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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band.

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Memorandums stimmt im Wesentlichen überein mit den von uns an-
gegebenen Motiven der Beschlüsse. Mit besonderem Nachdruck ist darin
hervorgehoben, daß der Papst, insofern er sich als weltlicher Herrscher ge-
rire, ebensowohl Veränderungen, Beschreibungen seines Gebietes unterworfen
sein müsse, als jeder andere weltliche Herrscher. Während des Mittelalters
heißt es, haben die Päpste keine Souveränetät über die Romagna ausgeübt,
diese war bis zum 15. Jahrhundert wie das übrige Italien in Republiken
oder kleine Fürstenthümer getheilt. In dieser Zeit vertrieb Cäsar Borgia,
Sohn Alexanders VI. die Herrscher von Rimini, Forli, Jmola und Faenza,
und letztere wurden solcher Gestalt durch völlig weltliche Mittel zum Kirchen¬
staat geschlagen. Bologna nahm Julius der II. der Familie Bentivoglio
ab und Ferrara etwas später Clemens VIII. der Familie Este, welche vier
Jahrhunderte über dieses Gebiet regiert hatte. Zu Ende des 18. Jahrhun¬
derts trat der Papst im Vertrag von Tolentina die Legationen und die Mar¬
ken ab und diese Landestheile gehörten von da ab bis 1814 zur cisalpinischen
Republik und zum Königreich Italien. Nachdem wir nun die politische Thä¬
tigkeit in jedem einzelnen der vier Länder bis zum Anfange des Octobers ver¬
folgt haben, wollen wir weiter zunächst einen Blick auf die Schritte werfen,
welche gethan wurden, um die Vereinigung der Länder unter sich zu erzielen.




Sachsens Antheil an der Ausbildung der neuhochdeutschen
Sprache.

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Es ist ein wunderbarer Weg. auf dem Deutschland in der neuern Geschichte
seine Entwicklung vollbracht hat : es tritt in die neuere Zeit ein. wie ein ver¬
fallendes Gebäude, dessen Fugen allenthalben sich lockern. Zerbröckelung und
Abfall nach außen, vorschreitender Zerfall im Innern sind die Merkmale unserer
Geschichte schon im ersten Jahrhundert der neuern Zeit, und schon im 16. Jahr¬
hundert prophezeien Patrioten den Untergang des Vaterlandes. Und doch, in
eben dem Maße, wie seine äußere Einheit sich zersetzte, hat es sich, statt unterzu¬
gehen, eine innere Einheit aufgebaut, wie sie es vorher nie besessen, ein gei¬
stiges Vaterland, dessen Vollendung, Größe und Hoheit in ihrer neulichen
schönsten Offenbarung die Verwunderung und das Staunen, ja den Neid des
Auslandes erregt hat: das ist wol ein wunderbarer Weg der Entwicklung, das
ist die Arbeit einer eingebornen Kraft, welche zu den höchsten Leistungen be-
rufen ist. Den Fortschritt und das Gelingen dieser Arbeit stellt am deutlich-


13*

Memorandums stimmt im Wesentlichen überein mit den von uns an-
gegebenen Motiven der Beschlüsse. Mit besonderem Nachdruck ist darin
hervorgehoben, daß der Papst, insofern er sich als weltlicher Herrscher ge-
rire, ebensowohl Veränderungen, Beschreibungen seines Gebietes unterworfen
sein müsse, als jeder andere weltliche Herrscher. Während des Mittelalters
heißt es, haben die Päpste keine Souveränetät über die Romagna ausgeübt,
diese war bis zum 15. Jahrhundert wie das übrige Italien in Republiken
oder kleine Fürstenthümer getheilt. In dieser Zeit vertrieb Cäsar Borgia,
Sohn Alexanders VI. die Herrscher von Rimini, Forli, Jmola und Faenza,
und letztere wurden solcher Gestalt durch völlig weltliche Mittel zum Kirchen¬
staat geschlagen. Bologna nahm Julius der II. der Familie Bentivoglio
ab und Ferrara etwas später Clemens VIII. der Familie Este, welche vier
Jahrhunderte über dieses Gebiet regiert hatte. Zu Ende des 18. Jahrhun¬
derts trat der Papst im Vertrag von Tolentina die Legationen und die Mar¬
ken ab und diese Landestheile gehörten von da ab bis 1814 zur cisalpinischen
Republik und zum Königreich Italien. Nachdem wir nun die politische Thä¬
tigkeit in jedem einzelnen der vier Länder bis zum Anfange des Octobers ver¬
folgt haben, wollen wir weiter zunächst einen Blick auf die Schritte werfen,
welche gethan wurden, um die Vereinigung der Länder unter sich zu erzielen.




Sachsens Antheil an der Ausbildung der neuhochdeutschen
Sprache.

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Es ist ein wunderbarer Weg. auf dem Deutschland in der neuern Geschichte
seine Entwicklung vollbracht hat : es tritt in die neuere Zeit ein. wie ein ver¬
fallendes Gebäude, dessen Fugen allenthalben sich lockern. Zerbröckelung und
Abfall nach außen, vorschreitender Zerfall im Innern sind die Merkmale unserer
Geschichte schon im ersten Jahrhundert der neuern Zeit, und schon im 16. Jahr¬
hundert prophezeien Patrioten den Untergang des Vaterlandes. Und doch, in
eben dem Maße, wie seine äußere Einheit sich zersetzte, hat es sich, statt unterzu¬
gehen, eine innere Einheit aufgebaut, wie sie es vorher nie besessen, ein gei¬
stiges Vaterland, dessen Vollendung, Größe und Hoheit in ihrer neulichen
schönsten Offenbarung die Verwunderung und das Staunen, ja den Neid des
Auslandes erregt hat: das ist wol ein wunderbarer Weg der Entwicklung, das
ist die Arbeit einer eingebornen Kraft, welche zu den höchsten Leistungen be-
rufen ist. Den Fortschritt und das Gelingen dieser Arbeit stellt am deutlich-


13*
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[0111] Memorandums stimmt im Wesentlichen überein mit den von uns an- gegebenen Motiven der Beschlüsse. Mit besonderem Nachdruck ist darin hervorgehoben, daß der Papst, insofern er sich als weltlicher Herrscher ge- rire, ebensowohl Veränderungen, Beschreibungen seines Gebietes unterworfen sein müsse, als jeder andere weltliche Herrscher. Während des Mittelalters heißt es, haben die Päpste keine Souveränetät über die Romagna ausgeübt, diese war bis zum 15. Jahrhundert wie das übrige Italien in Republiken oder kleine Fürstenthümer getheilt. In dieser Zeit vertrieb Cäsar Borgia, Sohn Alexanders VI. die Herrscher von Rimini, Forli, Jmola und Faenza, und letztere wurden solcher Gestalt durch völlig weltliche Mittel zum Kirchen¬ staat geschlagen. Bologna nahm Julius der II. der Familie Bentivoglio ab und Ferrara etwas später Clemens VIII. der Familie Este, welche vier Jahrhunderte über dieses Gebiet regiert hatte. Zu Ende des 18. Jahrhun¬ derts trat der Papst im Vertrag von Tolentina die Legationen und die Mar¬ ken ab und diese Landestheile gehörten von da ab bis 1814 zur cisalpinischen Republik und zum Königreich Italien. Nachdem wir nun die politische Thä¬ tigkeit in jedem einzelnen der vier Länder bis zum Anfange des Octobers ver¬ folgt haben, wollen wir weiter zunächst einen Blick auf die Schritte werfen, welche gethan wurden, um die Vereinigung der Länder unter sich zu erzielen. Sachsens Antheil an der Ausbildung der neuhochdeutschen Sprache. »> Es ist ein wunderbarer Weg. auf dem Deutschland in der neuern Geschichte seine Entwicklung vollbracht hat : es tritt in die neuere Zeit ein. wie ein ver¬ fallendes Gebäude, dessen Fugen allenthalben sich lockern. Zerbröckelung und Abfall nach außen, vorschreitender Zerfall im Innern sind die Merkmale unserer Geschichte schon im ersten Jahrhundert der neuern Zeit, und schon im 16. Jahr¬ hundert prophezeien Patrioten den Untergang des Vaterlandes. Und doch, in eben dem Maße, wie seine äußere Einheit sich zersetzte, hat es sich, statt unterzu¬ gehen, eine innere Einheit aufgebaut, wie sie es vorher nie besessen, ein gei¬ stiges Vaterland, dessen Vollendung, Größe und Hoheit in ihrer neulichen schönsten Offenbarung die Verwunderung und das Staunen, ja den Neid des Auslandes erregt hat: das ist wol ein wunderbarer Weg der Entwicklung, das ist die Arbeit einer eingebornen Kraft, welche zu den höchsten Leistungen be- rufen ist. Den Fortschritt und das Gelingen dieser Arbeit stellt am deutlich- 13*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721/111>, abgerufen am 22.07.2024.