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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.

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jeden Preis in Ordnung gebracht werden, grade wie eine desorganifirte Ar¬
mee; die eine wie die andre soll das Vaterland gegen auswärtige Feinde
vertheidigen, oder, was zuweilen noch schlimmer oder noch schwieriger ist,
K. M. mit Verbündeten cooperiren.




Alter Volksglaube und VMbrauch am Allerseelentage.
(2. November.)

Zwischen den altheidnischen Todtenopfern, welche dem Andenken der Ver¬
storbenen dargebracht wurden, und dem christlichen Allerseelentage läßt sich ein
Zusammenhang und Uebergang kaum verkennen und es dürfte die Behaup¬
tung nicht unstatthaft erscheinen, daß das Allerseelenfest, wie auch andere
christliche Feste und kirchliche Institutionen, zunächst aus heidnischen Gebräu¬
chen und Anschauungen hervorgegangen ist, gleichsam als eine verständige
Concession der christlichen Kirche an das alte, zähe Heidenthum.

Wem der hartnäckige Kampf zwischen der christlichen Kirche und dem
germanischen Heidenthum nicht- unbekannt ist, -- der wird natürlich finden,
daß auch in dem Todtencultus, welcher dem Heidenthum ebenfalls ein Be¬
dürfniß des menschlichen Herzens war, die alte Gewohnheit noch lange le¬
bendig blieb und daß sich die zum Christenthum bekehrten Völker nicht so¬
fort trennen konnten von dem Glauben und den Gebräuchen, unter denen
ihre Väter und Urväter selige Ruhe gefunden hatten. Noch heute sind unter
dem Volke bei den Begräbnissen und der Sorge für die Verstorbenen uralte
Sitten und uralter Glaube lebendig, welche ohne Zusammenhang mit kirch¬
lichen Einrichtungen und christlichen Anschauungen ihre Wurzel nur in der
heidnischen Vorzeit haben.

Der Todtencultus unserer ältesten Vorfahren, der heidnischen Germanen,
forderte neben andern Pflichten auch Opfer und Mahlzeiten an den Gräbern
der Verstorbenen und es beruhte die Nothwendigkeit dieser Opfer auf dem
Glauben an die persönliche Fortdauer der abgeschiednen Seelen, welche beim
Tode den Körper verlassend als Lufthauch zur Höhe emporstiegen. Fast in
jeder hervorragenden Aeußerung schädlicher oder segensreicher Naturkräfte
wurde das Wirken der geisterhaften Gewalten wahrgenommen, in den Phä-


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jeden Preis in Ordnung gebracht werden, grade wie eine desorganifirte Ar¬
mee; die eine wie die andre soll das Vaterland gegen auswärtige Feinde
vertheidigen, oder, was zuweilen noch schlimmer oder noch schwieriger ist,
K. M. mit Verbündeten cooperiren.




Alter Volksglaube und VMbrauch am Allerseelentage.
(2. November.)

Zwischen den altheidnischen Todtenopfern, welche dem Andenken der Ver¬
storbenen dargebracht wurden, und dem christlichen Allerseelentage läßt sich ein
Zusammenhang und Uebergang kaum verkennen und es dürfte die Behaup¬
tung nicht unstatthaft erscheinen, daß das Allerseelenfest, wie auch andere
christliche Feste und kirchliche Institutionen, zunächst aus heidnischen Gebräu¬
chen und Anschauungen hervorgegangen ist, gleichsam als eine verständige
Concession der christlichen Kirche an das alte, zähe Heidenthum.

Wem der hartnäckige Kampf zwischen der christlichen Kirche und dem
germanischen Heidenthum nicht- unbekannt ist, — der wird natürlich finden,
daß auch in dem Todtencultus, welcher dem Heidenthum ebenfalls ein Be¬
dürfniß des menschlichen Herzens war, die alte Gewohnheit noch lange le¬
bendig blieb und daß sich die zum Christenthum bekehrten Völker nicht so¬
fort trennen konnten von dem Glauben und den Gebräuchen, unter denen
ihre Väter und Urväter selige Ruhe gefunden hatten. Noch heute sind unter
dem Volke bei den Begräbnissen und der Sorge für die Verstorbenen uralte
Sitten und uralter Glaube lebendig, welche ohne Zusammenhang mit kirch¬
lichen Einrichtungen und christlichen Anschauungen ihre Wurzel nur in der
heidnischen Vorzeit haben.

Der Todtencultus unserer ältesten Vorfahren, der heidnischen Germanen,
forderte neben andern Pflichten auch Opfer und Mahlzeiten an den Gräbern
der Verstorbenen und es beruhte die Nothwendigkeit dieser Opfer auf dem
Glauben an die persönliche Fortdauer der abgeschiednen Seelen, welche beim
Tode den Körper verlassend als Lufthauch zur Höhe emporstiegen. Fast in
jeder hervorragenden Aeußerung schädlicher oder segensreicher Naturkräfte
wurde das Wirken der geisterhaften Gewalten wahrgenommen, in den Phä-


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[0263] jeden Preis in Ordnung gebracht werden, grade wie eine desorganifirte Ar¬ mee; die eine wie die andre soll das Vaterland gegen auswärtige Feinde vertheidigen, oder, was zuweilen noch schlimmer oder noch schwieriger ist, K. M. mit Verbündeten cooperiren. Alter Volksglaube und VMbrauch am Allerseelentage. (2. November.) Zwischen den altheidnischen Todtenopfern, welche dem Andenken der Ver¬ storbenen dargebracht wurden, und dem christlichen Allerseelentage läßt sich ein Zusammenhang und Uebergang kaum verkennen und es dürfte die Behaup¬ tung nicht unstatthaft erscheinen, daß das Allerseelenfest, wie auch andere christliche Feste und kirchliche Institutionen, zunächst aus heidnischen Gebräu¬ chen und Anschauungen hervorgegangen ist, gleichsam als eine verständige Concession der christlichen Kirche an das alte, zähe Heidenthum. Wem der hartnäckige Kampf zwischen der christlichen Kirche und dem germanischen Heidenthum nicht- unbekannt ist, — der wird natürlich finden, daß auch in dem Todtencultus, welcher dem Heidenthum ebenfalls ein Be¬ dürfniß des menschlichen Herzens war, die alte Gewohnheit noch lange le¬ bendig blieb und daß sich die zum Christenthum bekehrten Völker nicht so¬ fort trennen konnten von dem Glauben und den Gebräuchen, unter denen ihre Väter und Urväter selige Ruhe gefunden hatten. Noch heute sind unter dem Volke bei den Begräbnissen und der Sorge für die Verstorbenen uralte Sitten und uralter Glaube lebendig, welche ohne Zusammenhang mit kirch¬ lichen Einrichtungen und christlichen Anschauungen ihre Wurzel nur in der heidnischen Vorzeit haben. Der Todtencultus unserer ältesten Vorfahren, der heidnischen Germanen, forderte neben andern Pflichten auch Opfer und Mahlzeiten an den Gräbern der Verstorbenen und es beruhte die Nothwendigkeit dieser Opfer auf dem Glauben an die persönliche Fortdauer der abgeschiednen Seelen, welche beim Tode den Körper verlassend als Lufthauch zur Höhe emporstiegen. Fast in jeder hervorragenden Aeußerung schädlicher oder segensreicher Naturkräfte wurde das Wirken der geisterhaften Gewalten wahrgenommen, in den Phä- 32"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347/263>, abgerufen am 15.01.2025.