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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.

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des Schulwesens mit tausend Gulden Gehalt und einer Pension für Wittwe
und Kinder angestellt, mit der ausdrücklichen Erlaubniß, die Redaction der
Allgemeinen Zeitung fortzusetzen. "Allen Sündern/' schrieb Therese jubelnd, in¬
dem sie ihre Ankunft anzeigt, "soll vergeben, und die Hölle nicht mehr sein!"
Den 15. April starb der Vater, 78 Jahr alt; die Regulirung der Erbschaft
erforderte Hubers Anwesenheit in Leipzig. So sah er nun Sept. 1804 als
gemachter Mann die Stadt wieder, die er vor elf Jahren unter so zweifel¬
haften Umständen verlassen. In Göttingen hatte er noch Gelegenheit, seinem
Schwiegervater Heyne sein Schauspiel "der natürliche Sohn" vorzulesen. In
den ersten Tagen des November kehrte er zu den Seinen zurück, mit frohster
Aussicht auf die Zukunft, als ihn ein plötzliches Lungenleiden überfiel; schon
den 10. Dec. mußte er seine Arbeit einstellen, den 24. Dec. 1804 verschied
er. vierzig Jahr und vier Monate alt. -- "Hubers Tod," schreibt Schiller an
Körner 20. Jan. 1805, "wird euch so wie auch mich sehr betroffen haben,
und ich mag jetzt noch nicht gern daran denken. Wer hätte das erwartet,
daß er uns zuerst verlassen müßte! Denn ob wir gleich außer Verbindung mit
ihm waren, so lebte er doch nur für uns und war an zu schöne Zeiten unsers
Lebens gebunden, um uns gleichgiltig zu sein. Ich bin gewiß, daß ihr
jetzt auch sein großes Unrecht gegen euch gelinder beurtheilt; er hat es ge¬
wiß tief empfunden und hart gebüßt." -- Nur wenige Monate darauf starb
Schiller selbst.




In Sachen des Zauberers von Rom.

Nur ungern gehen wir heute an die weitere Erörterung eines Gegen¬
standes, der, an sich schon unerquicklich genug, doppelt unbequem wird in einer
Zeit, wo es sich um einen ganz andern Zauberer handelt als den von Rom;
wo unwillkürlich die Gedanken nach einer andern Richtung hinschweifen als
nach der Analyse eines schlechten Romans. Die Schuld dieser Unbequemlich¬
keit bürden wir aber ganz und gar dem Verfasser des genannten Romans
auf. Seit einem halben Jahr haben wir den dreistesten Provocationen mit
Gelassenheit zugesehn, indem wir uns eine bestimmte Grenze steckten, die nun
überschritten ist. Wenn sich sonst Dr. Gutzkow damit begnügte, in den ihm


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des Schulwesens mit tausend Gulden Gehalt und einer Pension für Wittwe
und Kinder angestellt, mit der ausdrücklichen Erlaubniß, die Redaction der
Allgemeinen Zeitung fortzusetzen. „Allen Sündern/' schrieb Therese jubelnd, in¬
dem sie ihre Ankunft anzeigt, „soll vergeben, und die Hölle nicht mehr sein!"
Den 15. April starb der Vater, 78 Jahr alt; die Regulirung der Erbschaft
erforderte Hubers Anwesenheit in Leipzig. So sah er nun Sept. 1804 als
gemachter Mann die Stadt wieder, die er vor elf Jahren unter so zweifel¬
haften Umständen verlassen. In Göttingen hatte er noch Gelegenheit, seinem
Schwiegervater Heyne sein Schauspiel „der natürliche Sohn" vorzulesen. In
den ersten Tagen des November kehrte er zu den Seinen zurück, mit frohster
Aussicht auf die Zukunft, als ihn ein plötzliches Lungenleiden überfiel; schon
den 10. Dec. mußte er seine Arbeit einstellen, den 24. Dec. 1804 verschied
er. vierzig Jahr und vier Monate alt. — „Hubers Tod," schreibt Schiller an
Körner 20. Jan. 1805, „wird euch so wie auch mich sehr betroffen haben,
und ich mag jetzt noch nicht gern daran denken. Wer hätte das erwartet,
daß er uns zuerst verlassen müßte! Denn ob wir gleich außer Verbindung mit
ihm waren, so lebte er doch nur für uns und war an zu schöne Zeiten unsers
Lebens gebunden, um uns gleichgiltig zu sein. Ich bin gewiß, daß ihr
jetzt auch sein großes Unrecht gegen euch gelinder beurtheilt; er hat es ge¬
wiß tief empfunden und hart gebüßt." — Nur wenige Monate darauf starb
Schiller selbst.




In Sachen des Zauberers von Rom.

Nur ungern gehen wir heute an die weitere Erörterung eines Gegen¬
standes, der, an sich schon unerquicklich genug, doppelt unbequem wird in einer
Zeit, wo es sich um einen ganz andern Zauberer handelt als den von Rom;
wo unwillkürlich die Gedanken nach einer andern Richtung hinschweifen als
nach der Analyse eines schlechten Romans. Die Schuld dieser Unbequemlich¬
keit bürden wir aber ganz und gar dem Verfasser des genannten Romans
auf. Seit einem halben Jahr haben wir den dreistesten Provocationen mit
Gelassenheit zugesehn, indem wir uns eine bestimmte Grenze steckten, die nun
überschritten ist. Wenn sich sonst Dr. Gutzkow damit begnügte, in den ihm


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[0277] des Schulwesens mit tausend Gulden Gehalt und einer Pension für Wittwe und Kinder angestellt, mit der ausdrücklichen Erlaubniß, die Redaction der Allgemeinen Zeitung fortzusetzen. „Allen Sündern/' schrieb Therese jubelnd, in¬ dem sie ihre Ankunft anzeigt, „soll vergeben, und die Hölle nicht mehr sein!" Den 15. April starb der Vater, 78 Jahr alt; die Regulirung der Erbschaft erforderte Hubers Anwesenheit in Leipzig. So sah er nun Sept. 1804 als gemachter Mann die Stadt wieder, die er vor elf Jahren unter so zweifel¬ haften Umständen verlassen. In Göttingen hatte er noch Gelegenheit, seinem Schwiegervater Heyne sein Schauspiel „der natürliche Sohn" vorzulesen. In den ersten Tagen des November kehrte er zu den Seinen zurück, mit frohster Aussicht auf die Zukunft, als ihn ein plötzliches Lungenleiden überfiel; schon den 10. Dec. mußte er seine Arbeit einstellen, den 24. Dec. 1804 verschied er. vierzig Jahr und vier Monate alt. — „Hubers Tod," schreibt Schiller an Körner 20. Jan. 1805, „wird euch so wie auch mich sehr betroffen haben, und ich mag jetzt noch nicht gern daran denken. Wer hätte das erwartet, daß er uns zuerst verlassen müßte! Denn ob wir gleich außer Verbindung mit ihm waren, so lebte er doch nur für uns und war an zu schöne Zeiten unsers Lebens gebunden, um uns gleichgiltig zu sein. Ich bin gewiß, daß ihr jetzt auch sein großes Unrecht gegen euch gelinder beurtheilt; er hat es ge¬ wiß tief empfunden und hart gebüßt." — Nur wenige Monate darauf starb Schiller selbst. In Sachen des Zauberers von Rom. Nur ungern gehen wir heute an die weitere Erörterung eines Gegen¬ standes, der, an sich schon unerquicklich genug, doppelt unbequem wird in einer Zeit, wo es sich um einen ganz andern Zauberer handelt als den von Rom; wo unwillkürlich die Gedanken nach einer andern Richtung hinschweifen als nach der Analyse eines schlechten Romans. Die Schuld dieser Unbequemlich¬ keit bürden wir aber ganz und gar dem Verfasser des genannten Romans auf. Seit einem halben Jahr haben wir den dreistesten Provocationen mit Gelassenheit zugesehn, indem wir uns eine bestimmte Grenze steckten, die nun überschritten ist. Wenn sich sonst Dr. Gutzkow damit begnügte, in den ihm 34*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/277>, abgerufen am 22.12.2024.