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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.

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Ferdinand und Therese Huber.
2.

Die Hingebung an Therese war ein Verrath an Dora; mit dem ganzen
Zorn eines schwerverletzten edlen Gemüths wandte sich Körner von Huber ab.
"Die Entwicklung der Huberschen Angelegenheit, schreibt Schiller an Körner
21. Sept. 1792, ist mir recht tröstlich. Der unangenehme Eindruck wird sich
verlieren und Dora wird sich zuletzt ihrer Freiheit erfreuen. Eine vorüber¬
gehende, oder noch lieber eine bleibende Herzensangelegenheit (Schiller hatte
schon April 1790 dazu gerathen) sollte jetzt dazwischentreten, oder wenn das
nicht angeht, sollte Dora wieder eine Herzogin von Kurland finden und in
den Wirbel der Gesellschaft gezogen werden. Huber hat sich benommen, wie
zu erwarten war, ohne Charakter, ohne alle Männlichkeit. Ich bin nicht
überrascht, und er hat auch bei mir weiter nichts dadurch verloren, denn
auf denjenigen Werth, den Grundsätze und Stärke des Geistes geben, mußte
man bei ihm Verzicht thun. Er bleibt, was er ist, ein raisonnirender Weich¬
ling und ein gutmüthiger Egoist." -- 28. Febr. 1793. "Die Nachricht von
Huber hat mich erschreckt. Er ist auf dem Wege, einen höchst unglücklichen
Schritt zu thun. Es ist mit Gewißheit vorauszusehn, daß beide Leute sich
im ersten halben Jahr unerträglich sein werden. Und dann noch seinen Ab¬
schied zu fordern! Vielleicht hofft er bei einer Universität unterzukommen?
Aber er hat ja nichts gelernt. -- In Dresden geht er den empfindlichsten
Kränkungen entgegen. Zu euch darf er ganz und gar nicht, das wird sich
ihm, denk ich. begreiflich machen lassen." -- 15. März. "H. war zwei Tage
hier; ich habe ihn wenig allein sprechen können. Seiner Aeußerung nach ist
der Schritt, seine Entlassung betreffend, eine geschehene Sache, die sich nicht
ändern läßt und die er für Uebereilung erkennt . . . Ueber seine Verbindung
mit der Forster ist sein Entschluß gefaßt ... Du hast keinen Besuch von
ihm zu fürchten; er hat es begriffen, daß er dich nicht sehen kann. Aber
nach Dresden muß er, wie er sagt,. . . Ueber Dora hat er kein Wort ver¬
loren, und ich auch nicht. (Die Auslieferung ihrer Briefe verlangte S.
schriftlich) ... Ich denke, du solltest und könntest ihn jetzt vergessen. Dir
selbst hast du darüber, daß du ihn besser beurtheiltest als er verdiente, keine
Vorwürfe zu machen. Der Irrthum war sehr verzeihlich, und seine Folgen
sollen, wie ich hoffe, nicht so schlimm sein, als deine jetzige leidenschaftliche
Stimmung dich fürchten läßt. Dora weiß jetzt genug, um sich zu seinem
Verlust Glück zu wünschen. Sie wird ihn vergessen, und du wirst dazu bei¬
tragen, ihr dieses zu erleichtern." -- 22. März. "Von nun an könnt ihr


Ferdinand und Therese Huber.
2.

Die Hingebung an Therese war ein Verrath an Dora; mit dem ganzen
Zorn eines schwerverletzten edlen Gemüths wandte sich Körner von Huber ab.
„Die Entwicklung der Huberschen Angelegenheit, schreibt Schiller an Körner
21. Sept. 1792, ist mir recht tröstlich. Der unangenehme Eindruck wird sich
verlieren und Dora wird sich zuletzt ihrer Freiheit erfreuen. Eine vorüber¬
gehende, oder noch lieber eine bleibende Herzensangelegenheit (Schiller hatte
schon April 1790 dazu gerathen) sollte jetzt dazwischentreten, oder wenn das
nicht angeht, sollte Dora wieder eine Herzogin von Kurland finden und in
den Wirbel der Gesellschaft gezogen werden. Huber hat sich benommen, wie
zu erwarten war, ohne Charakter, ohne alle Männlichkeit. Ich bin nicht
überrascht, und er hat auch bei mir weiter nichts dadurch verloren, denn
auf denjenigen Werth, den Grundsätze und Stärke des Geistes geben, mußte
man bei ihm Verzicht thun. Er bleibt, was er ist, ein raisonnirender Weich¬
ling und ein gutmüthiger Egoist." — 28. Febr. 1793. „Die Nachricht von
Huber hat mich erschreckt. Er ist auf dem Wege, einen höchst unglücklichen
Schritt zu thun. Es ist mit Gewißheit vorauszusehn, daß beide Leute sich
im ersten halben Jahr unerträglich sein werden. Und dann noch seinen Ab¬
schied zu fordern! Vielleicht hofft er bei einer Universität unterzukommen?
Aber er hat ja nichts gelernt. — In Dresden geht er den empfindlichsten
Kränkungen entgegen. Zu euch darf er ganz und gar nicht, das wird sich
ihm, denk ich. begreiflich machen lassen." — 15. März. „H. war zwei Tage
hier; ich habe ihn wenig allein sprechen können. Seiner Aeußerung nach ist
der Schritt, seine Entlassung betreffend, eine geschehene Sache, die sich nicht
ändern läßt und die er für Uebereilung erkennt . . . Ueber seine Verbindung
mit der Forster ist sein Entschluß gefaßt ... Du hast keinen Besuch von
ihm zu fürchten; er hat es begriffen, daß er dich nicht sehen kann. Aber
nach Dresden muß er, wie er sagt,. . . Ueber Dora hat er kein Wort ver¬
loren, und ich auch nicht. (Die Auslieferung ihrer Briefe verlangte S.
schriftlich) ... Ich denke, du solltest und könntest ihn jetzt vergessen. Dir
selbst hast du darüber, daß du ihn besser beurtheiltest als er verdiente, keine
Vorwürfe zu machen. Der Irrthum war sehr verzeihlich, und seine Folgen
sollen, wie ich hoffe, nicht so schlimm sein, als deine jetzige leidenschaftliche
Stimmung dich fürchten läßt. Dora weiß jetzt genug, um sich zu seinem
Verlust Glück zu wünschen. Sie wird ihn vergessen, und du wirst dazu bei¬
tragen, ihr dieses zu erleichtern." — 22. März. „Von nun an könnt ihr


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[0264] Ferdinand und Therese Huber. 2. Die Hingebung an Therese war ein Verrath an Dora; mit dem ganzen Zorn eines schwerverletzten edlen Gemüths wandte sich Körner von Huber ab. „Die Entwicklung der Huberschen Angelegenheit, schreibt Schiller an Körner 21. Sept. 1792, ist mir recht tröstlich. Der unangenehme Eindruck wird sich verlieren und Dora wird sich zuletzt ihrer Freiheit erfreuen. Eine vorüber¬ gehende, oder noch lieber eine bleibende Herzensangelegenheit (Schiller hatte schon April 1790 dazu gerathen) sollte jetzt dazwischentreten, oder wenn das nicht angeht, sollte Dora wieder eine Herzogin von Kurland finden und in den Wirbel der Gesellschaft gezogen werden. Huber hat sich benommen, wie zu erwarten war, ohne Charakter, ohne alle Männlichkeit. Ich bin nicht überrascht, und er hat auch bei mir weiter nichts dadurch verloren, denn auf denjenigen Werth, den Grundsätze und Stärke des Geistes geben, mußte man bei ihm Verzicht thun. Er bleibt, was er ist, ein raisonnirender Weich¬ ling und ein gutmüthiger Egoist." — 28. Febr. 1793. „Die Nachricht von Huber hat mich erschreckt. Er ist auf dem Wege, einen höchst unglücklichen Schritt zu thun. Es ist mit Gewißheit vorauszusehn, daß beide Leute sich im ersten halben Jahr unerträglich sein werden. Und dann noch seinen Ab¬ schied zu fordern! Vielleicht hofft er bei einer Universität unterzukommen? Aber er hat ja nichts gelernt. — In Dresden geht er den empfindlichsten Kränkungen entgegen. Zu euch darf er ganz und gar nicht, das wird sich ihm, denk ich. begreiflich machen lassen." — 15. März. „H. war zwei Tage hier; ich habe ihn wenig allein sprechen können. Seiner Aeußerung nach ist der Schritt, seine Entlassung betreffend, eine geschehene Sache, die sich nicht ändern läßt und die er für Uebereilung erkennt . . . Ueber seine Verbindung mit der Forster ist sein Entschluß gefaßt ... Du hast keinen Besuch von ihm zu fürchten; er hat es begriffen, daß er dich nicht sehen kann. Aber nach Dresden muß er, wie er sagt,. . . Ueber Dora hat er kein Wort ver¬ loren, und ich auch nicht. (Die Auslieferung ihrer Briefe verlangte S. schriftlich) ... Ich denke, du solltest und könntest ihn jetzt vergessen. Dir selbst hast du darüber, daß du ihn besser beurtheiltest als er verdiente, keine Vorwürfe zu machen. Der Irrthum war sehr verzeihlich, und seine Folgen sollen, wie ich hoffe, nicht so schlimm sein, als deine jetzige leidenschaftliche Stimmung dich fürchten läßt. Dora weiß jetzt genug, um sich zu seinem Verlust Glück zu wünschen. Sie wird ihn vergessen, und du wirst dazu bei¬ tragen, ihr dieses zu erleichtern." — 22. März. „Von nun an könnt ihr

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/264>, abgerufen am 22.12.2024.