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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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Wir glauben, daß die Regierung in Bezug auf diese Lage ziemlich klar
sieht und alles Mögliche aufbieten wird, um sich mit Ungarn auf friedlichem
Wege zu verständigen. Sollte es gelingen, so wäre es nicht bloß für Ungarn,
sondern namentlich für die deutschen Provinzen das Beste. Denn wenn wir
auch mit Herrn v. Beust darin übereinstimmen, daß Oestreich in jedem Fall
bei seinem ungestümen Fortschritt wieder einige Schritte wird zurückthun müssen,
um nicht das Gleichgewicht zu verlieren, so glauben wir doch, daß in diesem
Fall sich ein sehr realer Gewinn für alle Theile herausstellen würde.

Sollte aber die Einigung nicht zu Stande kommen, so zweifeln wir freilich
nicht daran, daß es Oestreich gelingen wird, Ungarn wieder zu unterwerfen.
Aber es ist eine Naserei von Seiten der deutschen Liberalen, anzunehmen, daß
dann noch von einer Verfassung die Rede sein würde. Ungarn im Belagerungs¬
zustand hebt die Möglichkeit einer Verfassung für Oestreich auf; ein Staat kann
nicht constitutionell regiert werden, dessen eine Hälfte dem ML Flaäii unterliegt.

Wir würden es von Seiten Preußens für diplomatisch halten, in Wien
nicht unbemerkt zu lassen, daß man diese Lage durchschaut und die Vortheile
derselben auszubeuten bereit ist. Getreue Nachbarschaft auf beiden Seiten und
als unablässige Vorbedingung derselben Einigung auf dem Gebiet der deut¬
schen Politik: das wäre eine Sprache, welche, mit der gehörigen Wärme aus¬
-j- -j- gedrückt, das Wiener Cabinet zuletzt verstehen würde. --




Eine englische Stimme über das londoner Protokoll.

Daß es Engländer gibt, die über die Schleswig-holsteinische Frage gün¬
stiger für Deutschland denken, als Palmerston und die Times, ist bekannt; nur
sind es leider meist Politiker ohne bedeutenden Einfluß und Provinzialblätter,
die für unser Recht in die Schranken treten. Die große Mehrheit gibt den
Dänen Recht, und als neulich Lord Montagu im Unterhaus für die Herzog-
thümer das Wort ergriff, sprach er vor leeren Bänken. Dennoch haben wir
in der Sache gegen 1848 einen Fortschritt zu constatiren. Deutsche Flücht¬
linge, namentlich der bekannte Blind, haben in dankenswerther Weise das
englische Publicum aufzuklären versucht, Mitglieder der Manchesterpartei


Wir glauben, daß die Regierung in Bezug auf diese Lage ziemlich klar
sieht und alles Mögliche aufbieten wird, um sich mit Ungarn auf friedlichem
Wege zu verständigen. Sollte es gelingen, so wäre es nicht bloß für Ungarn,
sondern namentlich für die deutschen Provinzen das Beste. Denn wenn wir
auch mit Herrn v. Beust darin übereinstimmen, daß Oestreich in jedem Fall
bei seinem ungestümen Fortschritt wieder einige Schritte wird zurückthun müssen,
um nicht das Gleichgewicht zu verlieren, so glauben wir doch, daß in diesem
Fall sich ein sehr realer Gewinn für alle Theile herausstellen würde.

Sollte aber die Einigung nicht zu Stande kommen, so zweifeln wir freilich
nicht daran, daß es Oestreich gelingen wird, Ungarn wieder zu unterwerfen.
Aber es ist eine Naserei von Seiten der deutschen Liberalen, anzunehmen, daß
dann noch von einer Verfassung die Rede sein würde. Ungarn im Belagerungs¬
zustand hebt die Möglichkeit einer Verfassung für Oestreich auf; ein Staat kann
nicht constitutionell regiert werden, dessen eine Hälfte dem ML Flaäii unterliegt.

Wir würden es von Seiten Preußens für diplomatisch halten, in Wien
nicht unbemerkt zu lassen, daß man diese Lage durchschaut und die Vortheile
derselben auszubeuten bereit ist. Getreue Nachbarschaft auf beiden Seiten und
als unablässige Vorbedingung derselben Einigung auf dem Gebiet der deut¬
schen Politik: das wäre eine Sprache, welche, mit der gehörigen Wärme aus¬
-j- -j- gedrückt, das Wiener Cabinet zuletzt verstehen würde. —




Eine englische Stimme über das londoner Protokoll.

Daß es Engländer gibt, die über die Schleswig-holsteinische Frage gün¬
stiger für Deutschland denken, als Palmerston und die Times, ist bekannt; nur
sind es leider meist Politiker ohne bedeutenden Einfluß und Provinzialblätter,
die für unser Recht in die Schranken treten. Die große Mehrheit gibt den
Dänen Recht, und als neulich Lord Montagu im Unterhaus für die Herzog-
thümer das Wort ergriff, sprach er vor leeren Bänken. Dennoch haben wir
in der Sache gegen 1848 einen Fortschritt zu constatiren. Deutsche Flücht¬
linge, namentlich der bekannte Blind, haben in dankenswerther Weise das
englische Publicum aufzuklären versucht, Mitglieder der Manchesterpartei


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[0128] Wir glauben, daß die Regierung in Bezug auf diese Lage ziemlich klar sieht und alles Mögliche aufbieten wird, um sich mit Ungarn auf friedlichem Wege zu verständigen. Sollte es gelingen, so wäre es nicht bloß für Ungarn, sondern namentlich für die deutschen Provinzen das Beste. Denn wenn wir auch mit Herrn v. Beust darin übereinstimmen, daß Oestreich in jedem Fall bei seinem ungestümen Fortschritt wieder einige Schritte wird zurückthun müssen, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren, so glauben wir doch, daß in diesem Fall sich ein sehr realer Gewinn für alle Theile herausstellen würde. Sollte aber die Einigung nicht zu Stande kommen, so zweifeln wir freilich nicht daran, daß es Oestreich gelingen wird, Ungarn wieder zu unterwerfen. Aber es ist eine Naserei von Seiten der deutschen Liberalen, anzunehmen, daß dann noch von einer Verfassung die Rede sein würde. Ungarn im Belagerungs¬ zustand hebt die Möglichkeit einer Verfassung für Oestreich auf; ein Staat kann nicht constitutionell regiert werden, dessen eine Hälfte dem ML Flaäii unterliegt. Wir würden es von Seiten Preußens für diplomatisch halten, in Wien nicht unbemerkt zu lassen, daß man diese Lage durchschaut und die Vortheile derselben auszubeuten bereit ist. Getreue Nachbarschaft auf beiden Seiten und als unablässige Vorbedingung derselben Einigung auf dem Gebiet der deut¬ schen Politik: das wäre eine Sprache, welche, mit der gehörigen Wärme aus¬ -j- -j- gedrückt, das Wiener Cabinet zuletzt verstehen würde. — Eine englische Stimme über das londoner Protokoll. Daß es Engländer gibt, die über die Schleswig-holsteinische Frage gün¬ stiger für Deutschland denken, als Palmerston und die Times, ist bekannt; nur sind es leider meist Politiker ohne bedeutenden Einfluß und Provinzialblätter, die für unser Recht in die Schranken treten. Die große Mehrheit gibt den Dänen Recht, und als neulich Lord Montagu im Unterhaus für die Herzog- thümer das Wort ergriff, sprach er vor leeren Bänken. Dennoch haben wir in der Sache gegen 1848 einen Fortschritt zu constatiren. Deutsche Flücht¬ linge, namentlich der bekannte Blind, haben in dankenswerther Weise das englische Publicum aufzuklären versucht, Mitglieder der Manchesterpartei

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/128>, abgerufen am 13.11.2024.