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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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Von der preußischen Grenze.

Die große Angelegenheit, welche nicht bloß Berlin in Bewegung gesetzt,
sondern sogar zu einer Art Ministerkrisis geführt hat. können wir. da sie nun
glücklich erledigt ist, mit Stillschweigen übergehen. Die Zusammenberufung
von Huldigungsständen ist aufgegeben und bei der Krönung wird die verfas¬
sungsmäßige Vertretung des Landes, der Landtag, betheiligt sein. Ob die
ganze Feierlichkeit nothwendig war, in einer Zeit, wo Preußen sehr viel Geld
braucht, lassen wir dahin gestellt sein, und was die Huldigungsrechte der feu¬
dalen Stände betrifft, so verstehen wir kein Wort davon: es müßte denn sein,
daß der Besitz einer Uniform das Recht auf Festlichkeiten begründet, in denen
man Gelegenheit hat sie zu tragen.

Eine viel ernstere Angelegenheit drängt sich in den Vordergrund, der No¬
tenwechsel zwischen Oestreich und Preußen in der kurhessischen Sache. Wie
uns in der deutschen Diplomatie vieles ein unerforschliches Räthsel bleibt; so
entdecken wir ebenso wenig einen Grund dafür, daß Oestreich seine Noten
veröffentlicht, als daß Preußen die seinigen.zurückgehalten hat. Nach dem
gewöhnlichen Menschenverstand hätte man annehmen sollen, Preußen sei Alles
und Oestreich sei gar nichts an der Veröffentlichung gelegen.

Denn alle Verläumdungen Preußens wurden dadurch zum Schweigen ge¬
bracht und Oestreich verlor die günstige Position, sich auf der einen Seite als
Vertheidiger der Fürstenrechte, auf der andern als Vertreter des Volksrechtes
darzustellen. Die Würzburger Regierungen werden nun sehen, daß Oestreich
doch etwas mehr zugestanden hat, als der gemeinsamen Sache förderlich ist.
und die großdeutschen Liberalen werden sehen, daß Oestreich doch immer noch
mehrere Schritte hinter Preußen zurück ist.

Prüfen wir den Inhalt der preußischen Noten, hauptsächlich der letzten
entscheidenden vom 10. April, so finden wirdenselben vollkommen "correct". Für
das hessische Volk ist genau dasjenige in Anspruch genommen, was der Freund
einer gesunden deutschen Entwickelung wünschen kann, Preußen hat seinen
Nechtsstandpunkt streng gewahrt und sich dabei doch bemüht, in allen Punk¬
ten, die nicht das Princip berühren, den verbündeten Regierungen eine gol¬
dene Brücke zu bauen. Diese letztere Rücksicht finden wir durchaus in der
Ordnung, obgleich ein großer Theil des Publicums, heroischer Aufregungen
bedürftig, sich dagegen erklärt. Wenn Preußen die Hauptsache erreichte d. h.
die Wiederherstellung der Rechtszustände in Kurhessen, so konnte es in Be¬
ziehung auf den Weg, der dahin führen sollte, ohne sich etwas zu vergeben,


Von der preußischen Grenze.

Die große Angelegenheit, welche nicht bloß Berlin in Bewegung gesetzt,
sondern sogar zu einer Art Ministerkrisis geführt hat. können wir. da sie nun
glücklich erledigt ist, mit Stillschweigen übergehen. Die Zusammenberufung
von Huldigungsständen ist aufgegeben und bei der Krönung wird die verfas¬
sungsmäßige Vertretung des Landes, der Landtag, betheiligt sein. Ob die
ganze Feierlichkeit nothwendig war, in einer Zeit, wo Preußen sehr viel Geld
braucht, lassen wir dahin gestellt sein, und was die Huldigungsrechte der feu¬
dalen Stände betrifft, so verstehen wir kein Wort davon: es müßte denn sein,
daß der Besitz einer Uniform das Recht auf Festlichkeiten begründet, in denen
man Gelegenheit hat sie zu tragen.

Eine viel ernstere Angelegenheit drängt sich in den Vordergrund, der No¬
tenwechsel zwischen Oestreich und Preußen in der kurhessischen Sache. Wie
uns in der deutschen Diplomatie vieles ein unerforschliches Räthsel bleibt; so
entdecken wir ebenso wenig einen Grund dafür, daß Oestreich seine Noten
veröffentlicht, als daß Preußen die seinigen.zurückgehalten hat. Nach dem
gewöhnlichen Menschenverstand hätte man annehmen sollen, Preußen sei Alles
und Oestreich sei gar nichts an der Veröffentlichung gelegen.

Denn alle Verläumdungen Preußens wurden dadurch zum Schweigen ge¬
bracht und Oestreich verlor die günstige Position, sich auf der einen Seite als
Vertheidiger der Fürstenrechte, auf der andern als Vertreter des Volksrechtes
darzustellen. Die Würzburger Regierungen werden nun sehen, daß Oestreich
doch etwas mehr zugestanden hat, als der gemeinsamen Sache förderlich ist.
und die großdeutschen Liberalen werden sehen, daß Oestreich doch immer noch
mehrere Schritte hinter Preußen zurück ist.

Prüfen wir den Inhalt der preußischen Noten, hauptsächlich der letzten
entscheidenden vom 10. April, so finden wirdenselben vollkommen „correct". Für
das hessische Volk ist genau dasjenige in Anspruch genommen, was der Freund
einer gesunden deutschen Entwickelung wünschen kann, Preußen hat seinen
Nechtsstandpunkt streng gewahrt und sich dabei doch bemüht, in allen Punk¬
ten, die nicht das Princip berühren, den verbündeten Regierungen eine gol¬
dene Brücke zu bauen. Diese letztere Rücksicht finden wir durchaus in der
Ordnung, obgleich ein großer Theil des Publicums, heroischer Aufregungen
bedürftig, sich dagegen erklärt. Wenn Preußen die Hauptsache erreichte d. h.
die Wiederherstellung der Rechtszustände in Kurhessen, so konnte es in Be¬
ziehung auf den Weg, der dahin führen sollte, ohne sich etwas zu vergeben,


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[0124] Von der preußischen Grenze. Die große Angelegenheit, welche nicht bloß Berlin in Bewegung gesetzt, sondern sogar zu einer Art Ministerkrisis geführt hat. können wir. da sie nun glücklich erledigt ist, mit Stillschweigen übergehen. Die Zusammenberufung von Huldigungsständen ist aufgegeben und bei der Krönung wird die verfas¬ sungsmäßige Vertretung des Landes, der Landtag, betheiligt sein. Ob die ganze Feierlichkeit nothwendig war, in einer Zeit, wo Preußen sehr viel Geld braucht, lassen wir dahin gestellt sein, und was die Huldigungsrechte der feu¬ dalen Stände betrifft, so verstehen wir kein Wort davon: es müßte denn sein, daß der Besitz einer Uniform das Recht auf Festlichkeiten begründet, in denen man Gelegenheit hat sie zu tragen. Eine viel ernstere Angelegenheit drängt sich in den Vordergrund, der No¬ tenwechsel zwischen Oestreich und Preußen in der kurhessischen Sache. Wie uns in der deutschen Diplomatie vieles ein unerforschliches Räthsel bleibt; so entdecken wir ebenso wenig einen Grund dafür, daß Oestreich seine Noten veröffentlicht, als daß Preußen die seinigen.zurückgehalten hat. Nach dem gewöhnlichen Menschenverstand hätte man annehmen sollen, Preußen sei Alles und Oestreich sei gar nichts an der Veröffentlichung gelegen. Denn alle Verläumdungen Preußens wurden dadurch zum Schweigen ge¬ bracht und Oestreich verlor die günstige Position, sich auf der einen Seite als Vertheidiger der Fürstenrechte, auf der andern als Vertreter des Volksrechtes darzustellen. Die Würzburger Regierungen werden nun sehen, daß Oestreich doch etwas mehr zugestanden hat, als der gemeinsamen Sache förderlich ist. und die großdeutschen Liberalen werden sehen, daß Oestreich doch immer noch mehrere Schritte hinter Preußen zurück ist. Prüfen wir den Inhalt der preußischen Noten, hauptsächlich der letzten entscheidenden vom 10. April, so finden wirdenselben vollkommen „correct". Für das hessische Volk ist genau dasjenige in Anspruch genommen, was der Freund einer gesunden deutschen Entwickelung wünschen kann, Preußen hat seinen Nechtsstandpunkt streng gewahrt und sich dabei doch bemüht, in allen Punk¬ ten, die nicht das Princip berühren, den verbündeten Regierungen eine gol¬ dene Brücke zu bauen. Diese letztere Rücksicht finden wir durchaus in der Ordnung, obgleich ein großer Theil des Publicums, heroischer Aufregungen bedürftig, sich dagegen erklärt. Wenn Preußen die Hauptsache erreichte d. h. die Wiederherstellung der Rechtszustände in Kurhessen, so konnte es in Be¬ ziehung auf den Weg, der dahin führen sollte, ohne sich etwas zu vergeben,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/124>, abgerufen am 13.11.2024.