Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

des Misokapnus. einführt und dafür fast acht Millionen Pfund Sterling
ausgibt! -- Die Moral von unserer Geschichte wird man nicht weit zu suchen
haben.




Aus dem Tagebuche eines GaribtMschen Freiwilligen.
' i"Il>' in-iun?j/-<
Eine Woche in Neapel.

"Wo verweilt der General Türr, oder wo steht die Armee?" war die erste
Frage, die ich an den Cameriere richtete, als derselbe am nächsten Morgen ein¬
trat. Er zuckte erst nur die Achseln, antwortete aber zuletzt! "Avr so, Lignor!"

Das Achselzucken verdroß mich; denn ich dachte nicht daran, daß die Be¬
wegung wie die Worte dem ganzen neapolitanischen Volke zur zweiten Natur
geworden seien. Achselzucken auf eine Frage war ja die beste, weil die am
wenigsten sagende Antwort während der Zeit der Bourbonen gewesen, und Nicht¬
wissen lag den Leuten hier wol auch in den meisten Dingen näher als Wissen.
Ich wendete mich an den Hotelwirth und siehe da -- dieselbe Sprache, die¬
selbe Bewegung. So begab ich mich zu dem Consul, der die Nation ver¬
trat, welcher ich mich als angehörig betrachtete.

Mit Zuvorkommenheit wurde mir hier gesagt, daß General Türr zur
Zeit Gouverneur von Neapel sei, und mir zugleich ein Begleiter nach seiner
Wohnung angeboten.

Als wir dort ankamen, hieß es auf die Frage meines Führers. der Ge¬
neral sei ausgefahren. "Wann kommt er zurück," erkundigte sich S., "wann
empfängt er?" -- ,Mu so, SiMori!"

Herr S., der seine Landsleute zu kennen schien, bemerkte, wir würden um
zwölf Uhr wieder nachfragen, und wir kehrten auf den Hofplatz zurück, wo
eine Anzahl von angespannten Wagen hielten, welche für die Adjutanten be¬
stimmt waren, wenn dieselben aufzufahren nöthig hatten.

Eine Volksmenge hatte sich unterdessen an^ dem Thorwege versammelt,
vor welchem eine elegante Equipage anhielt. Ein Herr in vorgerücktem Alter
verließ dieselbe. "Klatscht dem Prodictator zu," rief halblaut ein Mann mit


des Misokapnus. einführt und dafür fast acht Millionen Pfund Sterling
ausgibt! — Die Moral von unserer Geschichte wird man nicht weit zu suchen
haben.




Aus dem Tagebuche eines GaribtMschen Freiwilligen.
' i»Il>' in-iun?j/-<
Eine Woche in Neapel.

„Wo verweilt der General Türr, oder wo steht die Armee?" war die erste
Frage, die ich an den Cameriere richtete, als derselbe am nächsten Morgen ein¬
trat. Er zuckte erst nur die Achseln, antwortete aber zuletzt! „Avr so, Lignor!"

Das Achselzucken verdroß mich; denn ich dachte nicht daran, daß die Be¬
wegung wie die Worte dem ganzen neapolitanischen Volke zur zweiten Natur
geworden seien. Achselzucken auf eine Frage war ja die beste, weil die am
wenigsten sagende Antwort während der Zeit der Bourbonen gewesen, und Nicht¬
wissen lag den Leuten hier wol auch in den meisten Dingen näher als Wissen.
Ich wendete mich an den Hotelwirth und siehe da — dieselbe Sprache, die¬
selbe Bewegung. So begab ich mich zu dem Consul, der die Nation ver¬
trat, welcher ich mich als angehörig betrachtete.

Mit Zuvorkommenheit wurde mir hier gesagt, daß General Türr zur
Zeit Gouverneur von Neapel sei, und mir zugleich ein Begleiter nach seiner
Wohnung angeboten.

Als wir dort ankamen, hieß es auf die Frage meines Führers. der Ge¬
neral sei ausgefahren. „Wann kommt er zurück," erkundigte sich S., „wann
empfängt er?" — ,Mu so, SiMori!"

Herr S., der seine Landsleute zu kennen schien, bemerkte, wir würden um
zwölf Uhr wieder nachfragen, und wir kehrten auf den Hofplatz zurück, wo
eine Anzahl von angespannten Wagen hielten, welche für die Adjutanten be¬
stimmt waren, wenn dieselben aufzufahren nöthig hatten.

Eine Volksmenge hatte sich unterdessen an^ dem Thorwege versammelt,
vor welchem eine elegante Equipage anhielt. Ein Herr in vorgerücktem Alter
verließ dieselbe. „Klatscht dem Prodictator zu," rief halblaut ein Mann mit


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0398" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/111830"/>
          <p xml:id="ID_1327" prev="#ID_1326"> des Misokapnus. einführt und dafür fast acht Millionen Pfund Sterling<lb/>
ausgibt! &#x2014; Die Moral von unserer Geschichte wird man nicht weit zu suchen<lb/>
haben.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Aus dem Tagebuche eines GaribtMschen Freiwilligen.</head><lb/>
          <div n="2">
            <head> '   i»Il&gt;'    in-iun?j/-&lt;<lb/>
Eine Woche in Neapel.</head><lb/>
            <p xml:id="ID_1328"> &#x201E;Wo verweilt der General Türr, oder wo steht die Armee?" war die erste<lb/>
Frage, die ich an den Cameriere richtete, als derselbe am nächsten Morgen ein¬<lb/>
trat. Er zuckte erst nur die Achseln, antwortete aber zuletzt! &#x201E;Avr so, Lignor!"</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1329"> Das Achselzucken verdroß mich; denn ich dachte nicht daran, daß die Be¬<lb/>
wegung wie die Worte dem ganzen neapolitanischen Volke zur zweiten Natur<lb/>
geworden seien. Achselzucken auf eine Frage war ja die beste, weil die am<lb/>
wenigsten sagende Antwort während der Zeit der Bourbonen gewesen, und Nicht¬<lb/>
wissen lag den Leuten hier wol auch in den meisten Dingen näher als Wissen.<lb/>
Ich wendete mich an den Hotelwirth und siehe da &#x2014; dieselbe Sprache, die¬<lb/>
selbe Bewegung. So begab ich mich zu dem Consul, der die Nation ver¬<lb/>
trat, welcher ich mich als angehörig betrachtete.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1330"> Mit Zuvorkommenheit wurde mir hier gesagt, daß General Türr zur<lb/>
Zeit Gouverneur von Neapel sei, und mir zugleich ein Begleiter nach seiner<lb/>
Wohnung angeboten.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1331"> Als wir dort ankamen, hieß es auf die Frage meines Führers. der Ge¬<lb/>
neral sei ausgefahren. &#x201E;Wann kommt er zurück," erkundigte sich S., &#x201E;wann<lb/>
empfängt er?" &#x2014; ,Mu so, SiMori!"</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1332"> Herr S., der seine Landsleute zu kennen schien, bemerkte, wir würden um<lb/>
zwölf Uhr wieder nachfragen, und wir kehrten auf den Hofplatz zurück, wo<lb/>
eine Anzahl von angespannten Wagen hielten, welche für die Adjutanten be¬<lb/>
stimmt waren, wenn dieselben aufzufahren nöthig hatten.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1333" next="#ID_1334"> Eine Volksmenge hatte sich unterdessen an^ dem Thorwege versammelt,<lb/>
vor welchem eine elegante Equipage anhielt. Ein Herr in vorgerücktem Alter<lb/>
verließ dieselbe. &#x201E;Klatscht dem Prodictator zu," rief halblaut ein Mann mit</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0398] des Misokapnus. einführt und dafür fast acht Millionen Pfund Sterling ausgibt! — Die Moral von unserer Geschichte wird man nicht weit zu suchen haben. Aus dem Tagebuche eines GaribtMschen Freiwilligen. ' i»Il>' in-iun?j/-< Eine Woche in Neapel. „Wo verweilt der General Türr, oder wo steht die Armee?" war die erste Frage, die ich an den Cameriere richtete, als derselbe am nächsten Morgen ein¬ trat. Er zuckte erst nur die Achseln, antwortete aber zuletzt! „Avr so, Lignor!" Das Achselzucken verdroß mich; denn ich dachte nicht daran, daß die Be¬ wegung wie die Worte dem ganzen neapolitanischen Volke zur zweiten Natur geworden seien. Achselzucken auf eine Frage war ja die beste, weil die am wenigsten sagende Antwort während der Zeit der Bourbonen gewesen, und Nicht¬ wissen lag den Leuten hier wol auch in den meisten Dingen näher als Wissen. Ich wendete mich an den Hotelwirth und siehe da — dieselbe Sprache, die¬ selbe Bewegung. So begab ich mich zu dem Consul, der die Nation ver¬ trat, welcher ich mich als angehörig betrachtete. Mit Zuvorkommenheit wurde mir hier gesagt, daß General Türr zur Zeit Gouverneur von Neapel sei, und mir zugleich ein Begleiter nach seiner Wohnung angeboten. Als wir dort ankamen, hieß es auf die Frage meines Führers. der Ge¬ neral sei ausgefahren. „Wann kommt er zurück," erkundigte sich S., „wann empfängt er?" — ,Mu so, SiMori!" Herr S., der seine Landsleute zu kennen schien, bemerkte, wir würden um zwölf Uhr wieder nachfragen, und wir kehrten auf den Hofplatz zurück, wo eine Anzahl von angespannten Wagen hielten, welche für die Adjutanten be¬ stimmt waren, wenn dieselben aufzufahren nöthig hatten. Eine Volksmenge hatte sich unterdessen an^ dem Thorwege versammelt, vor welchem eine elegante Equipage anhielt. Ein Herr in vorgerücktem Alter verließ dieselbe. „Klatscht dem Prodictator zu," rief halblaut ein Mann mit

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/398
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/398>, abgerufen am 28.06.2024.