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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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in der Fremde entnationalisirt. Er würd eeinst mit Recht vertrieben, er wird
sich zurückgekehrt rächen wo er kann. Das sind Momente genug, um Arg'
wohn zu erregen und dem Fürsten von vornherein einen schlimmen Stand zu
bereiten. Indeß sind sie vorläufig wenigstens der russischen Unterstützung sicher-
und sie werden bedacht sein, sie sich nicht zu verscherzen, dafür aber auch den
russischen Interessen dienen müssen.




Die Zustände in Oestreichisch -Italien.

Ob die sardinischen Rüstungen ernst gemeint sind, ob die Heirath in Turin ein
Schutz- und Trutzbündniß zwischen Frankreich und Piemont bedeutet, wird die nächst
Zeit zeigen. Wir glauben hier (der Verfasser ist in Mailand), daß zunächst Friede
bleiben wird. Aus alle Falle ist die Lombardei jetzt vollkommen ruhig, und d"6
möchte bei dem sanguinischen Wesen der Italiener bedeuten, daß sie sobald r>va>
nichts zu hoffen haben. Ich benutze diese Pause, die mich Ihnen nichts von Ereign
rissen berichten läßt, noch einmal auf die Zustände hier zu Lande zurückzukommen'
Die Unzufriedenheit war in den letzten Monaten des verflossenen Jahres fast allgemein
geworden. Das strenge Rckrutirungsgcsctz, die Herabsetzung des Werthes einigt
Münzsorten, die Verwirrung, welche mit der Einführung der neuen Währung v^'
bunten war, in der alle Zahlungen an den Staat geschehen sollten, während kei^
andern Wcrthzeichen sichtbar wurden, und bei den alten ein nicht unbedeutender
Verlust stattfand; dies alles traf die gewerbetreibenden und ärmeren Classe"
der Bevölkerung relativ am härtesten und erzeugte in der Masse des Volks gi^
Erbitterung gegen die Regierung. In den andern Provinzen Oestreichs hatte rü""
die mit dem Uebergang zu einer andern Währung verbundenen Verluste leicht
verschmerzt, weil man dadurch eine Regelung der Valutaverhältnisse und eine Bess^
rung der Finanzlage des Staates angebahnt sah; in Italien fiel das Interesse
dem Wohle Gesammtöstreichs weg. Die piemontesischen Journale thaten das Jhr>^'
die Gemüther aufzustacheln; dazu kam die Sprache der französischen Blätter, rvel^
eine Betheiligung Frankreichs an den italienischen Angelegenheiten in Aussicht se^'
und indem sie Illusionen weckte, der anfänglichen Unzufriedenheit mit einzelnen ^'
gierungsmaßrcgeln einen revolutionären Charakter gab. Die Aufregung war best"'
ders bemerkbar in Mailand, so wie in den Städten der Lombardei; geringer
sie im Venetianischen, das Landvolk blieb theilnahmlos. Hervorzuheben ist bei die^
Stimmung der Bevölkerung, daß sie besser disciplinirt war als in den Jahren t^
und 1854; es erfolgte kein unzeitiger, unüberlegter Ausbruch, die Bewegung ^
organisirt, und erhielt ihre Leitung aus Piemont; dahin blickten die mana"
Jtälianissimi, nur wenn sie eines Beistandes von dorther und von Frankreich N^
waren, wollten sie losschlagen; bis dahin galt es durch Demonstrationen die H^^'
der östreichischen Regierung zu erproben und ,die Gemüther für die kommenden
cignisse vorzubereiten.


in der Fremde entnationalisirt. Er würd eeinst mit Recht vertrieben, er wird
sich zurückgekehrt rächen wo er kann. Das sind Momente genug, um Arg'
wohn zu erregen und dem Fürsten von vornherein einen schlimmen Stand zu
bereiten. Indeß sind sie vorläufig wenigstens der russischen Unterstützung sicher-
und sie werden bedacht sein, sie sich nicht zu verscherzen, dafür aber auch den
russischen Interessen dienen müssen.




Die Zustände in Oestreichisch -Italien.

Ob die sardinischen Rüstungen ernst gemeint sind, ob die Heirath in Turin ein
Schutz- und Trutzbündniß zwischen Frankreich und Piemont bedeutet, wird die nächst
Zeit zeigen. Wir glauben hier (der Verfasser ist in Mailand), daß zunächst Friede
bleiben wird. Aus alle Falle ist die Lombardei jetzt vollkommen ruhig, und d«6
möchte bei dem sanguinischen Wesen der Italiener bedeuten, daß sie sobald r>va>
nichts zu hoffen haben. Ich benutze diese Pause, die mich Ihnen nichts von Ereign
rissen berichten läßt, noch einmal auf die Zustände hier zu Lande zurückzukommen'
Die Unzufriedenheit war in den letzten Monaten des verflossenen Jahres fast allgemein
geworden. Das strenge Rckrutirungsgcsctz, die Herabsetzung des Werthes einigt
Münzsorten, die Verwirrung, welche mit der Einführung der neuen Währung v^'
bunten war, in der alle Zahlungen an den Staat geschehen sollten, während kei^
andern Wcrthzeichen sichtbar wurden, und bei den alten ein nicht unbedeutender
Verlust stattfand; dies alles traf die gewerbetreibenden und ärmeren Classe"
der Bevölkerung relativ am härtesten und erzeugte in der Masse des Volks gi^
Erbitterung gegen die Regierung. In den andern Provinzen Oestreichs hatte rü""
die mit dem Uebergang zu einer andern Währung verbundenen Verluste leicht
verschmerzt, weil man dadurch eine Regelung der Valutaverhältnisse und eine Bess^
rung der Finanzlage des Staates angebahnt sah; in Italien fiel das Interesse
dem Wohle Gesammtöstreichs weg. Die piemontesischen Journale thaten das Jhr>^'
die Gemüther aufzustacheln; dazu kam die Sprache der französischen Blätter, rvel^
eine Betheiligung Frankreichs an den italienischen Angelegenheiten in Aussicht se^'
und indem sie Illusionen weckte, der anfänglichen Unzufriedenheit mit einzelnen ^'
gierungsmaßrcgeln einen revolutionären Charakter gab. Die Aufregung war best"'
ders bemerkbar in Mailand, so wie in den Städten der Lombardei; geringer
sie im Venetianischen, das Landvolk blieb theilnahmlos. Hervorzuheben ist bei die^
Stimmung der Bevölkerung, daß sie besser disciplinirt war als in den Jahren t^
und 1854; es erfolgte kein unzeitiger, unüberlegter Ausbruch, die Bewegung ^
organisirt, und erhielt ihre Leitung aus Piemont; dahin blickten die mana»
Jtälianissimi, nur wenn sie eines Beistandes von dorther und von Frankreich N^
waren, wollten sie losschlagen; bis dahin galt es durch Demonstrationen die H^^'
der östreichischen Regierung zu erproben und ,die Gemüther für die kommenden
cignisse vorzubereiten.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/242>, abgerufen am 24.07.2024.