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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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man sich davon überzeugt, daß das Vertrauen allein nicht genügt, daß man
selbst Hand anlegen müsse. Die Arbeit ist saurer und undankbarer, als man
sich vorgestellt -- desto besser für den Erfolg! Nur der Gewinn gedeiht, den
wir mühsam im Schweiß unseres Angesichts uns erwerben. Wir wünschen
für die nächste Session eine Kammer, die sich vor dem Verdachte nicht scheut,
die Regierung zu "drängen", die mit ausgearbeiteten Entwürfen ihr entgegen¬
kommt. und Schritt vor Schritt sie controllirt; aber eine Kammer, die zugleich
das, Bewußtsein der gefährlichen Lage Preußens und seiner Aufgabeln Deutsch¬
land in. sich trägt und nie vergißt, daß diese Aufgabe nur erfüllt werden
kann, wenn man Preußen organisirt, nicht es desorganisirt. Es wäre viel
anmuthiger, wenn man sofort große Politik treiben könnte, aber dies wäre
nur durch ein starkes Ministerium möglich gewesen. Wo eine berathende Ver¬
sammlung an der Initiative Theil nimmt, ist nur ein langsamer Fortschritt
denkbar. Jemehr jeder Einzelne im Volke sich mit der Ueberzeugung- durch¬
dringt, daß seine Hoffnungen und seine Rechtsansprüche nur dann Realität
gewinnen, wenn er zugleich ernste Pflichten übernimmt, je weniger wird dieser
regelmäßige Fortschritt auf sich warten lassen.




Vermischte Literatur.

Vierundvierzig Monate Untersuchungshaft. Ein Beitrag zur Ge¬
schichte des Rostocker Hochvcrrathsprocesscs. Von öl'. Julius Wiggers. (Berlin,
Springer). -- Diese Schrift enthält eine der schwärzesten Seiten des Reactionszcit-
altcrs, den Einfluß der allgemeinen Strömung selbst auf die Gerichte -- leiderging
auch hier Preußen voran! Denn der Rostocker Hochvcrrathsproceß wurde ganz un¬
ter preußischem Einfluß geführt, und preußische Polizeispionc spielten in demselben
eine nicht unbedeutende Rolle. -- Vierundvierzig Monate Untersuchungs¬
haft!! -- Wenn die Engländer solche Dinge lesen, soll man es ihnen verargen,
wenn sie sich bemühen, ihren Mitbürgern in Deutschland noch einen andern Schuh
zu verschaffen, als den, der einheimischen deutschen Gesetze?! -- Das Buch ist an¬
ziehend geschrieben und verdient von Jedem studirt zu werden, der Politik nicht
bloß mit allgemeinen Redensarten treibt.

Die polnischen Forderungen in Betreff der Provinz Posen, gegenüber


man sich davon überzeugt, daß das Vertrauen allein nicht genügt, daß man
selbst Hand anlegen müsse. Die Arbeit ist saurer und undankbarer, als man
sich vorgestellt — desto besser für den Erfolg! Nur der Gewinn gedeiht, den
wir mühsam im Schweiß unseres Angesichts uns erwerben. Wir wünschen
für die nächste Session eine Kammer, die sich vor dem Verdachte nicht scheut,
die Regierung zu „drängen", die mit ausgearbeiteten Entwürfen ihr entgegen¬
kommt. und Schritt vor Schritt sie controllirt; aber eine Kammer, die zugleich
das, Bewußtsein der gefährlichen Lage Preußens und seiner Aufgabeln Deutsch¬
land in. sich trägt und nie vergißt, daß diese Aufgabe nur erfüllt werden
kann, wenn man Preußen organisirt, nicht es desorganisirt. Es wäre viel
anmuthiger, wenn man sofort große Politik treiben könnte, aber dies wäre
nur durch ein starkes Ministerium möglich gewesen. Wo eine berathende Ver¬
sammlung an der Initiative Theil nimmt, ist nur ein langsamer Fortschritt
denkbar. Jemehr jeder Einzelne im Volke sich mit der Ueberzeugung- durch¬
dringt, daß seine Hoffnungen und seine Rechtsansprüche nur dann Realität
gewinnen, wenn er zugleich ernste Pflichten übernimmt, je weniger wird dieser
regelmäßige Fortschritt auf sich warten lassen.




Vermischte Literatur.

Vierundvierzig Monate Untersuchungshaft. Ein Beitrag zur Ge¬
schichte des Rostocker Hochvcrrathsprocesscs. Von öl'. Julius Wiggers. (Berlin,
Springer). — Diese Schrift enthält eine der schwärzesten Seiten des Reactionszcit-
altcrs, den Einfluß der allgemeinen Strömung selbst auf die Gerichte — leiderging
auch hier Preußen voran! Denn der Rostocker Hochvcrrathsproceß wurde ganz un¬
ter preußischem Einfluß geführt, und preußische Polizeispionc spielten in demselben
eine nicht unbedeutende Rolle. — Vierundvierzig Monate Untersuchungs¬
haft!! — Wenn die Engländer solche Dinge lesen, soll man es ihnen verargen,
wenn sie sich bemühen, ihren Mitbürgern in Deutschland noch einen andern Schuh
zu verschaffen, als den, der einheimischen deutschen Gesetze?! — Das Buch ist an¬
ziehend geschrieben und verdient von Jedem studirt zu werden, der Politik nicht
bloß mit allgemeinen Redensarten treibt.

Die polnischen Forderungen in Betreff der Provinz Posen, gegenüber


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/248>, abgerufen am 22.07.2024.