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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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Der Bericht des Ausschusses der holsteinischen Stände-
versmlttulung über die Verfassungsvorlagen.

Als sich vor einigen Wochen die Stände Holsteins versammelten, legte
die Regierung denselben drei wichtige Dinge vor: die Grundzüge einer neuen
Gcsammtstaatsvcrfassung, den Entwurf eines Gesetzes über die Stellung, die
Holstein hinsichtlich der gemeinschaftlichen Angelegenheiten der Monarchie in
der Zwischenzeit bis zur definitiven Ordnung des Gesammtstaats einnehmen
sollte, und eine neue Sonderversassung für das Herzogthum, Die Stande
wählten zur Begutachtung dieser drei Vorlagen einen Ausschuß, derselbe hat
jetzt gesprochen, und seine Kritik ist im Wesentlichen so ausgefallen, wie nach
der Lage der Dinge und der durch die Wahlen ausgedrückten Stimmung des
Landes erwartet werden mußte. Im Folgenden geben,wir einen Auszug aus
dem, Itzehoe den 16. März datirten Gutachten.

Der Plan der Regierung in Betreff einer neuen Gesammt-
staatsverfassung bestand darin, daß der 1855 gegründeteNcichsrath künftig
in zwei Kammern, eine erste, aus wenigstens 30 vom König aus freiem Ermessen
auf Lebenszeit, und eine zweite, aus 60 zur Hälfte mittelbar, zu Hälfte unmittel¬
bar nach den bisherigen Regeln auf 6 Jahre gewählten Mitgliedern gebildet,
zerfallen sollte, daß alle Gesetze in gemeinschaftlichen Angelegenheiten diesen
beiden Kammern zur Beschlußnahme vorgelegt und denselben das Recht der
Initiative eingeräumt werdeu sollte, endlich daß der für die unmittelbaren
Wahlen zum Reichsrath geltende Census in Zukunft nur die Hälfte betragen
sollte.

* Der Ausschuß sagt hierzu: die letzte Ständeversammlung hat nachgewiesen,
daß die Selbständigkeit der einzelnen zur Monarchie vereinigten Länder mit
der Bildung einer gemeinschaftlichen Vertretung in einem konstitutionellen Ge¬
sammtorgan unvereinbar ist, und daß der bisherige Reichsrath auch dem An¬
spruch auf Gleichberechtigung dieser Länder nicht genügt, indem er den Dänen
eine feste Majorität sichert und andrerseits das auf Minoritütswahlen berech¬
ne Wahlgesetz es unmöglich macht, in den gewählten Mitgliedern eine wirk¬
liche Vertretung der Länder zu erkennen. Diese Bedenken sind von der Re-


Grenzbotcn II- 1S01, 1
Der Bericht des Ausschusses der holsteinischen Stände-
versmlttulung über die Verfassungsvorlagen.

Als sich vor einigen Wochen die Stände Holsteins versammelten, legte
die Regierung denselben drei wichtige Dinge vor: die Grundzüge einer neuen
Gcsammtstaatsvcrfassung, den Entwurf eines Gesetzes über die Stellung, die
Holstein hinsichtlich der gemeinschaftlichen Angelegenheiten der Monarchie in
der Zwischenzeit bis zur definitiven Ordnung des Gesammtstaats einnehmen
sollte, und eine neue Sonderversassung für das Herzogthum, Die Stande
wählten zur Begutachtung dieser drei Vorlagen einen Ausschuß, derselbe hat
jetzt gesprochen, und seine Kritik ist im Wesentlichen so ausgefallen, wie nach
der Lage der Dinge und der durch die Wahlen ausgedrückten Stimmung des
Landes erwartet werden mußte. Im Folgenden geben,wir einen Auszug aus
dem, Itzehoe den 16. März datirten Gutachten.

Der Plan der Regierung in Betreff einer neuen Gesammt-
staatsverfassung bestand darin, daß der 1855 gegründeteNcichsrath künftig
in zwei Kammern, eine erste, aus wenigstens 30 vom König aus freiem Ermessen
auf Lebenszeit, und eine zweite, aus 60 zur Hälfte mittelbar, zu Hälfte unmittel¬
bar nach den bisherigen Regeln auf 6 Jahre gewählten Mitgliedern gebildet,
zerfallen sollte, daß alle Gesetze in gemeinschaftlichen Angelegenheiten diesen
beiden Kammern zur Beschlußnahme vorgelegt und denselben das Recht der
Initiative eingeräumt werdeu sollte, endlich daß der für die unmittelbaren
Wahlen zum Reichsrath geltende Census in Zukunft nur die Hälfte betragen
sollte.

* Der Ausschuß sagt hierzu: die letzte Ständeversammlung hat nachgewiesen,
daß die Selbständigkeit der einzelnen zur Monarchie vereinigten Länder mit
der Bildung einer gemeinschaftlichen Vertretung in einem konstitutionellen Ge¬
sammtorgan unvereinbar ist, und daß der bisherige Reichsrath auch dem An¬
spruch auf Gleichberechtigung dieser Länder nicht genügt, indem er den Dänen
eine feste Majorität sichert und andrerseits das auf Minoritütswahlen berech¬
ne Wahlgesetz es unmöglich macht, in den gewählten Mitgliedern eine wirk¬
liche Vertretung der Länder zu erkennen. Diese Bedenken sind von der Re-


Grenzbotcn II- 1S01, 1
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[0011] Der Bericht des Ausschusses der holsteinischen Stände- versmlttulung über die Verfassungsvorlagen. Als sich vor einigen Wochen die Stände Holsteins versammelten, legte die Regierung denselben drei wichtige Dinge vor: die Grundzüge einer neuen Gcsammtstaatsvcrfassung, den Entwurf eines Gesetzes über die Stellung, die Holstein hinsichtlich der gemeinschaftlichen Angelegenheiten der Monarchie in der Zwischenzeit bis zur definitiven Ordnung des Gesammtstaats einnehmen sollte, und eine neue Sonderversassung für das Herzogthum, Die Stande wählten zur Begutachtung dieser drei Vorlagen einen Ausschuß, derselbe hat jetzt gesprochen, und seine Kritik ist im Wesentlichen so ausgefallen, wie nach der Lage der Dinge und der durch die Wahlen ausgedrückten Stimmung des Landes erwartet werden mußte. Im Folgenden geben,wir einen Auszug aus dem, Itzehoe den 16. März datirten Gutachten. Der Plan der Regierung in Betreff einer neuen Gesammt- staatsverfassung bestand darin, daß der 1855 gegründeteNcichsrath künftig in zwei Kammern, eine erste, aus wenigstens 30 vom König aus freiem Ermessen auf Lebenszeit, und eine zweite, aus 60 zur Hälfte mittelbar, zu Hälfte unmittel¬ bar nach den bisherigen Regeln auf 6 Jahre gewählten Mitgliedern gebildet, zerfallen sollte, daß alle Gesetze in gemeinschaftlichen Angelegenheiten diesen beiden Kammern zur Beschlußnahme vorgelegt und denselben das Recht der Initiative eingeräumt werdeu sollte, endlich daß der für die unmittelbaren Wahlen zum Reichsrath geltende Census in Zukunft nur die Hälfte betragen sollte. * Der Ausschuß sagt hierzu: die letzte Ständeversammlung hat nachgewiesen, daß die Selbständigkeit der einzelnen zur Monarchie vereinigten Länder mit der Bildung einer gemeinschaftlichen Vertretung in einem konstitutionellen Ge¬ sammtorgan unvereinbar ist, und daß der bisherige Reichsrath auch dem An¬ spruch auf Gleichberechtigung dieser Länder nicht genügt, indem er den Dänen eine feste Majorität sichert und andrerseits das auf Minoritütswahlen berech¬ ne Wahlgesetz es unmöglich macht, in den gewählten Mitgliedern eine wirk¬ liche Vertretung der Länder zu erkennen. Diese Bedenken sind von der Re- Grenzbotcn II- 1S01, 1

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/11>, abgerufen am 28.06.2024.