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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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Die zweite Versammlung des Nntimmlvereills.

Zu der ersten Versammlung des Nationalvereins kamen Alle mit der
natürlichen Unruhe, welche die Zweifelhaftigkeit des Gelingens eines so be¬
deutenden, ja entscheidenden Versuchs den Betheiligten wol einflößen mußte.
Es galt im vorigen Herbste zu Coburg die Form zu rechtfertigen, welche ein
Jahr früher hier in Frankfurt ergriffen worden war. Die Form hatte ihre
großen Bedenken; eins der wesentlichsten von diesen bezog sich auf denjenigen
ihrer unentbehrlichen Bestandtheile, der nun zum ersten Male, seit der Verein
existirte, in Action treten sollte. Die Gefahren, welche mit politischen Massen¬
versammlungen verknüpft sind, entwickelten sich denn auch: radicale Leiden¬
schaft hoffte, die Jugend und die zufällige Zusammensetzung der Gesellschaft
zu stürmischen Beschlüssen benutzen zu können. Noch ehe die Sitzungen be¬
gannen, hörte man von einer Vorversammlung unter der Aegide eines alt-
gefeierten Namens, deren Bedeutung es sein sollte, die Anhänger eines ent¬
scheidenden Schrittes zum unvermeidlichen Kampfe mit den gemäßigteren Ge¬
nossen, die ihren Halt im Ausschusse fanden, rechtzeitig zu organisiren.
Kein Wunder, wenn selbst Kenner der persönlichen und sachlichen Verhält¬
nisse den ersten Tag über nicht aus der Aufregung herauskamen, ob es nicht
gehen würde, wie schließlich 1848 im Vorparlament und 1849 in der Na¬
tionalversammlung -- ob nicht entweder die Ausrufung der seligen Reichs¬
verfassung von 1849 die Besonnenen, oder die Ablehnung dieses in Nürn¬
berg, Mannheim und andern Orten gleichmäßig beschlossenen Vorschlags die
Hitzköpfe zum Austritt und Bruch bestimmen würde. Als diese Besorgniß
dann glücklich erloschen war, weckte am zweiten Tage die Verhandlung der
italienischen Frage neue Sorgen auf. Hier konnte das Ergebniß, wenn auch
"icht den Verein mehr sprengen und vielleicht weit über ihn hinaus der na¬
tionalen Sache zum unseligsten Stein des Anstoßes werden, doch sehr leicht
>une Fähigkeit, über die laufenden Angelegenheiten der deutschen Politik ein
Moralisch eingreifendes Votum abzugeben, in einer Weise compromittiren,
daß er sich von dem Eindrucke nicht leicht erholt hätte. Dank der Lei-
tung des Ausschusses, den rednerischen Anstrengungen Reyscher's, Riesser's,
Metz's. Georgii's und Anderer. Dank vor Allem dem gereiften Jnstinct und
Tact der Massen, wurde auch diese Klippe ohne Schaden umsegelt.

Die diesjährige Versammlung sandte keine solchen Schatten finsterer Be-
sorgniß vor sich her und erhielt ihre Theilnehmer nicht entfernt so in be,


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Die zweite Versammlung des Nntimmlvereills.

Zu der ersten Versammlung des Nationalvereins kamen Alle mit der
natürlichen Unruhe, welche die Zweifelhaftigkeit des Gelingens eines so be¬
deutenden, ja entscheidenden Versuchs den Betheiligten wol einflößen mußte.
Es galt im vorigen Herbste zu Coburg die Form zu rechtfertigen, welche ein
Jahr früher hier in Frankfurt ergriffen worden war. Die Form hatte ihre
großen Bedenken; eins der wesentlichsten von diesen bezog sich auf denjenigen
ihrer unentbehrlichen Bestandtheile, der nun zum ersten Male, seit der Verein
existirte, in Action treten sollte. Die Gefahren, welche mit politischen Massen¬
versammlungen verknüpft sind, entwickelten sich denn auch: radicale Leiden¬
schaft hoffte, die Jugend und die zufällige Zusammensetzung der Gesellschaft
zu stürmischen Beschlüssen benutzen zu können. Noch ehe die Sitzungen be¬
gannen, hörte man von einer Vorversammlung unter der Aegide eines alt-
gefeierten Namens, deren Bedeutung es sein sollte, die Anhänger eines ent¬
scheidenden Schrittes zum unvermeidlichen Kampfe mit den gemäßigteren Ge¬
nossen, die ihren Halt im Ausschusse fanden, rechtzeitig zu organisiren.
Kein Wunder, wenn selbst Kenner der persönlichen und sachlichen Verhält¬
nisse den ersten Tag über nicht aus der Aufregung herauskamen, ob es nicht
gehen würde, wie schließlich 1848 im Vorparlament und 1849 in der Na¬
tionalversammlung — ob nicht entweder die Ausrufung der seligen Reichs¬
verfassung von 1849 die Besonnenen, oder die Ablehnung dieses in Nürn¬
berg, Mannheim und andern Orten gleichmäßig beschlossenen Vorschlags die
Hitzköpfe zum Austritt und Bruch bestimmen würde. Als diese Besorgniß
dann glücklich erloschen war, weckte am zweiten Tage die Verhandlung der
italienischen Frage neue Sorgen auf. Hier konnte das Ergebniß, wenn auch
"icht den Verein mehr sprengen und vielleicht weit über ihn hinaus der na¬
tionalen Sache zum unseligsten Stein des Anstoßes werden, doch sehr leicht
>une Fähigkeit, über die laufenden Angelegenheiten der deutschen Politik ein
Moralisch eingreifendes Votum abzugeben, in einer Weise compromittiren,
daß er sich von dem Eindrucke nicht leicht erholt hätte. Dank der Lei-
tung des Ausschusses, den rednerischen Anstrengungen Reyscher's, Riesser's,
Metz's. Georgii's und Anderer. Dank vor Allem dem gereiften Jnstinct und
Tact der Massen, wurde auch diese Klippe ohne Schaden umsegelt.

Die diesjährige Versammlung sandte keine solchen Schatten finsterer Be-
sorgniß vor sich her und erhielt ihre Theilnehmer nicht entfernt so in be,


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[0429] Die zweite Versammlung des Nntimmlvereills. Zu der ersten Versammlung des Nationalvereins kamen Alle mit der natürlichen Unruhe, welche die Zweifelhaftigkeit des Gelingens eines so be¬ deutenden, ja entscheidenden Versuchs den Betheiligten wol einflößen mußte. Es galt im vorigen Herbste zu Coburg die Form zu rechtfertigen, welche ein Jahr früher hier in Frankfurt ergriffen worden war. Die Form hatte ihre großen Bedenken; eins der wesentlichsten von diesen bezog sich auf denjenigen ihrer unentbehrlichen Bestandtheile, der nun zum ersten Male, seit der Verein existirte, in Action treten sollte. Die Gefahren, welche mit politischen Massen¬ versammlungen verknüpft sind, entwickelten sich denn auch: radicale Leiden¬ schaft hoffte, die Jugend und die zufällige Zusammensetzung der Gesellschaft zu stürmischen Beschlüssen benutzen zu können. Noch ehe die Sitzungen be¬ gannen, hörte man von einer Vorversammlung unter der Aegide eines alt- gefeierten Namens, deren Bedeutung es sein sollte, die Anhänger eines ent¬ scheidenden Schrittes zum unvermeidlichen Kampfe mit den gemäßigteren Ge¬ nossen, die ihren Halt im Ausschusse fanden, rechtzeitig zu organisiren. Kein Wunder, wenn selbst Kenner der persönlichen und sachlichen Verhält¬ nisse den ersten Tag über nicht aus der Aufregung herauskamen, ob es nicht gehen würde, wie schließlich 1848 im Vorparlament und 1849 in der Na¬ tionalversammlung — ob nicht entweder die Ausrufung der seligen Reichs¬ verfassung von 1849 die Besonnenen, oder die Ablehnung dieses in Nürn¬ berg, Mannheim und andern Orten gleichmäßig beschlossenen Vorschlags die Hitzköpfe zum Austritt und Bruch bestimmen würde. Als diese Besorgniß dann glücklich erloschen war, weckte am zweiten Tage die Verhandlung der italienischen Frage neue Sorgen auf. Hier konnte das Ergebniß, wenn auch "icht den Verein mehr sprengen und vielleicht weit über ihn hinaus der na¬ tionalen Sache zum unseligsten Stein des Anstoßes werden, doch sehr leicht >une Fähigkeit, über die laufenden Angelegenheiten der deutschen Politik ein Moralisch eingreifendes Votum abzugeben, in einer Weise compromittiren, daß er sich von dem Eindrucke nicht leicht erholt hätte. Dank der Lei- tung des Ausschusses, den rednerischen Anstrengungen Reyscher's, Riesser's, Metz's. Georgii's und Anderer. Dank vor Allem dem gereiften Jnstinct und Tact der Massen, wurde auch diese Klippe ohne Schaden umsegelt. Die diesjährige Versammlung sandte keine solchen Schatten finsterer Be- sorgniß vor sich her und erhielt ihre Theilnehmer nicht entfernt so in be, 53*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/429>, abgerufen am 13.11.2024.