht verstärkten, nennen wir Thomas den Ersten, der Turin und Chambm'y erwarb und 1233 zu Aosta starb; — ferner Amadeus den Fünften oder den Großen, der von 1285—1323 regierte, und den ein sehr bewegtes Leben fast beständig außerhalb seiner Staaten hielt. Er beendigte seine kriege¬ rische Laufbahn in Rhodus. dem er gegen die Belagerung durch die Türken zu Hilfe kam. Seitdem ziert das sapphische Wappen die Devise: K. ?0i'tituä0 Ms Knoclum 'kennt. — Besonders zu erwähnen ist Amadeus der Sechste, von 1343 — 1383, einer der größten Fürsten seines Hauses, der in Grcnzlwten II. 1862. " 31

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113779/249>, abgerufen am 05.01.2025.