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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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Ausruf.

Ohne Wehr und Schutz liegen die deutschen Küsten der Nordsee, in
jedem Kriege auch dem schwächsten Feinde preisgegeben, der aus der See
herannaht. Dies nationale Leiden verringert uns die politische Geltung und
bedroht ohne Aufhören die wichtigsten Interessen unseres Leben, es gefährdet
zugleich das Eigenthum und den Geschäftsbetrieb des Kaufmanns und des
Fabrikanten im Binnenlande. Tief empfindet das Volk die Schmach dieser
Wehrlosigkeit.

Die Anfänge einer deutschen Nordseeflotte, welche in stürmischer Zeit unter
begeisterter Theilnahme der Nation geschaffen wurden, sie sind von den Wogen
verschwunden; nur zwei Schiffe derselben bewahren unter preußischer Flagge
ihre Kanonen.

Seitdem hat Preußen eine Kriegsflotte in der Ostsee erbaut, welche
schon jetzt diesen Theil der deutschen Küsten gegen feindliche Angriffe zu
schützen vermag und in kurzer Zeit der Kriegsmarine anderer Ostseevölker
auch für den Angriff gewachsen sein wird. Für Häfen und Gestade der
Nordsee dagegen, welche für unsern Exporthandel die wichtigsten sind, ist bis
in die neueste Zeit nichts gethan.

Von allen Seiten beginnt eine Agitation, in den Seestädten wie im
Vinnenlande bilden sich Vereine, durch freiwillige Beiträge Einzelner den Bau
von Kriegsfahrzeugen zu fördern. Die königlich sächsische Regierung hat be¬
reitwillig ihre Genehmigung ertheilt, und in Dresden ist das Werk bereits
ur Angriff genommen.

Allerdings kann eine Kriegsflotte von irgendwelcher Stärke nicht vorzugs¬
weise durch freiwillige Beiträge von Privatpersonen geschaffen werden, immer
Müssen dabei Finanzkraft und Regierung der Staaten selbst die Hauptsache thun,
lind doch ist jetzt die Zeit gekommen, wo eine lebendige und zahlreiche Be¬
iseitigung auch der Einzelnen von höchster Bedeutung wird. Denn jeder Bet¬
rag, welchen der Privatmann für unsere Wehrhaftigkeit zur See abgibt, ist
ein Protest gegen den bisherigen Zustand kläglicher Schwäche; er wird eine
öffentliche Erklärung, welche auch die Regierungen an ihre hohe Pflicht mahnt,
und je größere Summen durch tausend Einzelne zusammengeschossen werden,
desto dringender wird der Ruf an die zunächst interessirten Staaten. Deshalb,
wer warm für die Ehre des Vaterlands empfindet, hier hat er Gelegenheit


Grenzboten III, 1861, 21
Ausruf.

Ohne Wehr und Schutz liegen die deutschen Küsten der Nordsee, in
jedem Kriege auch dem schwächsten Feinde preisgegeben, der aus der See
herannaht. Dies nationale Leiden verringert uns die politische Geltung und
bedroht ohne Aufhören die wichtigsten Interessen unseres Leben, es gefährdet
zugleich das Eigenthum und den Geschäftsbetrieb des Kaufmanns und des
Fabrikanten im Binnenlande. Tief empfindet das Volk die Schmach dieser
Wehrlosigkeit.

Die Anfänge einer deutschen Nordseeflotte, welche in stürmischer Zeit unter
begeisterter Theilnahme der Nation geschaffen wurden, sie sind von den Wogen
verschwunden; nur zwei Schiffe derselben bewahren unter preußischer Flagge
ihre Kanonen.

Seitdem hat Preußen eine Kriegsflotte in der Ostsee erbaut, welche
schon jetzt diesen Theil der deutschen Küsten gegen feindliche Angriffe zu
schützen vermag und in kurzer Zeit der Kriegsmarine anderer Ostseevölker
auch für den Angriff gewachsen sein wird. Für Häfen und Gestade der
Nordsee dagegen, welche für unsern Exporthandel die wichtigsten sind, ist bis
in die neueste Zeit nichts gethan.

Von allen Seiten beginnt eine Agitation, in den Seestädten wie im
Vinnenlande bilden sich Vereine, durch freiwillige Beiträge Einzelner den Bau
von Kriegsfahrzeugen zu fördern. Die königlich sächsische Regierung hat be¬
reitwillig ihre Genehmigung ertheilt, und in Dresden ist das Werk bereits
ur Angriff genommen.

Allerdings kann eine Kriegsflotte von irgendwelcher Stärke nicht vorzugs¬
weise durch freiwillige Beiträge von Privatpersonen geschaffen werden, immer
Müssen dabei Finanzkraft und Regierung der Staaten selbst die Hauptsache thun,
lind doch ist jetzt die Zeit gekommen, wo eine lebendige und zahlreiche Be¬
iseitigung auch der Einzelnen von höchster Bedeutung wird. Denn jeder Bet¬
rag, welchen der Privatmann für unsere Wehrhaftigkeit zur See abgibt, ist
ein Protest gegen den bisherigen Zustand kläglicher Schwäche; er wird eine
öffentliche Erklärung, welche auch die Regierungen an ihre hohe Pflicht mahnt,
und je größere Summen durch tausend Einzelne zusammengeschossen werden,
desto dringender wird der Ruf an die zunächst interessirten Staaten. Deshalb,
wer warm für die Ehre des Vaterlands empfindet, hier hat er Gelegenheit


Grenzboten III, 1861, 21
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[0171] Ausruf. Ohne Wehr und Schutz liegen die deutschen Küsten der Nordsee, in jedem Kriege auch dem schwächsten Feinde preisgegeben, der aus der See herannaht. Dies nationale Leiden verringert uns die politische Geltung und bedroht ohne Aufhören die wichtigsten Interessen unseres Leben, es gefährdet zugleich das Eigenthum und den Geschäftsbetrieb des Kaufmanns und des Fabrikanten im Binnenlande. Tief empfindet das Volk die Schmach dieser Wehrlosigkeit. Die Anfänge einer deutschen Nordseeflotte, welche in stürmischer Zeit unter begeisterter Theilnahme der Nation geschaffen wurden, sie sind von den Wogen verschwunden; nur zwei Schiffe derselben bewahren unter preußischer Flagge ihre Kanonen. Seitdem hat Preußen eine Kriegsflotte in der Ostsee erbaut, welche schon jetzt diesen Theil der deutschen Küsten gegen feindliche Angriffe zu schützen vermag und in kurzer Zeit der Kriegsmarine anderer Ostseevölker auch für den Angriff gewachsen sein wird. Für Häfen und Gestade der Nordsee dagegen, welche für unsern Exporthandel die wichtigsten sind, ist bis in die neueste Zeit nichts gethan. Von allen Seiten beginnt eine Agitation, in den Seestädten wie im Vinnenlande bilden sich Vereine, durch freiwillige Beiträge Einzelner den Bau von Kriegsfahrzeugen zu fördern. Die königlich sächsische Regierung hat be¬ reitwillig ihre Genehmigung ertheilt, und in Dresden ist das Werk bereits ur Angriff genommen. Allerdings kann eine Kriegsflotte von irgendwelcher Stärke nicht vorzugs¬ weise durch freiwillige Beiträge von Privatpersonen geschaffen werden, immer Müssen dabei Finanzkraft und Regierung der Staaten selbst die Hauptsache thun, lind doch ist jetzt die Zeit gekommen, wo eine lebendige und zahlreiche Be¬ iseitigung auch der Einzelnen von höchster Bedeutung wird. Denn jeder Bet¬ rag, welchen der Privatmann für unsere Wehrhaftigkeit zur See abgibt, ist ein Protest gegen den bisherigen Zustand kläglicher Schwäche; er wird eine öffentliche Erklärung, welche auch die Regierungen an ihre hohe Pflicht mahnt, und je größere Summen durch tausend Einzelne zusammengeschossen werden, desto dringender wird der Ruf an die zunächst interessirten Staaten. Deshalb, wer warm für die Ehre des Vaterlands empfindet, hier hat er Gelegenheit Grenzboten III, 1861, 21

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/171>, abgerufen am 13.11.2024.