Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

dire worden ist, welche doch sonst davon keine Liebhaber sind. Man kann
wirklich nur annehmen, daß es ein augenblicklicher Mißgriff war, den man bei
nochmaliger Ueberlegung sofort erkennen muß. Der Beschluß ist weder dem
Anwaltsstand nützlich, noch im Interesse des Publicums nothwendig. Ganz
gewiß wird jede Partei von vornherein am besten wissen, oder im Laufe
des Processes gewahr werden, ob sie eines Rechtsbeistandes bedarf. Nöthigen-
falls kann das Gericht selbst darauf aufmerksam machen, und so erreicht sich
Alles, was erforderlich ist, unschwer ohne Zwangsgebot.

Wenn sich hiernach mancherlei Mangelhaftes ergibt und Niemand in
selbstgefälligen Behagen annehmen wird, daß schon Großes und Unübertreff¬
liches geleistet worden sei, so erregt doch der zweite Juristentag begründete
Hoffnungen. Einiges ist unstreitig bereits geleistet worden, und zum Mindesten
hat man die rechte Stimmung und gutes Zutrauen gewonnen, daß die Erfolge
sich mehren werden. Allerdings ist die Arbeit, welche vor dem Juristentag
liegt, eine ungeheuere, ja fast eine unendliche. Allein der Gedanke an die
Schwierigkeiten darf nicht abschrecken, nachdem man angefangen hat, die Kräfte
zu erproben, und die Erkenntniß der Nothwendigkeit feuert an, alle Kräfte
aufzubieten.

Die Thatsache, daß auch die Juristen den Drang fühlen, an den ratio.
malen Bestrebungen Theil zu nehmen, ist schon an sich erfreulich. Das Recht
ist seit langer Zeit dein deutschen Volk entfremdet. Es fühlt einmal die Zer¬
splitterung des Rechtszustandes, welche oft zur Rechtslosigkeit oder doch Rechis-
beschränkung führt". Es fühlt aber auch, daß die seitherige Behandlung des
Rechts, ganz abgesehen von den particularistischen Uebelständen, nicht die rich¬
tige war. Das Volksbewußtsein kennt das Recht nicht, welches die Juristen
seither hatten, oder es kennt es sogar als Unrecht. In beiden Richtungen
hat die vereinigte Arbeit der deutschen Juristen zu wirken, daß es besser werde.
--u. Möge es reichlich gelingen. -




Guizot's Memoiren.

6ni2ot, Uömoirss xour Lörvir Ä, I'biswiiv älz mon temxs. ?0MK III. ?g.ris 1360.

Es ist eine oft ausgesprochene Thatsache, daß die Franzosen sich leichter
und Würmer für die Gleichheit, als für die Freiheit begeistern. Die Ursachen


dire worden ist, welche doch sonst davon keine Liebhaber sind. Man kann
wirklich nur annehmen, daß es ein augenblicklicher Mißgriff war, den man bei
nochmaliger Ueberlegung sofort erkennen muß. Der Beschluß ist weder dem
Anwaltsstand nützlich, noch im Interesse des Publicums nothwendig. Ganz
gewiß wird jede Partei von vornherein am besten wissen, oder im Laufe
des Processes gewahr werden, ob sie eines Rechtsbeistandes bedarf. Nöthigen-
falls kann das Gericht selbst darauf aufmerksam machen, und so erreicht sich
Alles, was erforderlich ist, unschwer ohne Zwangsgebot.

Wenn sich hiernach mancherlei Mangelhaftes ergibt und Niemand in
selbstgefälligen Behagen annehmen wird, daß schon Großes und Unübertreff¬
liches geleistet worden sei, so erregt doch der zweite Juristentag begründete
Hoffnungen. Einiges ist unstreitig bereits geleistet worden, und zum Mindesten
hat man die rechte Stimmung und gutes Zutrauen gewonnen, daß die Erfolge
sich mehren werden. Allerdings ist die Arbeit, welche vor dem Juristentag
liegt, eine ungeheuere, ja fast eine unendliche. Allein der Gedanke an die
Schwierigkeiten darf nicht abschrecken, nachdem man angefangen hat, die Kräfte
zu erproben, und die Erkenntniß der Nothwendigkeit feuert an, alle Kräfte
aufzubieten.

Die Thatsache, daß auch die Juristen den Drang fühlen, an den ratio.
malen Bestrebungen Theil zu nehmen, ist schon an sich erfreulich. Das Recht
ist seit langer Zeit dein deutschen Volk entfremdet. Es fühlt einmal die Zer¬
splitterung des Rechtszustandes, welche oft zur Rechtslosigkeit oder doch Rechis-
beschränkung führt". Es fühlt aber auch, daß die seitherige Behandlung des
Rechts, ganz abgesehen von den particularistischen Uebelständen, nicht die rich¬
tige war. Das Volksbewußtsein kennt das Recht nicht, welches die Juristen
seither hatten, oder es kennt es sogar als Unrecht. In beiden Richtungen
hat die vereinigte Arbeit der deutschen Juristen zu wirken, daß es besser werde.
—u. Möge es reichlich gelingen. -




Guizot's Memoiren.

6ni2ot, Uömoirss xour Lörvir Ä, I'biswiiv älz mon temxs. ?0MK III. ?g.ris 1360.

Es ist eine oft ausgesprochene Thatsache, daß die Franzosen sich leichter
und Würmer für die Gleichheit, als für die Freiheit begeistern. Die Ursachen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0313" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/112821"/>
            <p xml:id="ID_930" prev="#ID_929"> dire worden ist, welche doch sonst davon keine Liebhaber sind. Man kann<lb/>
wirklich nur annehmen, daß es ein augenblicklicher Mißgriff war, den man bei<lb/>
nochmaliger Ueberlegung sofort erkennen muß. Der Beschluß ist weder dem<lb/>
Anwaltsstand nützlich, noch im Interesse des Publicums nothwendig. Ganz<lb/>
gewiß wird jede Partei von vornherein am besten wissen, oder im Laufe<lb/>
des Processes gewahr werden, ob sie eines Rechtsbeistandes bedarf. Nöthigen-<lb/>
falls kann das Gericht selbst darauf aufmerksam machen, und so erreicht sich<lb/>
Alles, was erforderlich ist, unschwer ohne Zwangsgebot.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_931"> Wenn sich hiernach mancherlei Mangelhaftes ergibt und Niemand in<lb/>
selbstgefälligen Behagen annehmen wird, daß schon Großes und Unübertreff¬<lb/>
liches geleistet worden sei, so erregt doch der zweite Juristentag begründete<lb/>
Hoffnungen. Einiges ist unstreitig bereits geleistet worden, und zum Mindesten<lb/>
hat man die rechte Stimmung und gutes Zutrauen gewonnen, daß die Erfolge<lb/>
sich mehren werden. Allerdings ist die Arbeit, welche vor dem Juristentag<lb/>
liegt, eine ungeheuere, ja fast eine unendliche. Allein der Gedanke an die<lb/>
Schwierigkeiten darf nicht abschrecken, nachdem man angefangen hat, die Kräfte<lb/>
zu erproben, und die Erkenntniß der Nothwendigkeit feuert an, alle Kräfte<lb/>
aufzubieten.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_932"> Die Thatsache, daß auch die Juristen den Drang fühlen, an den ratio.<lb/>
malen Bestrebungen Theil zu nehmen, ist schon an sich erfreulich. Das Recht<lb/>
ist seit langer Zeit dein deutschen Volk entfremdet. Es fühlt einmal die Zer¬<lb/>
splitterung des Rechtszustandes, welche oft zur Rechtslosigkeit oder doch Rechis-<lb/>
beschränkung führt". Es fühlt aber auch, daß die seitherige Behandlung des<lb/>
Rechts, ganz abgesehen von den particularistischen Uebelständen, nicht die rich¬<lb/>
tige war. Das Volksbewußtsein kennt das Recht nicht, welches die Juristen<lb/>
seither hatten, oder es kennt es sogar als Unrecht. In beiden Richtungen<lb/>
hat die vereinigte Arbeit der deutschen Juristen zu wirken, daß es besser werde.<lb/><note type="byline"> &#x2014;u.</note> Möge es reichlich gelingen. - </p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Guizot's Memoiren.</head><lb/>
          <note type="argument"> 6ni2ot, Uömoirss xour Lörvir Ä, I'biswiiv älz mon temxs. ?0MK III. ?g.ris 1360.</note><lb/>
          <div n="2">
            <head/><lb/>
            <p xml:id="ID_933" next="#ID_934"> Es ist eine oft ausgesprochene Thatsache, daß die Franzosen sich leichter<lb/>
und Würmer für die Gleichheit, als für die Freiheit begeistern. Die Ursachen</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0313] dire worden ist, welche doch sonst davon keine Liebhaber sind. Man kann wirklich nur annehmen, daß es ein augenblicklicher Mißgriff war, den man bei nochmaliger Ueberlegung sofort erkennen muß. Der Beschluß ist weder dem Anwaltsstand nützlich, noch im Interesse des Publicums nothwendig. Ganz gewiß wird jede Partei von vornherein am besten wissen, oder im Laufe des Processes gewahr werden, ob sie eines Rechtsbeistandes bedarf. Nöthigen- falls kann das Gericht selbst darauf aufmerksam machen, und so erreicht sich Alles, was erforderlich ist, unschwer ohne Zwangsgebot. Wenn sich hiernach mancherlei Mangelhaftes ergibt und Niemand in selbstgefälligen Behagen annehmen wird, daß schon Großes und Unübertreff¬ liches geleistet worden sei, so erregt doch der zweite Juristentag begründete Hoffnungen. Einiges ist unstreitig bereits geleistet worden, und zum Mindesten hat man die rechte Stimmung und gutes Zutrauen gewonnen, daß die Erfolge sich mehren werden. Allerdings ist die Arbeit, welche vor dem Juristentag liegt, eine ungeheuere, ja fast eine unendliche. Allein der Gedanke an die Schwierigkeiten darf nicht abschrecken, nachdem man angefangen hat, die Kräfte zu erproben, und die Erkenntniß der Nothwendigkeit feuert an, alle Kräfte aufzubieten. Die Thatsache, daß auch die Juristen den Drang fühlen, an den ratio. malen Bestrebungen Theil zu nehmen, ist schon an sich erfreulich. Das Recht ist seit langer Zeit dein deutschen Volk entfremdet. Es fühlt einmal die Zer¬ splitterung des Rechtszustandes, welche oft zur Rechtslosigkeit oder doch Rechis- beschränkung führt". Es fühlt aber auch, daß die seitherige Behandlung des Rechts, ganz abgesehen von den particularistischen Uebelständen, nicht die rich¬ tige war. Das Volksbewußtsein kennt das Recht nicht, welches die Juristen seither hatten, oder es kennt es sogar als Unrecht. In beiden Richtungen hat die vereinigte Arbeit der deutschen Juristen zu wirken, daß es besser werde. —u. Möge es reichlich gelingen. - Guizot's Memoiren. 6ni2ot, Uömoirss xour Lörvir Ä, I'biswiiv älz mon temxs. ?0MK III. ?g.ris 1360. Es ist eine oft ausgesprochene Thatsache, daß die Franzosen sich leichter und Würmer für die Gleichheit, als für die Freiheit begeistern. Die Ursachen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/313
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/313>, abgerufen am 27.12.2024.