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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.

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Leiblich und die KirchenvereuiWng.

Oeuvres as I^ibinti?, xubliöss xour ta, xrsmiLrs lois ä'-rprös Iss mMusorits
origwinix avse notss se intracluotioirs >xar ^. ^ouclier as Oarsil.
?Aris, ?iriniu Diäöt krörss. 1. 2. --

Ueber die Art und Weise, wie diese neue Ausgabe der leibnitzischen
Werke eingerichtet ist. läßt sich soviel sagen, daß wir dies einem eignen Ar¬
tikel vorbehalten; für jetzt halten wir uns nur an die Sache. Die beiden
ersten Bände umfassen diejenigen Briefe und Denkschriften, welche sich auf die
Vereinigung der evangelischen mit der katholischen Kirche beziehn. Zum Ver¬
ständniß derselben einige einleitende Worte.

Im Laus des dreißigjährigen Krieges und mehr noch nach Beendigung
desselben war man in den höheren Kreisen der religiösen Zänkereien müde
geworden. Die Berührung zwischen den verschiedenen Völkern hatte freieren
Ansichten den Weg gebahnt, man fühlte schwer das Unglück,, welches die
Kirchenspaltung sowol in politischer als in wissenschaftlicher Beziehung über
Deutschland gebracht hatte; das gemüthliche Interesse an den religiösen For¬
men war in der allgemeinen Verwilderung mehr und mehr zu Grunde ge¬
gangen; die Fürsten und der Adel wurden durch eine immer tiefere Kluft
von dem sittlichen Leben des Volks getrennt. Aber die Theologen fuhren in
ihren Zänkereien unverändert fort, und die niedern Schichten der Gesellschaft
lauschten ihnen mit derselben Andacht wie vorher.

Nur eine von den protestantischen Universitäten schlug eine andre Rich¬
tung ein, die Helmstädter, geleitet durch den großen Theologen CaliMs.' Sie
gab sich ganz ernstlich dazu her, theils durch Schriften und Predigten, theils
im Verein mit den liberaler gesinnten Fürsten in öffentlichen und geheimen
Verhandlungen an der Wiederversöhnung der drei getrennten Kirchen zu ar¬
beiten: in Bezug auf die Dogmatik sollte man die streitigen Punkte dem Ge¬
wissen jedes Einzelnen überlassen, in Bezug auf die Kirchenverfassung sollte
man sich gegenseitig Zugeständnisse machen. Das Unternehmen war verfrüht,
denn noch war die Masse zu sehr an das tägliche Brod der Dogmen und an
die Würze der Bannflüche gegen alle Ketzer gewöhnt, und das politische Le¬
ben war noch zu wenig ausgebildet, um Ersatz für diese gemüthliche Be¬
schäftigung zu bieten. Die Helmstädter, auch Synkretisicn genannt (die Kre¬
ter, sagt der Apostel, sind allesammt Lügner und faule Bäuche), wurden als


Grenzboten IV. 18L0, 2 l
Leiblich und die KirchenvereuiWng.

Oeuvres as I^ibinti?, xubliöss xour ta, xrsmiLrs lois ä'-rprös Iss mMusorits
origwinix avse notss se intracluotioirs >xar ^. ^ouclier as Oarsil.
?Aris, ?iriniu Diäöt krörss. 1. 2. —

Ueber die Art und Weise, wie diese neue Ausgabe der leibnitzischen
Werke eingerichtet ist. läßt sich soviel sagen, daß wir dies einem eignen Ar¬
tikel vorbehalten; für jetzt halten wir uns nur an die Sache. Die beiden
ersten Bände umfassen diejenigen Briefe und Denkschriften, welche sich auf die
Vereinigung der evangelischen mit der katholischen Kirche beziehn. Zum Ver¬
ständniß derselben einige einleitende Worte.

Im Laus des dreißigjährigen Krieges und mehr noch nach Beendigung
desselben war man in den höheren Kreisen der religiösen Zänkereien müde
geworden. Die Berührung zwischen den verschiedenen Völkern hatte freieren
Ansichten den Weg gebahnt, man fühlte schwer das Unglück,, welches die
Kirchenspaltung sowol in politischer als in wissenschaftlicher Beziehung über
Deutschland gebracht hatte; das gemüthliche Interesse an den religiösen For¬
men war in der allgemeinen Verwilderung mehr und mehr zu Grunde ge¬
gangen; die Fürsten und der Adel wurden durch eine immer tiefere Kluft
von dem sittlichen Leben des Volks getrennt. Aber die Theologen fuhren in
ihren Zänkereien unverändert fort, und die niedern Schichten der Gesellschaft
lauschten ihnen mit derselben Andacht wie vorher.

Nur eine von den protestantischen Universitäten schlug eine andre Rich¬
tung ein, die Helmstädter, geleitet durch den großen Theologen CaliMs.' Sie
gab sich ganz ernstlich dazu her, theils durch Schriften und Predigten, theils
im Verein mit den liberaler gesinnten Fürsten in öffentlichen und geheimen
Verhandlungen an der Wiederversöhnung der drei getrennten Kirchen zu ar¬
beiten: in Bezug auf die Dogmatik sollte man die streitigen Punkte dem Ge¬
wissen jedes Einzelnen überlassen, in Bezug auf die Kirchenverfassung sollte
man sich gegenseitig Zugeständnisse machen. Das Unternehmen war verfrüht,
denn noch war die Masse zu sehr an das tägliche Brod der Dogmen und an
die Würze der Bannflüche gegen alle Ketzer gewöhnt, und das politische Le¬
ben war noch zu wenig ausgebildet, um Ersatz für diese gemüthliche Be¬
schäftigung zu bieten. Die Helmstädter, auch Synkretisicn genannt (die Kre¬
ter, sagt der Apostel, sind allesammt Lügner und faule Bäuche), wurden als


Grenzboten IV. 18L0, 2 l
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[0173] Leiblich und die KirchenvereuiWng. Oeuvres as I^ibinti?, xubliöss xour ta, xrsmiLrs lois ä'-rprös Iss mMusorits origwinix avse notss se intracluotioirs >xar ^. ^ouclier as Oarsil. ?Aris, ?iriniu Diäöt krörss. 1. 2. — Ueber die Art und Weise, wie diese neue Ausgabe der leibnitzischen Werke eingerichtet ist. läßt sich soviel sagen, daß wir dies einem eignen Ar¬ tikel vorbehalten; für jetzt halten wir uns nur an die Sache. Die beiden ersten Bände umfassen diejenigen Briefe und Denkschriften, welche sich auf die Vereinigung der evangelischen mit der katholischen Kirche beziehn. Zum Ver¬ ständniß derselben einige einleitende Worte. Im Laus des dreißigjährigen Krieges und mehr noch nach Beendigung desselben war man in den höheren Kreisen der religiösen Zänkereien müde geworden. Die Berührung zwischen den verschiedenen Völkern hatte freieren Ansichten den Weg gebahnt, man fühlte schwer das Unglück,, welches die Kirchenspaltung sowol in politischer als in wissenschaftlicher Beziehung über Deutschland gebracht hatte; das gemüthliche Interesse an den religiösen For¬ men war in der allgemeinen Verwilderung mehr und mehr zu Grunde ge¬ gangen; die Fürsten und der Adel wurden durch eine immer tiefere Kluft von dem sittlichen Leben des Volks getrennt. Aber die Theologen fuhren in ihren Zänkereien unverändert fort, und die niedern Schichten der Gesellschaft lauschten ihnen mit derselben Andacht wie vorher. Nur eine von den protestantischen Universitäten schlug eine andre Rich¬ tung ein, die Helmstädter, geleitet durch den großen Theologen CaliMs.' Sie gab sich ganz ernstlich dazu her, theils durch Schriften und Predigten, theils im Verein mit den liberaler gesinnten Fürsten in öffentlichen und geheimen Verhandlungen an der Wiederversöhnung der drei getrennten Kirchen zu ar¬ beiten: in Bezug auf die Dogmatik sollte man die streitigen Punkte dem Ge¬ wissen jedes Einzelnen überlassen, in Bezug auf die Kirchenverfassung sollte man sich gegenseitig Zugeständnisse machen. Das Unternehmen war verfrüht, denn noch war die Masse zu sehr an das tägliche Brod der Dogmen und an die Würze der Bannflüche gegen alle Ketzer gewöhnt, und das politische Le¬ ben war noch zu wenig ausgebildet, um Ersatz für diese gemüthliche Be¬ schäftigung zu bieten. Die Helmstädter, auch Synkretisicn genannt (die Kre¬ ter, sagt der Apostel, sind allesammt Lügner und faule Bäuche), wurden als Grenzboten IV. 18L0, 2 l

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347/173>, abgerufen am 15.01.2025.