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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.

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starkem Mißtrauen gegen die Motive des Kaisers von Frankreich dafür ge¬
sorgt, daß diese Concessionen auf das möglichst geringe Maß zurückgeführt
worden wären, denn damals galt es für sie vorzugsweise, bestehende Rechte
zu schützen. Jetzt, wo Oestreich selbst alles in Frage gestellt hat, tritt bei
einem Friedensschluß die Nothwendigkeit ein. die gestimmte italienische Frage
zu ordnen. Und deshalb bedarf Oestreich jetzt große militärische Erfolge, um
nur zu conserviren, was vor seinem Losbruch gar nicht bestritten war, und sein
kühner militärischer Angriff auf Piemont war. so scheint uns. eine große di¬
plomatische Niederlage. Selbst wenn das Letzte geschieht, was Oestreich wünscht,
wenn Preußen mit dem deutschen Bund über den Rhein zieht, den Kaiser
demüthigt, entthront, zum dritten Male in Paris einrückt, selbst in einem
solchen Fall wird, so besorgen wir, für Oestreich der Gewinn in Italien und
anderswo nicht groß sein.

Preußen aber hatte vollkommen Recht, daß es im Interesse Deutschlands
sowol, als in seiner Vermittlerrolle diesen Schritt seines Verbündeten als eine
gefährliche und folgenschwere Maßregel und einen politischen Fehler beurtheilte.

Preußens Aufgabe ist jetzt, als Führer Deutschlands zu bewirken, daß
Oestreichs nachtheilige Operation so viel als möglich gut gemacht werde, und
zu verhindern, daß nicht Frankreich alle die Vortheile für sich ernte, welche
ihm die politische Situation darbietet.


?

Darüber der nächste Artikel.




Karoline von Fenchtersleben.
Eine Episode aus dem Leben Jean Pauls.

Die wunderlichen Liebesbeziehungen unserer classischen Zeit treten nirgend
so charakteristisch hervor, als in dem Leben Jean Pauls. Wir haben seine
Verhältnisse zu Frau von Kalb beleuchtet; und diese war bereits in der Reihe
seiner großen Leidenschaften die fünfte oder sechste; die Dame, von der wir
heute handeln, löste sie ab. Das Merkwürdigste an der Sache sind nicht die
Beziehungen selbst, sondern die gleichsam geschäftsmäßige Vollständigkeit,
mit der er seinem Freund Otto Bericht abstattet.

Müde jener großen Passion, schreibt er aus Weimar. 6. März 1799 , an


starkem Mißtrauen gegen die Motive des Kaisers von Frankreich dafür ge¬
sorgt, daß diese Concessionen auf das möglichst geringe Maß zurückgeführt
worden wären, denn damals galt es für sie vorzugsweise, bestehende Rechte
zu schützen. Jetzt, wo Oestreich selbst alles in Frage gestellt hat, tritt bei
einem Friedensschluß die Nothwendigkeit ein. die gestimmte italienische Frage
zu ordnen. Und deshalb bedarf Oestreich jetzt große militärische Erfolge, um
nur zu conserviren, was vor seinem Losbruch gar nicht bestritten war, und sein
kühner militärischer Angriff auf Piemont war. so scheint uns. eine große di¬
plomatische Niederlage. Selbst wenn das Letzte geschieht, was Oestreich wünscht,
wenn Preußen mit dem deutschen Bund über den Rhein zieht, den Kaiser
demüthigt, entthront, zum dritten Male in Paris einrückt, selbst in einem
solchen Fall wird, so besorgen wir, für Oestreich der Gewinn in Italien und
anderswo nicht groß sein.

Preußen aber hatte vollkommen Recht, daß es im Interesse Deutschlands
sowol, als in seiner Vermittlerrolle diesen Schritt seines Verbündeten als eine
gefährliche und folgenschwere Maßregel und einen politischen Fehler beurtheilte.

Preußens Aufgabe ist jetzt, als Führer Deutschlands zu bewirken, daß
Oestreichs nachtheilige Operation so viel als möglich gut gemacht werde, und
zu verhindern, daß nicht Frankreich alle die Vortheile für sich ernte, welche
ihm die politische Situation darbietet.


?

Darüber der nächste Artikel.




Karoline von Fenchtersleben.
Eine Episode aus dem Leben Jean Pauls.

Die wunderlichen Liebesbeziehungen unserer classischen Zeit treten nirgend
so charakteristisch hervor, als in dem Leben Jean Pauls. Wir haben seine
Verhältnisse zu Frau von Kalb beleuchtet; und diese war bereits in der Reihe
seiner großen Leidenschaften die fünfte oder sechste; die Dame, von der wir
heute handeln, löste sie ab. Das Merkwürdigste an der Sache sind nicht die
Beziehungen selbst, sondern die gleichsam geschäftsmäßige Vollständigkeit,
mit der er seinem Freund Otto Bericht abstattet.

Müde jener großen Passion, schreibt er aus Weimar. 6. März 1799 , an


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[0380] starkem Mißtrauen gegen die Motive des Kaisers von Frankreich dafür ge¬ sorgt, daß diese Concessionen auf das möglichst geringe Maß zurückgeführt worden wären, denn damals galt es für sie vorzugsweise, bestehende Rechte zu schützen. Jetzt, wo Oestreich selbst alles in Frage gestellt hat, tritt bei einem Friedensschluß die Nothwendigkeit ein. die gestimmte italienische Frage zu ordnen. Und deshalb bedarf Oestreich jetzt große militärische Erfolge, um nur zu conserviren, was vor seinem Losbruch gar nicht bestritten war, und sein kühner militärischer Angriff auf Piemont war. so scheint uns. eine große di¬ plomatische Niederlage. Selbst wenn das Letzte geschieht, was Oestreich wünscht, wenn Preußen mit dem deutschen Bund über den Rhein zieht, den Kaiser demüthigt, entthront, zum dritten Male in Paris einrückt, selbst in einem solchen Fall wird, so besorgen wir, für Oestreich der Gewinn in Italien und anderswo nicht groß sein. Preußen aber hatte vollkommen Recht, daß es im Interesse Deutschlands sowol, als in seiner Vermittlerrolle diesen Schritt seines Verbündeten als eine gefährliche und folgenschwere Maßregel und einen politischen Fehler beurtheilte. Preußens Aufgabe ist jetzt, als Führer Deutschlands zu bewirken, daß Oestreichs nachtheilige Operation so viel als möglich gut gemacht werde, und zu verhindern, daß nicht Frankreich alle die Vortheile für sich ernte, welche ihm die politische Situation darbietet. ? Darüber der nächste Artikel. Karoline von Fenchtersleben. Eine Episode aus dem Leben Jean Pauls. Die wunderlichen Liebesbeziehungen unserer classischen Zeit treten nirgend so charakteristisch hervor, als in dem Leben Jean Pauls. Wir haben seine Verhältnisse zu Frau von Kalb beleuchtet; und diese war bereits in der Reihe seiner großen Leidenschaften die fünfte oder sechste; die Dame, von der wir heute handeln, löste sie ab. Das Merkwürdigste an der Sache sind nicht die Beziehungen selbst, sondern die gleichsam geschäftsmäßige Vollständigkeit, mit der er seinem Freund Otto Bericht abstattet. Müde jener großen Passion, schreibt er aus Weimar. 6. März 1799 , an

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/380>, abgerufen am 22.12.2024.