Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.Die neueste deutsche Kunst. ^ , Z. ^ ^ > - Die historische Kunst und ihre neuesten Versuche. Die großen Hoffnungen, die man im ersten Drittel des Jahrhunderts für Um so schwieriger scheint nun, nachdem die erste stürmische Zeit der Pro- Grenzboten II. 1L62. 21
Die neueste deutsche Kunst. ^ , Z. ^ ^ > - Die historische Kunst und ihre neuesten Versuche. Die großen Hoffnungen, die man im ersten Drittel des Jahrhunderts für Um so schwieriger scheint nun, nachdem die erste stürmische Zeit der Pro- Grenzboten II. 1L62. 21
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Die neueste deutsche Kunst.
^ , Z. ^ ^ > -
Die historische Kunst und ihre neuesten Versuche.
Die großen Hoffnungen, die man im ersten Drittel des Jahrhunderts für
die Entwickelung der deutschen Malerei hegte, scheinen, wie wir gesehen, nicht
oder nur zum geringen Theil in Erfüllung zu gehen. Es war kein Zufall,
es lag vielmehr in der eigenthümlichen Verfassung des modernen deutschen
Geistes, daß sich die Kunst wenig bemühte, eine gründliche Schule durchzu¬
machen und im allmäligen Aufsteigen eine sichere Herrschaft über die Mittel der
Darstellung zu erlangen. Sie hatte sich entschieden nach Gehalt und Form
von der jüngsten Vergangenheit abgewendet, und dieser gewaltsame Bruch hin¬
derte sie an einer tieferen Einkehr in die Periode der vollendeten frühern Kunst;
zudem bewegt von der Anschauungsweise und den Ideen einer neuern Zeit
mochte sie nicht erst, um ihnen Ausdruck zu geben, ihren Bildungsgang durch
eine vergangene Kunstweise nehmen. Sie war wie der ungeduldige Jüngling,
dem in der Sturm- und Drangperiode die inneren Lebensnachen keine Ruhe
lassen und der diesen, noch ehe seine Kraft sich geläutert, seine Phantasie sich
abgeklärt hat, mit einem kühnen Wurfe gleich den mächtigsten Ausdruck zu ge¬
ben sucht. Auch unsere größten Kunstwerke haben etwas von der Unreife des
sich überstürzenden jugendlichen Uebermuthes, und bisweilen ist es, wie wenn
ein erhabener Geist in unbeholfenen Formen sich eckig, mühsam, halb verlegen
und doch mit der Unbescheidenheit des unfertigen Genies bewegte.
Um so schwieriger scheint nun, nachdem die erste stürmische Zeit der Pro-
duction vorüber ist, die Rückkehr zur stillen Arbeit, die mit der mustergültigen
alten Kunst sich vertraut macht und sich von ihr die künstlerische Darstellung
des Lebens in Form und Farbe zum freien Mittel für ihre eigene Anschauung
erwirbt. Denn allerdings kann nur in dieser Weise die Vergangenheit zum
wirklichen Bildungselement für die Gegenwart werden. Es ist nicht mit einem
Borgen, Sichanlehnen, oberflächlichem Aufnehmen gethan; es handelt sich viel¬
mehr um ein gründliches Aneignen und Verarbeiten nicht der Ideen, sondern
Grenzboten II. 1L62. 21
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