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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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activer Politiker Hingebung genug hat, um regelmäßig zu erscheinen und den
loseren Massen ein entscheidendes Gegengewicht zu halten, und zweitens, daß
in den hervorragenden Persönlichkeiten des Ausschusses Führer gefunden sind,
die Vertrauen verdienen und Vertrauen haben, denen es an Besonnenheit und
Einsicht so wenig fehlt als an Thatkraft. Inmitten der deutschen Zersplitte¬
rung ist dies für jeden künftigen Fall der Noth oder Gefahr etwas Großes.
Daß ein solcher Kern so bald nach zehnjährigen Druck und Elend gebildet wer¬
den konnte, ist eine erhebende Spur unaufhaltsam reifender nationalpolitischcr
Kräfte. Und, wie es sein soll, fehlt es auch diesem Kern nicht an einem Kern.
Der Nationalvereinspräsident v. Bennigsen -- das mag wol einmal constatirt
werden -- geht aus jeder Versammlung des Vereins wie bloß des geschäftsfüh¬
renden Ausschusses befestigter in Ansehen und Einfluß, fähiger sowol als wirk¬
samer, größer hervor. Er hat im Verein keinen Nebenbuhler; möge der
Himmel fügen, daß er auch keinen Nachfolger braucht.




Die Cagots in Frankreich.

(Schluß des Artikels in voriger Nummer).

Im Jahre 1695 befahl die spanische Regierung den Gemeindebehörden,
binnen zwei Monaten sämmtliche Cagots aus dem Lande zu jagen. Für jeden
noch zurückgebliebenen Cagot hatten sie 50 Dukaten Strafe zu erlegen. In
Folge dieses Befehls fielen die Spanier über die Cagots her und trieben sie
sämmtlich über die Grenze. Da aber die Franzosen, gegen einen solchen
Einfall auf ihrer Hut. dem gehetzten Volke den Uebertritt auf französisches
Gebiet wehrten, so mußten ganze Haufen derselben in den ungastlichen
Schluchten der Pyrenäen eine Zuflucht suchen, woselbst dann natürlich der
Srößte Theil entweder dem Hunger und der Kälte, oder den wilden Thieren
erlag. Bei dieser Austreibung nöthigte man sie. Hände und Füße zu bedecken,
weil man der Ueberzeugung war, daß das Gras und der Boden, den sie be¬
traten, sowie die Gegenstände, die sie berührt, vergiftet werden würden. Doch
scheinen noch immer manche Cagotfamilien in Spanien zurückgeblieben, oder
dahin zurückgekehrt zu sein, denn auch nach dieser Zeit ist noch von Cagots
W Spanien die Rede.


activer Politiker Hingebung genug hat, um regelmäßig zu erscheinen und den
loseren Massen ein entscheidendes Gegengewicht zu halten, und zweitens, daß
in den hervorragenden Persönlichkeiten des Ausschusses Führer gefunden sind,
die Vertrauen verdienen und Vertrauen haben, denen es an Besonnenheit und
Einsicht so wenig fehlt als an Thatkraft. Inmitten der deutschen Zersplitte¬
rung ist dies für jeden künftigen Fall der Noth oder Gefahr etwas Großes.
Daß ein solcher Kern so bald nach zehnjährigen Druck und Elend gebildet wer¬
den konnte, ist eine erhebende Spur unaufhaltsam reifender nationalpolitischcr
Kräfte. Und, wie es sein soll, fehlt es auch diesem Kern nicht an einem Kern.
Der Nationalvereinspräsident v. Bennigsen — das mag wol einmal constatirt
werden — geht aus jeder Versammlung des Vereins wie bloß des geschäftsfüh¬
renden Ausschusses befestigter in Ansehen und Einfluß, fähiger sowol als wirk¬
samer, größer hervor. Er hat im Verein keinen Nebenbuhler; möge der
Himmel fügen, daß er auch keinen Nachfolger braucht.




Die Cagots in Frankreich.

(Schluß des Artikels in voriger Nummer).

Im Jahre 1695 befahl die spanische Regierung den Gemeindebehörden,
binnen zwei Monaten sämmtliche Cagots aus dem Lande zu jagen. Für jeden
noch zurückgebliebenen Cagot hatten sie 50 Dukaten Strafe zu erlegen. In
Folge dieses Befehls fielen die Spanier über die Cagots her und trieben sie
sämmtlich über die Grenze. Da aber die Franzosen, gegen einen solchen
Einfall auf ihrer Hut. dem gehetzten Volke den Uebertritt auf französisches
Gebiet wehrten, so mußten ganze Haufen derselben in den ungastlichen
Schluchten der Pyrenäen eine Zuflucht suchen, woselbst dann natürlich der
Srößte Theil entweder dem Hunger und der Kälte, oder den wilden Thieren
erlag. Bei dieser Austreibung nöthigte man sie. Hände und Füße zu bedecken,
weil man der Ueberzeugung war, daß das Gras und der Boden, den sie be¬
traten, sowie die Gegenstände, die sie berührt, vergiftet werden würden. Doch
scheinen noch immer manche Cagotfamilien in Spanien zurückgeblieben, oder
dahin zurückgekehrt zu sein, denn auch nach dieser Zeit ist noch von Cagots
W Spanien die Rede.


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[0433] activer Politiker Hingebung genug hat, um regelmäßig zu erscheinen und den loseren Massen ein entscheidendes Gegengewicht zu halten, und zweitens, daß in den hervorragenden Persönlichkeiten des Ausschusses Führer gefunden sind, die Vertrauen verdienen und Vertrauen haben, denen es an Besonnenheit und Einsicht so wenig fehlt als an Thatkraft. Inmitten der deutschen Zersplitte¬ rung ist dies für jeden künftigen Fall der Noth oder Gefahr etwas Großes. Daß ein solcher Kern so bald nach zehnjährigen Druck und Elend gebildet wer¬ den konnte, ist eine erhebende Spur unaufhaltsam reifender nationalpolitischcr Kräfte. Und, wie es sein soll, fehlt es auch diesem Kern nicht an einem Kern. Der Nationalvereinspräsident v. Bennigsen — das mag wol einmal constatirt werden — geht aus jeder Versammlung des Vereins wie bloß des geschäftsfüh¬ renden Ausschusses befestigter in Ansehen und Einfluß, fähiger sowol als wirk¬ samer, größer hervor. Er hat im Verein keinen Nebenbuhler; möge der Himmel fügen, daß er auch keinen Nachfolger braucht. Die Cagots in Frankreich. (Schluß des Artikels in voriger Nummer). Im Jahre 1695 befahl die spanische Regierung den Gemeindebehörden, binnen zwei Monaten sämmtliche Cagots aus dem Lande zu jagen. Für jeden noch zurückgebliebenen Cagot hatten sie 50 Dukaten Strafe zu erlegen. In Folge dieses Befehls fielen die Spanier über die Cagots her und trieben sie sämmtlich über die Grenze. Da aber die Franzosen, gegen einen solchen Einfall auf ihrer Hut. dem gehetzten Volke den Uebertritt auf französisches Gebiet wehrten, so mußten ganze Haufen derselben in den ungastlichen Schluchten der Pyrenäen eine Zuflucht suchen, woselbst dann natürlich der Srößte Theil entweder dem Hunger und der Kälte, oder den wilden Thieren erlag. Bei dieser Austreibung nöthigte man sie. Hände und Füße zu bedecken, weil man der Ueberzeugung war, daß das Gras und der Boden, den sie be¬ traten, sowie die Gegenstände, die sie berührt, vergiftet werden würden. Doch scheinen noch immer manche Cagotfamilien in Spanien zurückgeblieben, oder dahin zurückgekehrt zu sein, denn auch nach dieser Zeit ist noch von Cagots W Spanien die Rede.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/433>, abgerufen am 13.11.2024.