Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.Historische Literatur. Die deutsche Nation und das Kaiserreich von Heinrich von Sybel. Als Sybel vor einigen Jahren von Marburg nach München übersiedelte, war Eben erst an die Universität Bonn berufen, ist er zum Deputaten für Historische Literatur. Die deutsche Nation und das Kaiserreich von Heinrich von Sybel. Als Sybel vor einigen Jahren von Marburg nach München übersiedelte, war Eben erst an die Universität Bonn berufen, ist er zum Deputaten für <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0237" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/113479"/> </div> <div n="1"> <head> Historische Literatur.</head><lb/> <p xml:id="ID_701"> Die deutsche Nation und das Kaiserreich von Heinrich von Sybel.<lb/> Eine historisch-politische Abhandlung, Düsseldorf, Buddeus, 1862.</p><lb/> <p xml:id="ID_702"> Als Sybel vor einigen Jahren von Marburg nach München übersiedelte, war<lb/> er dem größeren Publicum nur durch die ersten Bände seiner „Geschichte der<lb/> Revolutionszeit" bekannt, und auch dieses bedeutende Werk hat Verhältniß-<lb/> mäßig langsam Verbreitung und gebührende Anerkennung gefunden. Aber<lb/> schon damals war das einstimmige Urtheil seiner Freunde und Verehrer, daß<lb/> er aus der Schule Rankes der hoffnungsvollste Gelehrte sei, der mit der vor¬<lb/> trefflichen Methode des Lehrers und mit nicht geringerem Darstcllnngstalcnt<lb/> den Vorzug eines männlichen Charakters verbinde, und der ebenso sehr liebe, seine<lb/> sittlichen und politischen Ueberzeugungen, die legten Grundlagen seines histo¬<lb/> rischen Urtheils, hervorzuheben, als sein Lehrer und Freund dieselben zu ver¬<lb/> hüllen gewöhnt war. Sybels Aufenthalt in München durfte die Besorgniß<lb/> einflößen, daß er durch eine großartige Redactionsthätigkeit und die Heraus¬<lb/> gabe der zahlreichen projectirten Quellcnwerke verhindert werden könne, in der<lb/> wissenschaftlichen Thätigkeit, für welche gerade er vorzugsweise günstig organi-<lb/> sirt ist, in langathmiger und ausgeführter Gesckichtscrzählung auf seine Na¬<lb/> tion zu wirken. Aber sein Aufenthalt im Süden hat, so scheint es. ihm selbst<lb/> die Freude an edler populärer Geschichtsschreibung nur stärker ausgebildet.<lb/> In der Berührung und Reibung mit einer sehr entgegengesetzten Auffassung des<lb/> Lebens und irdischer Pflichten hat sich ihm das Bedürfniß weite Kreise zu<lb/> belehren gesteigert. Aus dem ruhigen Gelehrten wurde gerade dort ein warmer<lb/> Vorkämpfer für die Auffassung des historischen Stoffs, welche wir die protestan¬<lb/> tische zu nennen gewöhnt sind. In diesem Sinn wurde der dritte Band seiner<lb/> Revolutionsgeschichte vollendet, eine Fortsetzung des schönen Werkes in Aussicht<lb/> gestellt; durch kleinere Vortrüge und Abhandlungen gewann er grade dort<lb/> Bedeutung für die Parteikämpfe der Gegenwart. Mit froher Hoffnung und<lb/> Vertrauen blickt das deutsche Volk jetzt auf ihn als einen der geistigen Führer<lb/> der nationalen Partei.</p><lb/> <p xml:id="ID_703" next="#ID_704"> Eben erst an die Universität Bonn berufen, ist er zum Deputaten für<lb/> das preußische Abgeordnetenhaus gewählt worden. Es war ein gutes Zeichen<lb/> der Anerkennung, welches sein Volk ihm in diesem Ruf ertheilte; und unserm<lb/> Blatt würde es am wenigsten anstehen, dem Historiker von der Betheiligung<lb/> an der politischem Arbeit seines Volkes abzurathen. Aber wir vermögen<lb/> andrerseits den Wunsch nicht zu unterdrücken, daß es ihm gelingen möge, sein?</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0237]
Historische Literatur.
Die deutsche Nation und das Kaiserreich von Heinrich von Sybel.
Eine historisch-politische Abhandlung, Düsseldorf, Buddeus, 1862.
Als Sybel vor einigen Jahren von Marburg nach München übersiedelte, war
er dem größeren Publicum nur durch die ersten Bände seiner „Geschichte der
Revolutionszeit" bekannt, und auch dieses bedeutende Werk hat Verhältniß-
mäßig langsam Verbreitung und gebührende Anerkennung gefunden. Aber
schon damals war das einstimmige Urtheil seiner Freunde und Verehrer, daß
er aus der Schule Rankes der hoffnungsvollste Gelehrte sei, der mit der vor¬
trefflichen Methode des Lehrers und mit nicht geringerem Darstcllnngstalcnt
den Vorzug eines männlichen Charakters verbinde, und der ebenso sehr liebe, seine
sittlichen und politischen Ueberzeugungen, die legten Grundlagen seines histo¬
rischen Urtheils, hervorzuheben, als sein Lehrer und Freund dieselben zu ver¬
hüllen gewöhnt war. Sybels Aufenthalt in München durfte die Besorgniß
einflößen, daß er durch eine großartige Redactionsthätigkeit und die Heraus¬
gabe der zahlreichen projectirten Quellcnwerke verhindert werden könne, in der
wissenschaftlichen Thätigkeit, für welche gerade er vorzugsweise günstig organi-
sirt ist, in langathmiger und ausgeführter Gesckichtscrzählung auf seine Na¬
tion zu wirken. Aber sein Aufenthalt im Süden hat, so scheint es. ihm selbst
die Freude an edler populärer Geschichtsschreibung nur stärker ausgebildet.
In der Berührung und Reibung mit einer sehr entgegengesetzten Auffassung des
Lebens und irdischer Pflichten hat sich ihm das Bedürfniß weite Kreise zu
belehren gesteigert. Aus dem ruhigen Gelehrten wurde gerade dort ein warmer
Vorkämpfer für die Auffassung des historischen Stoffs, welche wir die protestan¬
tische zu nennen gewöhnt sind. In diesem Sinn wurde der dritte Band seiner
Revolutionsgeschichte vollendet, eine Fortsetzung des schönen Werkes in Aussicht
gestellt; durch kleinere Vortrüge und Abhandlungen gewann er grade dort
Bedeutung für die Parteikämpfe der Gegenwart. Mit froher Hoffnung und
Vertrauen blickt das deutsche Volk jetzt auf ihn als einen der geistigen Führer
der nationalen Partei.
Eben erst an die Universität Bonn berufen, ist er zum Deputaten für
das preußische Abgeordnetenhaus gewählt worden. Es war ein gutes Zeichen
der Anerkennung, welches sein Volk ihm in diesem Ruf ertheilte; und unserm
Blatt würde es am wenigsten anstehen, dem Historiker von der Betheiligung
an der politischem Arbeit seines Volkes abzurathen. Aber wir vermögen
andrerseits den Wunsch nicht zu unterdrücken, daß es ihm gelingen möge, sein?
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