Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.Berliner Brief. Die seit langer Zeit drohende Ministerkrisis ist plötzlich bei einer Frage, Was bedeutet denn aber der Hagen'sche Antrag, welcher so plötzlich unser Der Staatshaushnlts-Etat. welcher den Kammern vorgelegt wird, besteht Berliner Brief. Die seit langer Zeit drohende Ministerkrisis ist plötzlich bei einer Frage, Was bedeutet denn aber der Hagen'sche Antrag, welcher so plötzlich unser Der Staatshaushnlts-Etat. welcher den Kammern vorgelegt wird, besteht <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0480" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/113722"/> </div> <div n="1"> <head> Berliner Brief.</head><lb/> <p xml:id="ID_1522"> Die seit langer Zeit drohende Ministerkrisis ist plötzlich bei einer Frage,<lb/> bei welcher man es nicht erwartet hatte, zum Ausdruck) gekommen. Man darf<lb/> sich nicht darüber täuschen: auch ohne den Hagen'schen Antrag würden wir<lb/> in einigen Wochen entweder einen Ministerwechsel oder eine Kammcrauflösung<lb/> gehabt haben. Der Hagen'sche Antrag war nur der letzte leichte Windstoß,<lb/> der die welke Blüthe abschüttelte. Der innere Zwiespalt des Ministeriums,<lb/> der unvermittelte Gegensatz zwischen Herrenhaus und Abgeordnetenhaus,<lb/> wodurch unsere ganze Gesetzgebung lahm gelegt wurde, die voraussichtliche<lb/> Nesultatlosigkeit der ganzen Session, der Mangel an jeder Aussicht, daß das<lb/> Ministerium durch einen energischen Entschluß uns aus dieser Versumpfung<lb/> herausreißen werde, der in Folge davon wachsende Widerwille des Abge¬<lb/> ordnetenhauses gegen die Annahme des Militärbudgets, aus weicher doch<lb/> das Ministerium eine Cabinetsfrage gemacht hatte — das sind die Gründe,<lb/> welche eine Krisis in nächster Zukunft unvermeidlich erscheinen ließen. Des¬<lb/> halb ist Niemand durch die jetzige Katastrophe überrascht, obwohl man sie nicht in<lb/> Folge einer solchen Veranlassung erwartet hatte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1523"> Was bedeutet denn aber der Hagen'sche Antrag, welcher so plötzlich unser<lb/> Ministerium gestürzt hat? Es handelt sich dabei um eine Streitfrage, welche<lb/> so alt ist, wie unsere Verfassung, nämlich um den Begriff einer Etatsüber-<lb/> schreiiung. Nach Artikel 104 unserer Verfassung ist zu Etatsüberschrei¬<lb/> tungen die nachträgliche Genehmigung der Kammern erforderlich. Aber<lb/> wann ist eine Ausgabe als eine Etatsüberschreituug anzusehen? Der Streit,<lb/> der über diese Frage schon seit lange geführt wird und wiederholt in den<lb/> Kammern zur Sprache gekommen ist, dreht sich um folgenden Punkt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1524" next="#ID_1525"> Der Staatshaushnlts-Etat. welcher den Kammern vorgelegt wird, besteht<lb/> aus einem Hauptctcit und aus einer Reihe von einzelnen Vcrwaltungs-Etats,<lb/> welche die Grundlage des Hauptetats bilden. Der Hauptctat ist im Grunde<lb/> nichts Anderes, als ein Extract aus den einzelnen Verwaltungsetats. Die<lb/> letzteren werden den Kammern regelmäßig zugleich mit dem Hauptsinanzetat<lb/> übergeben. Sie werden von ihnen im Einzelnen berathen, und die ziemlich<lb/> detaillirten Positionen werden einzeln zur Abstimmung gebracht. Die aus<lb/> diesen einzelnen Abstimmungen sich ergebenden Summen werden zu größeren,<lb/> oft sehr bedeutenden Summen zusammenaddirt, und so nach Haupttiteln<lb/> und Kapiteln in den durch die Gesetzsammlung, publicirten Hnuptetat auf-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0480]
Berliner Brief.
Die seit langer Zeit drohende Ministerkrisis ist plötzlich bei einer Frage,
bei welcher man es nicht erwartet hatte, zum Ausdruck) gekommen. Man darf
sich nicht darüber täuschen: auch ohne den Hagen'schen Antrag würden wir
in einigen Wochen entweder einen Ministerwechsel oder eine Kammcrauflösung
gehabt haben. Der Hagen'sche Antrag war nur der letzte leichte Windstoß,
der die welke Blüthe abschüttelte. Der innere Zwiespalt des Ministeriums,
der unvermittelte Gegensatz zwischen Herrenhaus und Abgeordnetenhaus,
wodurch unsere ganze Gesetzgebung lahm gelegt wurde, die voraussichtliche
Nesultatlosigkeit der ganzen Session, der Mangel an jeder Aussicht, daß das
Ministerium durch einen energischen Entschluß uns aus dieser Versumpfung
herausreißen werde, der in Folge davon wachsende Widerwille des Abge¬
ordnetenhauses gegen die Annahme des Militärbudgets, aus weicher doch
das Ministerium eine Cabinetsfrage gemacht hatte — das sind die Gründe,
welche eine Krisis in nächster Zukunft unvermeidlich erscheinen ließen. Des¬
halb ist Niemand durch die jetzige Katastrophe überrascht, obwohl man sie nicht in
Folge einer solchen Veranlassung erwartet hatte.
Was bedeutet denn aber der Hagen'sche Antrag, welcher so plötzlich unser
Ministerium gestürzt hat? Es handelt sich dabei um eine Streitfrage, welche
so alt ist, wie unsere Verfassung, nämlich um den Begriff einer Etatsüber-
schreiiung. Nach Artikel 104 unserer Verfassung ist zu Etatsüberschrei¬
tungen die nachträgliche Genehmigung der Kammern erforderlich. Aber
wann ist eine Ausgabe als eine Etatsüberschreituug anzusehen? Der Streit,
der über diese Frage schon seit lange geführt wird und wiederholt in den
Kammern zur Sprache gekommen ist, dreht sich um folgenden Punkt.
Der Staatshaushnlts-Etat. welcher den Kammern vorgelegt wird, besteht
aus einem Hauptctcit und aus einer Reihe von einzelnen Vcrwaltungs-Etats,
welche die Grundlage des Hauptetats bilden. Der Hauptctat ist im Grunde
nichts Anderes, als ein Extract aus den einzelnen Verwaltungsetats. Die
letzteren werden den Kammern regelmäßig zugleich mit dem Hauptsinanzetat
übergeben. Sie werden von ihnen im Einzelnen berathen, und die ziemlich
detaillirten Positionen werden einzeln zur Abstimmung gebracht. Die aus
diesen einzelnen Abstimmungen sich ergebenden Summen werden zu größeren,
oft sehr bedeutenden Summen zusammenaddirt, und so nach Haupttiteln
und Kapiteln in den durch die Gesetzsammlung, publicirten Hnuptetat auf-
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