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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.

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lauten Jubel begleitet sein; und das reicht am Ende noch nicht aus, dem Bürger-
thum die politische Bildung abzusprechen. Uebrigens wollen wir uns für künftige
5 1' Fälle das heutige Datum notiren,




Der Krieg in Italien 1848--1849.

(Zuei-re 6e I'1näöpöuäg,nes iwlienns 1348 se en 1849 xa,r le
Illloa. 2 Lac., ?aris, IlaoliLtts Oomx. --

Unter den zahlreichen Büchern, die in neuester Zeit über den italienischen Krieg
von 1848 und 1849 erschienen sind, nimmt das vorliegende die erste Stelle ein.
Der politische Standpunkt des Verfassers geht uns hier nichts an; es handelt sich
nur um die Würdigung der militärischen Ereignisse. Was über einzelne strategische
Fehler bemerkt wird, mögen Sachkenner beurtheilen, das Ganze ist aber auch für
Laien sehr verständlich und belehrend eingerichtet, und von dem leitenden Gang der
beiden Feldzüge gewinnt man ein klares Bild.

Zur Erinnerung einige Daten. -- Aufstand in Mailand 18. März; RadctM
verläßt die Stadt 23. März und concentrirt die Armee, mit völligem Aufgeben der
Lombardei, im Fcstungsvicrcck Peschiera, Mantua, Verona, Legnano. Karl Albert
geht über den Tessin, 23. März, über den Mincio bei Goito. Peschiera wird ge¬
nommen 30. Mai, aber im Juli ergreift RadctM die Offensive, siegt bei Custozza
23--25 Juli; Karl Albert sucht Mailand zu halten, muß es 6. Aug. ausgeben,
und kehrt nach dem Waffenstillstand, 9. Aug. über den Tessin zurück.

Der Waffenstillstand wird 14. März 1849 auf Andrängen der kriegerischen
Partei gekündigt; Radchki geht über den Gravellvne 20. März, siegt bei Mortara
21. März, entscheidend bei Novara 23. März, Karl Albert dankt ab, Waffenstill¬
stand 26. März.

Was nun den ersten Feldzug betrifft, so zeigt der Verfasser, daß bei der mora¬
lischen Auflösung Oestreichs die Chance der Italiener gar nicht so ungünstig stand:
die Heere waren sich an Zahl ungefähr gewachsen, die Piemontesen haben sich gut
geschlagen -- freilich nicht ihre sonstigen Verbündeten. Das Unglück des Königs
war, daß er auf die "öffentliche Meinung" Rücksicht nahm, die, unbeschäftigt wie
sie war, mit großem Geschrei imponirende Thaten verlangte. Mit der Revolution
ein Bündniß zu schließen, ist immer ein Uebelstand, wenn man sie nicht beherrschen
kann; ob es damals überhaupt möglich gewesen, mag dahingestellt sein; jedenfalls
war Karl Albert nicht der Mann dazu. Er galt für einen tiefen, gefährlichen Po¬
litiker, und doch ist er fast in allen entscheidenden Momenten durch sein aufgeregtes
Gefühl bestimmt worden. -- Der zweite Feldzug war ein bloßer Ritterkrieg; mit
einer dcsorganisirten, zur Hälfte unbrauchbaren Armee unternommen; ohne irgend
eine Aussicht auf Hilfe. Karl Albert that einen Schritt der Verzweiflung -- für
einen Politiker freilich ein vernichtendes Urtheil. Aber die Sache hat doch eine


lauten Jubel begleitet sein; und das reicht am Ende noch nicht aus, dem Bürger-
thum die politische Bildung abzusprechen. Uebrigens wollen wir uns für künftige
5 1' Fälle das heutige Datum notiren,




Der Krieg in Italien 1848—1849.

(Zuei-re 6e I'1näöpöuäg,nes iwlienns 1348 se en 1849 xa,r le
Illloa. 2 Lac., ?aris, IlaoliLtts Oomx. —

Unter den zahlreichen Büchern, die in neuester Zeit über den italienischen Krieg
von 1848 und 1849 erschienen sind, nimmt das vorliegende die erste Stelle ein.
Der politische Standpunkt des Verfassers geht uns hier nichts an; es handelt sich
nur um die Würdigung der militärischen Ereignisse. Was über einzelne strategische
Fehler bemerkt wird, mögen Sachkenner beurtheilen, das Ganze ist aber auch für
Laien sehr verständlich und belehrend eingerichtet, und von dem leitenden Gang der
beiden Feldzüge gewinnt man ein klares Bild.

Zur Erinnerung einige Daten. — Aufstand in Mailand 18. März; RadctM
verläßt die Stadt 23. März und concentrirt die Armee, mit völligem Aufgeben der
Lombardei, im Fcstungsvicrcck Peschiera, Mantua, Verona, Legnano. Karl Albert
geht über den Tessin, 23. März, über den Mincio bei Goito. Peschiera wird ge¬
nommen 30. Mai, aber im Juli ergreift RadctM die Offensive, siegt bei Custozza
23—25 Juli; Karl Albert sucht Mailand zu halten, muß es 6. Aug. ausgeben,
und kehrt nach dem Waffenstillstand, 9. Aug. über den Tessin zurück.

Der Waffenstillstand wird 14. März 1849 auf Andrängen der kriegerischen
Partei gekündigt; Radchki geht über den Gravellvne 20. März, siegt bei Mortara
21. März, entscheidend bei Novara 23. März, Karl Albert dankt ab, Waffenstill¬
stand 26. März.

Was nun den ersten Feldzug betrifft, so zeigt der Verfasser, daß bei der mora¬
lischen Auflösung Oestreichs die Chance der Italiener gar nicht so ungünstig stand:
die Heere waren sich an Zahl ungefähr gewachsen, die Piemontesen haben sich gut
geschlagen — freilich nicht ihre sonstigen Verbündeten. Das Unglück des Königs
war, daß er auf die „öffentliche Meinung" Rücksicht nahm, die, unbeschäftigt wie
sie war, mit großem Geschrei imponirende Thaten verlangte. Mit der Revolution
ein Bündniß zu schließen, ist immer ein Uebelstand, wenn man sie nicht beherrschen
kann; ob es damals überhaupt möglich gewesen, mag dahingestellt sein; jedenfalls
war Karl Albert nicht der Mann dazu. Er galt für einen tiefen, gefährlichen Po¬
litiker, und doch ist er fast in allen entscheidenden Momenten durch sein aufgeregtes
Gefühl bestimmt worden. — Der zweite Feldzug war ein bloßer Ritterkrieg; mit
einer dcsorganisirten, zur Hälfte unbrauchbaren Armee unternommen; ohne irgend
eine Aussicht auf Hilfe. Karl Albert that einen Schritt der Verzweiflung — für
einen Politiker freilich ein vernichtendes Urtheil. Aber die Sache hat doch eine


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[0528] lauten Jubel begleitet sein; und das reicht am Ende noch nicht aus, dem Bürger- thum die politische Bildung abzusprechen. Uebrigens wollen wir uns für künftige 5 1' Fälle das heutige Datum notiren, Der Krieg in Italien 1848—1849. (Zuei-re 6e I'1näöpöuäg,nes iwlienns 1348 se en 1849 xa,r le Illloa. 2 Lac., ?aris, IlaoliLtts Oomx. — Unter den zahlreichen Büchern, die in neuester Zeit über den italienischen Krieg von 1848 und 1849 erschienen sind, nimmt das vorliegende die erste Stelle ein. Der politische Standpunkt des Verfassers geht uns hier nichts an; es handelt sich nur um die Würdigung der militärischen Ereignisse. Was über einzelne strategische Fehler bemerkt wird, mögen Sachkenner beurtheilen, das Ganze ist aber auch für Laien sehr verständlich und belehrend eingerichtet, und von dem leitenden Gang der beiden Feldzüge gewinnt man ein klares Bild. Zur Erinnerung einige Daten. — Aufstand in Mailand 18. März; RadctM verläßt die Stadt 23. März und concentrirt die Armee, mit völligem Aufgeben der Lombardei, im Fcstungsvicrcck Peschiera, Mantua, Verona, Legnano. Karl Albert geht über den Tessin, 23. März, über den Mincio bei Goito. Peschiera wird ge¬ nommen 30. Mai, aber im Juli ergreift RadctM die Offensive, siegt bei Custozza 23—25 Juli; Karl Albert sucht Mailand zu halten, muß es 6. Aug. ausgeben, und kehrt nach dem Waffenstillstand, 9. Aug. über den Tessin zurück. Der Waffenstillstand wird 14. März 1849 auf Andrängen der kriegerischen Partei gekündigt; Radchki geht über den Gravellvne 20. März, siegt bei Mortara 21. März, entscheidend bei Novara 23. März, Karl Albert dankt ab, Waffenstill¬ stand 26. März. Was nun den ersten Feldzug betrifft, so zeigt der Verfasser, daß bei der mora¬ lischen Auflösung Oestreichs die Chance der Italiener gar nicht so ungünstig stand: die Heere waren sich an Zahl ungefähr gewachsen, die Piemontesen haben sich gut geschlagen — freilich nicht ihre sonstigen Verbündeten. Das Unglück des Königs war, daß er auf die „öffentliche Meinung" Rücksicht nahm, die, unbeschäftigt wie sie war, mit großem Geschrei imponirende Thaten verlangte. Mit der Revolution ein Bündniß zu schließen, ist immer ein Uebelstand, wenn man sie nicht beherrschen kann; ob es damals überhaupt möglich gewesen, mag dahingestellt sein; jedenfalls war Karl Albert nicht der Mann dazu. Er galt für einen tiefen, gefährlichen Po¬ litiker, und doch ist er fast in allen entscheidenden Momenten durch sein aufgeregtes Gefühl bestimmt worden. — Der zweite Feldzug war ein bloßer Ritterkrieg; mit einer dcsorganisirten, zur Hälfte unbrauchbaren Armee unternommen; ohne irgend eine Aussicht auf Hilfe. Karl Albert that einen Schritt der Verzweiflung — für einen Politiker freilich ein vernichtendes Urtheil. Aber die Sache hat doch eine

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/528>, abgerufen am 22.12.2024.