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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.

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Oestreich aber soll gar dreien Herrn sich ganz widmen, Deutschland, Italien und dem
Osten, Ist es in seinem italienischen Besitzthum bedroht, so schreit es: zu Hilft!
ich bin eine rein deutsche Macht. Wankt seine Stellung im Osten, so ruft es: der
zu mir, sonst bricht die Revolution in Italien und Deutschland aus. Soll es mit
seiner Macht, seinem diplomatischen Gewicht, seinem Ansehn eine deutsche Sache
unterstützen, so hat es im Osten und in Italien zu thun; soll es im Osten die
Interessen Deutschlands fördern, so bindet ihm Italien die Hände. Es ist in der
Politik, was Herr Vielgcschrci in der Holbcinischcn Komödie, der stets unendlich viel
zu thun hat mit dem, was er nicht thun sollte und niemals Zeit hat zu thun, was
nöthig wäre. Es drängt aber dieser unselige Schwebezustand nothwendig zu Ver¬
folgung einer abgeschlossenen Hauspolitik, welche in keiner Weise großartige Gesichts¬
punkte erfassen, sondern einzig und allein in kleinern Gesichtskreisen sich bewegen muß,
die stets nur darauf abzielen, in ängstlicher Weise die Herrschaft des Kaiserhauses zu
erhallen und jede Volksregung zu unterdrücken." -- "Man schütze das Bundesgebiet
und erkläre, daß die geringste Verletzung dieses Bundesgebiets unmittelbar den Bundes-
kricg zur Folge haben werde; man bewaffne die Festungen, man mache die Eolonnc"
marschbereit. . . aber man halte sich auch streng an die Verpflichtungen der Bundes¬
verfassung . . . Oder soll der deutsche Bund beständig in die Lage gesetzt werden,
seine militärischen Kräfte zum Schutz für Gebietsteile aufrecht zu erhalten, die ihm
nur Verlegenheiten bereiten?" "Von diesen Gebieten hat Deutschland keinen andern
Vortheil gehabt, als Schwächung seiner Macht, als Zerrüttung seiner innern Ver¬
hältnisse." "Man sollte doch aus Erfahrung wissen, daß noch niemals bei politischer
Ebbe eine Aenderung in den Zuständen Deutschlands erreicht werden konnte."
"Betrachte ich die Bewegung in Deutschland, so finde ich darin eine außerordentlich
schöne und erhebende Seite neben mannigfachen unlautern Elementen (ultramonta-
nen!), welche sie zu schlechten Zwecken auszubeuten suchen: das nationale Gefühl,
die Einsicht der Nothwendigkeit, daß Deutschland als Ganzes sich eine Weltstellung
erringen müsse." -- Diese Einsicht zu befriedigen, ist jetzt hauptsächlich in die Hand
Preußens gelegt, und die bisherigen Schritte der Regierung lassen uns hoffen daß
,
t 5 sie ihre Ausgabe richtig begreift.




Briefe von Beethoven.
'

Im Sommer 1812 war Beethoven eine Badecur in Töplitz verordnet. Einer
der wenigen vornehmen Musikfreunde, mit welchen Beethoven in einem wahrhaft
herzlichen freundschaftlichen Verhältniß stand, Graf Franz von Brunswick,
der damals in Pesth lebte, hatte ebenfalls die Absicht, dort das Bad zu gebrauchen
und schrieb an Beethoven, um wegen einer gemeinschaftlichen Reise Verabredung zu
treffen. Hocherfreut antwortete ihm Beethoven am 18. Juni.


Oestreich aber soll gar dreien Herrn sich ganz widmen, Deutschland, Italien und dem
Osten, Ist es in seinem italienischen Besitzthum bedroht, so schreit es: zu Hilft!
ich bin eine rein deutsche Macht. Wankt seine Stellung im Osten, so ruft es: der
zu mir, sonst bricht die Revolution in Italien und Deutschland aus. Soll es mit
seiner Macht, seinem diplomatischen Gewicht, seinem Ansehn eine deutsche Sache
unterstützen, so hat es im Osten und in Italien zu thun; soll es im Osten die
Interessen Deutschlands fördern, so bindet ihm Italien die Hände. Es ist in der
Politik, was Herr Vielgcschrci in der Holbcinischcn Komödie, der stets unendlich viel
zu thun hat mit dem, was er nicht thun sollte und niemals Zeit hat zu thun, was
nöthig wäre. Es drängt aber dieser unselige Schwebezustand nothwendig zu Ver¬
folgung einer abgeschlossenen Hauspolitik, welche in keiner Weise großartige Gesichts¬
punkte erfassen, sondern einzig und allein in kleinern Gesichtskreisen sich bewegen muß,
die stets nur darauf abzielen, in ängstlicher Weise die Herrschaft des Kaiserhauses zu
erhallen und jede Volksregung zu unterdrücken." — „Man schütze das Bundesgebiet
und erkläre, daß die geringste Verletzung dieses Bundesgebiets unmittelbar den Bundes-
kricg zur Folge haben werde; man bewaffne die Festungen, man mache die Eolonnc»
marschbereit. . . aber man halte sich auch streng an die Verpflichtungen der Bundes¬
verfassung . . . Oder soll der deutsche Bund beständig in die Lage gesetzt werden,
seine militärischen Kräfte zum Schutz für Gebietsteile aufrecht zu erhalten, die ihm
nur Verlegenheiten bereiten?" „Von diesen Gebieten hat Deutschland keinen andern
Vortheil gehabt, als Schwächung seiner Macht, als Zerrüttung seiner innern Ver¬
hältnisse." „Man sollte doch aus Erfahrung wissen, daß noch niemals bei politischer
Ebbe eine Aenderung in den Zuständen Deutschlands erreicht werden konnte."
„Betrachte ich die Bewegung in Deutschland, so finde ich darin eine außerordentlich
schöne und erhebende Seite neben mannigfachen unlautern Elementen (ultramonta-
nen!), welche sie zu schlechten Zwecken auszubeuten suchen: das nationale Gefühl,
die Einsicht der Nothwendigkeit, daß Deutschland als Ganzes sich eine Weltstellung
erringen müsse." — Diese Einsicht zu befriedigen, ist jetzt hauptsächlich in die Hand
Preußens gelegt, und die bisherigen Schritte der Regierung lassen uns hoffen daß
,
t 5 sie ihre Ausgabe richtig begreift.




Briefe von Beethoven.
'

Im Sommer 1812 war Beethoven eine Badecur in Töplitz verordnet. Einer
der wenigen vornehmen Musikfreunde, mit welchen Beethoven in einem wahrhaft
herzlichen freundschaftlichen Verhältniß stand, Graf Franz von Brunswick,
der damals in Pesth lebte, hatte ebenfalls die Absicht, dort das Bad zu gebrauchen
und schrieb an Beethoven, um wegen einer gemeinschaftlichen Reise Verabredung zu
treffen. Hocherfreut antwortete ihm Beethoven am 18. Juni.


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[0246] Oestreich aber soll gar dreien Herrn sich ganz widmen, Deutschland, Italien und dem Osten, Ist es in seinem italienischen Besitzthum bedroht, so schreit es: zu Hilft! ich bin eine rein deutsche Macht. Wankt seine Stellung im Osten, so ruft es: der zu mir, sonst bricht die Revolution in Italien und Deutschland aus. Soll es mit seiner Macht, seinem diplomatischen Gewicht, seinem Ansehn eine deutsche Sache unterstützen, so hat es im Osten und in Italien zu thun; soll es im Osten die Interessen Deutschlands fördern, so bindet ihm Italien die Hände. Es ist in der Politik, was Herr Vielgcschrci in der Holbcinischcn Komödie, der stets unendlich viel zu thun hat mit dem, was er nicht thun sollte und niemals Zeit hat zu thun, was nöthig wäre. Es drängt aber dieser unselige Schwebezustand nothwendig zu Ver¬ folgung einer abgeschlossenen Hauspolitik, welche in keiner Weise großartige Gesichts¬ punkte erfassen, sondern einzig und allein in kleinern Gesichtskreisen sich bewegen muß, die stets nur darauf abzielen, in ängstlicher Weise die Herrschaft des Kaiserhauses zu erhallen und jede Volksregung zu unterdrücken." — „Man schütze das Bundesgebiet und erkläre, daß die geringste Verletzung dieses Bundesgebiets unmittelbar den Bundes- kricg zur Folge haben werde; man bewaffne die Festungen, man mache die Eolonnc» marschbereit. . . aber man halte sich auch streng an die Verpflichtungen der Bundes¬ verfassung . . . Oder soll der deutsche Bund beständig in die Lage gesetzt werden, seine militärischen Kräfte zum Schutz für Gebietsteile aufrecht zu erhalten, die ihm nur Verlegenheiten bereiten?" „Von diesen Gebieten hat Deutschland keinen andern Vortheil gehabt, als Schwächung seiner Macht, als Zerrüttung seiner innern Ver¬ hältnisse." „Man sollte doch aus Erfahrung wissen, daß noch niemals bei politischer Ebbe eine Aenderung in den Zuständen Deutschlands erreicht werden konnte." „Betrachte ich die Bewegung in Deutschland, so finde ich darin eine außerordentlich schöne und erhebende Seite neben mannigfachen unlautern Elementen (ultramonta- nen!), welche sie zu schlechten Zwecken auszubeuten suchen: das nationale Gefühl, die Einsicht der Nothwendigkeit, daß Deutschland als Ganzes sich eine Weltstellung erringen müsse." — Diese Einsicht zu befriedigen, ist jetzt hauptsächlich in die Hand Preußens gelegt, und die bisherigen Schritte der Regierung lassen uns hoffen daß , t 5 sie ihre Ausgabe richtig begreift. Briefe von Beethoven. ' Im Sommer 1812 war Beethoven eine Badecur in Töplitz verordnet. Einer der wenigen vornehmen Musikfreunde, mit welchen Beethoven in einem wahrhaft herzlichen freundschaftlichen Verhältniß stand, Graf Franz von Brunswick, der damals in Pesth lebte, hatte ebenfalls die Absicht, dort das Bad zu gebrauchen und schrieb an Beethoven, um wegen einer gemeinschaftlichen Reise Verabredung zu treffen. Hocherfreut antwortete ihm Beethoven am 18. Juni.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/246>, abgerufen am 22.12.2024.