Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.ich dort in den Kasematten der Citadelle zu. Man hatte uns nach den Na¬ Nach den Bedingungen der Capitulation schuldet der päpstliche Stuhl M. v. A. Ans Kurhessen. Die zweite Kammer der neuen kurhcsfischcn Stände hat am 8. Dec, mit allen ich dort in den Kasematten der Citadelle zu. Man hatte uns nach den Na¬ Nach den Bedingungen der Capitulation schuldet der päpstliche Stuhl M. v. A. Ans Kurhessen. Die zweite Kammer der neuen kurhcsfischcn Stände hat am 8. Dec, mit allen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0489" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/110837"/> <p xml:id="ID_1469" prev="#ID_1468"> ich dort in den Kasematten der Citadelle zu. Man hatte uns nach den Na¬<lb/> tionalitäten von einander abgesondert. War unsre Verpflegung vorher schlecht<lb/> gewesen, so war sie jetzt ganz miserabel. Eine gewisse Gattung kleiner viel-<lb/> veiniger Thierchen begann zum Ueberfluß die Oberfläche unserer Haut zu kitzeln.<lb/> Der Festungs-Commandant stellte uns am fünften Tage die Alternative, ent¬<lb/> weder in garibaldische oder piemontesische Dienste zu treten, oder nach unserer<lb/> Heimath befördert zu werden. Nur wenige nahmen das erstere an. Ich be¬<lb/> nutzte mit Vergnügen die Gelegenheit, denselben Abend mit einem an die<lb/> östreichische Grenze abgehenden Transporte abzufahren. Nach einer 24stündigen<lb/> langweiligen Fahrt unter Bedeckung der Nationalgarde langten wir in Pes-<lb/> chiero an, wo uns die Oestreicher freundlich empfingen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1470"> Nach den Bedingungen der Capitulation schuldet der päpstliche Stuhl<lb/> jedem Soldaten bei Auflösung der Armee ein Jahrgehalt. Diese Verpflichtung<lb/> kann also im gegenwärtigen Falle nicht als aufgehoben betrachtet werden,<lb/> uni so mehr als die Soldaten das Ihrige gethan, ihr Leben für die Sache des<lb/> Papstthums gewagt haben. Mögen auch die Finanzen der römischen Regierung<lb/> gegenwärtig stark in Anspruch genommen sein, so erscheint dies als keine Ent¬<lb/> schuldigung, daß diese nicht wenigstens an die in den verschiedenen katholischen<lb/> Ländern bestehenden Nunziaturen die betreffenden Instructionen ertheilt, an<lb/> welche sich die Betheiligten wenden können, wenigstens um eine Gewißheit<lb/> über die Art und Weise zu erlangen, wie man den gerechten Forderungen<lb/> genügen wolle. Es waren unter den von den Piemontesen gefangenen Sol¬<lb/> daten dieser Armee außerdem viele, welche 15, 20, ja selbst mehr Jahre dem<lb/> heiligen Vater gedient hatten, Leute, welche heute alt und zur Arbeit nicht<lb/> mehr recht geeignet sind, auch vielleicht nie eine Profession erlernt hatten. —<lb/> Gegen solche Leute ist die römische Regierung um so mehr verpflichtet, die Be¬<lb/> dingungen einzuhalten; sonst müssen jene, von Mitteln zur Rückreise nach<lb/> Rom entblößt, andern Staaten als Bettler zur Last fallen; wenigstens sind die<lb/> meisten als Bettler und durch Betteln in ihre respective Heimath gelangt.</p><lb/> <note type="byline"> M. v. A.</note><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Ans Kurhessen.</head><lb/> <p xml:id="ID_1471" next="#ID_1472"> Die zweite Kammer der neuen kurhcsfischcn Stände hat am 8. Dec, mit allen<lb/> gegen 7 Stimmen, und zwar gegen 7 Dorfbürgcrmeister, erklärt, „daß sie sich nicht<lb/> als rechtmäßige Landesvertretung anzusehen vermöge und deshalb auf Landtagsgeschäste<lb/> nicht eingehen könne;" sie hat ferner beschlossen, „eine Vorstellung um Se. Königl.<lb/> Hoheit den Kurfürsten zu richten, in welcher die Gesinnungen und Wünsche des Landes</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0489]
ich dort in den Kasematten der Citadelle zu. Man hatte uns nach den Na¬
tionalitäten von einander abgesondert. War unsre Verpflegung vorher schlecht
gewesen, so war sie jetzt ganz miserabel. Eine gewisse Gattung kleiner viel-
veiniger Thierchen begann zum Ueberfluß die Oberfläche unserer Haut zu kitzeln.
Der Festungs-Commandant stellte uns am fünften Tage die Alternative, ent¬
weder in garibaldische oder piemontesische Dienste zu treten, oder nach unserer
Heimath befördert zu werden. Nur wenige nahmen das erstere an. Ich be¬
nutzte mit Vergnügen die Gelegenheit, denselben Abend mit einem an die
östreichische Grenze abgehenden Transporte abzufahren. Nach einer 24stündigen
langweiligen Fahrt unter Bedeckung der Nationalgarde langten wir in Pes-
chiero an, wo uns die Oestreicher freundlich empfingen.
Nach den Bedingungen der Capitulation schuldet der päpstliche Stuhl
jedem Soldaten bei Auflösung der Armee ein Jahrgehalt. Diese Verpflichtung
kann also im gegenwärtigen Falle nicht als aufgehoben betrachtet werden,
uni so mehr als die Soldaten das Ihrige gethan, ihr Leben für die Sache des
Papstthums gewagt haben. Mögen auch die Finanzen der römischen Regierung
gegenwärtig stark in Anspruch genommen sein, so erscheint dies als keine Ent¬
schuldigung, daß diese nicht wenigstens an die in den verschiedenen katholischen
Ländern bestehenden Nunziaturen die betreffenden Instructionen ertheilt, an
welche sich die Betheiligten wenden können, wenigstens um eine Gewißheit
über die Art und Weise zu erlangen, wie man den gerechten Forderungen
genügen wolle. Es waren unter den von den Piemontesen gefangenen Sol¬
daten dieser Armee außerdem viele, welche 15, 20, ja selbst mehr Jahre dem
heiligen Vater gedient hatten, Leute, welche heute alt und zur Arbeit nicht
mehr recht geeignet sind, auch vielleicht nie eine Profession erlernt hatten. —
Gegen solche Leute ist die römische Regierung um so mehr verpflichtet, die Be¬
dingungen einzuhalten; sonst müssen jene, von Mitteln zur Rückreise nach
Rom entblößt, andern Staaten als Bettler zur Last fallen; wenigstens sind die
meisten als Bettler und durch Betteln in ihre respective Heimath gelangt.
M. v. A.
Ans Kurhessen.
Die zweite Kammer der neuen kurhcsfischcn Stände hat am 8. Dec, mit allen
gegen 7 Stimmen, und zwar gegen 7 Dorfbürgcrmeister, erklärt, „daß sie sich nicht
als rechtmäßige Landesvertretung anzusehen vermöge und deshalb auf Landtagsgeschäste
nicht eingehen könne;" sie hat ferner beschlossen, „eine Vorstellung um Se. Königl.
Hoheit den Kurfürsten zu richten, in welcher die Gesinnungen und Wünsche des Landes
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