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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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und den Schwarzwald zu vertheidigen haben, und das selbst, wenn Mainz schon in
französischen Händen wäre. Es wäre daher, wenn man Preußen hier nicht Zu¬
geständnisse machen wollte, nicht Mißverständniß, sondern Mißtrauen, und dazu ist
keinerlei Ursache vorhanden. Kein Verständiger wird meinen, daß Preußen in einem
Bundeskrieg mit Frankreich neutral bleiben oder einen Separatfrieden schließen könnte.
Ganz abgesehen von dem Charakter seiner ganzen Politik in den letzten Jahren
und von den Lehren der Geschichte, sieht man, daß ein Preußen, welches einen Vor¬
marsch der Franzosen in Mittel- und Süddeutschland gestatten wollte, ohne sich mit
aller seiner Macht zu regen, bei seiner jetzigen Gestalt den Zusammenhalt seiner
Provinzen aus das Aeußerste gefährden würde. Ein Separatfrieden aber würde seine
Wurzeln in Deutschland in einer Weise erschüttern, die kaum wieder gut zu machen,
die für den Bestand des Staates kaum weniger gefährlich sein würde, als etwaige
rheinbündlerische Gelüste für den Süden. Es bleibt also, da ein Mißtrauen unbegründet
ist, zur Erklärung eines Widerstandes gegen den in unsrer Schrift vertretenen Plan
nur eines anzunehmen übrig, und das heißt Mißgunst, und mit der sollte man,
wie in andern Dingen, endlich einmal auch hier ein Ende machen.


Deutsche Geschichte von Heinrich Rückert. Zweite umgearbeitete Auflage.
Leipzig. T. O. Weigel. 1861.

Die Umarbeitung besteht hauptsächlich in breiterer Ausführung einzelner Theile
der neuern und in Fortführung des Werkes bis auf die Ereignisse der neuesten
Geschichte. Gegen Manches in der Auffassung der letzteren lassen sich Einwendungen
erheben. So z. B. vermögen wir nicht einzusehen, daß der neue italienische Ein¬
heitsstaat "durch die Grundbedingungen seines Wesens zu unversöhnlicher und
aggressiver Feindseligkeit gegen Oestreich, aber auch gegen Deutschland bestimmt ist",
und daß damit, daß Preußen beim italienischen Kriege neutral blieb, "wieder ein¬
mal die Gelegenheit versäumt wurde, unser Volk aus seiner stockenden Passivität
in weltgeschichtliche Thätigkeit zu versetzen." Kriegsgcnosse Oestreichs werden, hieß
damals der Reaction in ganz Europa zum Sieg verhelfen. Oestreich stark mache"
heißt, so lange dort Habsburgische Politik herrscht, Preußen und damit Deutschland
schwächen. Im Uebrigen ist das Buch eine aller Empfehlung werthe Uebersicht
über unsre Geschichte.

Unsere Tage. Blicke aus der Zeit in die Zeit. -- 23. bis 26. Heft. Braun¬
schweig, Druck und Verlag von G. Westermann 1861. Von den politischen Artikeln,
welche diese Lieferungen bringen, heben wir besonders den über die Schleswig-holste'-
mische Frage, der ganz den Standpunkt d. Bl. einnimmt, sowie den über die neue
Konföderation der südlichen Staaten Nordamerikas hervor, der namentlich viel se"'
tistisches Detail bringt. Andere lesenswerthe Aufsätze sind: Ueber die deutschen
Alterthumsvcreinc, über die Afghanen, über die Gambier-, die Marquesas-Jnseln und
Tahiti, über die sich in der Türkei vorbereitende Revolution, über den letzten Krieg
der Westmächte mit China, über den Holzschnitt und über den jetzigen Stand der
Kartographie.

Heinrich von Sybel: Geschichte der Revolutionszeit von 17S9 bis


und den Schwarzwald zu vertheidigen haben, und das selbst, wenn Mainz schon in
französischen Händen wäre. Es wäre daher, wenn man Preußen hier nicht Zu¬
geständnisse machen wollte, nicht Mißverständniß, sondern Mißtrauen, und dazu ist
keinerlei Ursache vorhanden. Kein Verständiger wird meinen, daß Preußen in einem
Bundeskrieg mit Frankreich neutral bleiben oder einen Separatfrieden schließen könnte.
Ganz abgesehen von dem Charakter seiner ganzen Politik in den letzten Jahren
und von den Lehren der Geschichte, sieht man, daß ein Preußen, welches einen Vor¬
marsch der Franzosen in Mittel- und Süddeutschland gestatten wollte, ohne sich mit
aller seiner Macht zu regen, bei seiner jetzigen Gestalt den Zusammenhalt seiner
Provinzen aus das Aeußerste gefährden würde. Ein Separatfrieden aber würde seine
Wurzeln in Deutschland in einer Weise erschüttern, die kaum wieder gut zu machen,
die für den Bestand des Staates kaum weniger gefährlich sein würde, als etwaige
rheinbündlerische Gelüste für den Süden. Es bleibt also, da ein Mißtrauen unbegründet
ist, zur Erklärung eines Widerstandes gegen den in unsrer Schrift vertretenen Plan
nur eines anzunehmen übrig, und das heißt Mißgunst, und mit der sollte man,
wie in andern Dingen, endlich einmal auch hier ein Ende machen.


Deutsche Geschichte von Heinrich Rückert. Zweite umgearbeitete Auflage.
Leipzig. T. O. Weigel. 1861.

Die Umarbeitung besteht hauptsächlich in breiterer Ausführung einzelner Theile
der neuern und in Fortführung des Werkes bis auf die Ereignisse der neuesten
Geschichte. Gegen Manches in der Auffassung der letzteren lassen sich Einwendungen
erheben. So z. B. vermögen wir nicht einzusehen, daß der neue italienische Ein¬
heitsstaat „durch die Grundbedingungen seines Wesens zu unversöhnlicher und
aggressiver Feindseligkeit gegen Oestreich, aber auch gegen Deutschland bestimmt ist",
und daß damit, daß Preußen beim italienischen Kriege neutral blieb, „wieder ein¬
mal die Gelegenheit versäumt wurde, unser Volk aus seiner stockenden Passivität
in weltgeschichtliche Thätigkeit zu versetzen." Kriegsgcnosse Oestreichs werden, hieß
damals der Reaction in ganz Europa zum Sieg verhelfen. Oestreich stark mache»
heißt, so lange dort Habsburgische Politik herrscht, Preußen und damit Deutschland
schwächen. Im Uebrigen ist das Buch eine aller Empfehlung werthe Uebersicht
über unsre Geschichte.

Unsere Tage. Blicke aus der Zeit in die Zeit. — 23. bis 26. Heft. Braun¬
schweig, Druck und Verlag von G. Westermann 1861. Von den politischen Artikeln,
welche diese Lieferungen bringen, heben wir besonders den über die Schleswig-holste'-
mische Frage, der ganz den Standpunkt d. Bl. einnimmt, sowie den über die neue
Konföderation der südlichen Staaten Nordamerikas hervor, der namentlich viel se«'
tistisches Detail bringt. Andere lesenswerthe Aufsätze sind: Ueber die deutschen
Alterthumsvcreinc, über die Afghanen, über die Gambier-, die Marquesas-Jnseln und
Tahiti, über die sich in der Türkei vorbereitende Revolution, über den letzten Krieg
der Westmächte mit China, über den Holzschnitt und über den jetzigen Stand der
Kartographie.

Heinrich von Sybel: Geschichte der Revolutionszeit von 17S9 bis


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/328>, abgerufen am 29.06.2024.