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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.

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Die Goldsrage.
2.

Je aufmerksamer und anhaltender man sich mit der Statistik der Gewin¬
nung, der Vertheilung und des Verbrauchs der Edelmetalle beschäftigt, desto
wehr muß die Ueberzeugung sich aufdrängen, daß, wie unentbehrlich auch
Zahleneingaben hierüber sind, um mit Benutzung derselben zu argumentiren,
dieselben ungeachtet aller Sorgfalt doch in den meisten Beziehungen keinen
höhern Werth als nur den einer annähernden Veranschlagung und einer mehr
oder minder gewagten Schätzung beanspruchen können. Was den jährlichen
Zuwachs zum Goldvorrath anlangt, so läßt sich über dieses Hauptmoment
allerdings durch die declarirten Verschiffungen in den Hauptproductionslnndern,
Kalifornien und Australien, eine für den allgemeinen volkswirtschaftlichen Zweck
hinlänglich zuverlässige Ermittlung zu Wege bringen, indem es bei dem enor-
men Umfang der so constatirten Goldgewinnung nicht darauf ankommen kann,
ob für die nicht declarirte Goldausfuhr aus den erwähnten Ländern einige
Millionen Thaler mehr oder weniger veranschlagt werden. Dagegen sind die
Schätzungen über die Vertheilung, die Verwendung und das Verlorengehen
der Edelmetalle um so schwieriger und unsicherer. Man weiß allerdings genau,
welche Summen an Goldmünzen jährlich in den großen öffentlichen Münz¬
anstalten geprägt werden, allein man erfährt nicht, wie beträchtlich dabei die
Menge der nur ungeprägtem Goldmünzen gewesen. Werden doch z. B. be¬
deutende Partien von ganz neuen Sovereigns und Halbimperialien in Paris
Zu Zwanzigfrankstücken umgeprägt! Man kann also nicht ohne weiteres aus
dem Betrag der Ausmünzungen auf die Größe der in Emulation gekomme¬
nen neuen Goldmenge schließen. Sehr schwierig sind ferner die Schätzungen
über die jährliche Verwendung des Goldes zu Luxusgegenständen und techni¬
schen Zwecken, so wie über den Verlust durch die Abnutzung in der Circulation;
wir stimmen aber mit Herrn Chevalier darin überein, daß der auf diese Weise
jährlich absorbirte Goldbetrag, wenn man dafür auch einen möglichst hohen
Anschlag macht, doch im Vergleich mit der jetzigen Production von unter¬
geordneter Bedeutung sür das Allgemeine erscheinen muß. Dagegen halten
wir die Voraussetzung, daß sür das Aufstapeln und theilweise Vergraben von
Goldmünzen gegenwärtig nur ein verhältnißmäßig geringer Belauf anzunehmen
sei, für höchst problematisch. In dieser Beziehung ist man der Natur der
Sache nach ganz und gar auf bloße Vermuthungen angewiesen. In der Tür¬
kei, im südlichen Nußland, in den Donauländern und selbst auch heim Land¬
volk in andern Ländern ist das Anhäufen und unthätige Aufbewahren von


Die Goldsrage.
2.

Je aufmerksamer und anhaltender man sich mit der Statistik der Gewin¬
nung, der Vertheilung und des Verbrauchs der Edelmetalle beschäftigt, desto
wehr muß die Ueberzeugung sich aufdrängen, daß, wie unentbehrlich auch
Zahleneingaben hierüber sind, um mit Benutzung derselben zu argumentiren,
dieselben ungeachtet aller Sorgfalt doch in den meisten Beziehungen keinen
höhern Werth als nur den einer annähernden Veranschlagung und einer mehr
oder minder gewagten Schätzung beanspruchen können. Was den jährlichen
Zuwachs zum Goldvorrath anlangt, so läßt sich über dieses Hauptmoment
allerdings durch die declarirten Verschiffungen in den Hauptproductionslnndern,
Kalifornien und Australien, eine für den allgemeinen volkswirtschaftlichen Zweck
hinlänglich zuverlässige Ermittlung zu Wege bringen, indem es bei dem enor-
men Umfang der so constatirten Goldgewinnung nicht darauf ankommen kann,
ob für die nicht declarirte Goldausfuhr aus den erwähnten Ländern einige
Millionen Thaler mehr oder weniger veranschlagt werden. Dagegen sind die
Schätzungen über die Vertheilung, die Verwendung und das Verlorengehen
der Edelmetalle um so schwieriger und unsicherer. Man weiß allerdings genau,
welche Summen an Goldmünzen jährlich in den großen öffentlichen Münz¬
anstalten geprägt werden, allein man erfährt nicht, wie beträchtlich dabei die
Menge der nur ungeprägtem Goldmünzen gewesen. Werden doch z. B. be¬
deutende Partien von ganz neuen Sovereigns und Halbimperialien in Paris
Zu Zwanzigfrankstücken umgeprägt! Man kann also nicht ohne weiteres aus
dem Betrag der Ausmünzungen auf die Größe der in Emulation gekomme¬
nen neuen Goldmenge schließen. Sehr schwierig sind ferner die Schätzungen
über die jährliche Verwendung des Goldes zu Luxusgegenständen und techni¬
schen Zwecken, so wie über den Verlust durch die Abnutzung in der Circulation;
wir stimmen aber mit Herrn Chevalier darin überein, daß der auf diese Weise
jährlich absorbirte Goldbetrag, wenn man dafür auch einen möglichst hohen
Anschlag macht, doch im Vergleich mit der jetzigen Production von unter¬
geordneter Bedeutung sür das Allgemeine erscheinen muß. Dagegen halten
wir die Voraussetzung, daß sür das Aufstapeln und theilweise Vergraben von
Goldmünzen gegenwärtig nur ein verhältnißmäßig geringer Belauf anzunehmen
sei, für höchst problematisch. In dieser Beziehung ist man der Natur der
Sache nach ganz und gar auf bloße Vermuthungen angewiesen. In der Tür¬
kei, im südlichen Nußland, in den Donauländern und selbst auch heim Land¬
volk in andern Ländern ist das Anhäufen und unthätige Aufbewahren von


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[0233] Die Goldsrage. 2. Je aufmerksamer und anhaltender man sich mit der Statistik der Gewin¬ nung, der Vertheilung und des Verbrauchs der Edelmetalle beschäftigt, desto wehr muß die Ueberzeugung sich aufdrängen, daß, wie unentbehrlich auch Zahleneingaben hierüber sind, um mit Benutzung derselben zu argumentiren, dieselben ungeachtet aller Sorgfalt doch in den meisten Beziehungen keinen höhern Werth als nur den einer annähernden Veranschlagung und einer mehr oder minder gewagten Schätzung beanspruchen können. Was den jährlichen Zuwachs zum Goldvorrath anlangt, so läßt sich über dieses Hauptmoment allerdings durch die declarirten Verschiffungen in den Hauptproductionslnndern, Kalifornien und Australien, eine für den allgemeinen volkswirtschaftlichen Zweck hinlänglich zuverlässige Ermittlung zu Wege bringen, indem es bei dem enor- men Umfang der so constatirten Goldgewinnung nicht darauf ankommen kann, ob für die nicht declarirte Goldausfuhr aus den erwähnten Ländern einige Millionen Thaler mehr oder weniger veranschlagt werden. Dagegen sind die Schätzungen über die Vertheilung, die Verwendung und das Verlorengehen der Edelmetalle um so schwieriger und unsicherer. Man weiß allerdings genau, welche Summen an Goldmünzen jährlich in den großen öffentlichen Münz¬ anstalten geprägt werden, allein man erfährt nicht, wie beträchtlich dabei die Menge der nur ungeprägtem Goldmünzen gewesen. Werden doch z. B. be¬ deutende Partien von ganz neuen Sovereigns und Halbimperialien in Paris Zu Zwanzigfrankstücken umgeprägt! Man kann also nicht ohne weiteres aus dem Betrag der Ausmünzungen auf die Größe der in Emulation gekomme¬ nen neuen Goldmenge schließen. Sehr schwierig sind ferner die Schätzungen über die jährliche Verwendung des Goldes zu Luxusgegenständen und techni¬ schen Zwecken, so wie über den Verlust durch die Abnutzung in der Circulation; wir stimmen aber mit Herrn Chevalier darin überein, daß der auf diese Weise jährlich absorbirte Goldbetrag, wenn man dafür auch einen möglichst hohen Anschlag macht, doch im Vergleich mit der jetzigen Production von unter¬ geordneter Bedeutung sür das Allgemeine erscheinen muß. Dagegen halten wir die Voraussetzung, daß sür das Aufstapeln und theilweise Vergraben von Goldmünzen gegenwärtig nur ein verhältnißmäßig geringer Belauf anzunehmen sei, für höchst problematisch. In dieser Beziehung ist man der Natur der Sache nach ganz und gar auf bloße Vermuthungen angewiesen. In der Tür¬ kei, im südlichen Nußland, in den Donauländern und selbst auch heim Land¬ volk in andern Ländern ist das Anhäufen und unthätige Aufbewahren von

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/233>, abgerufen am 22.12.2024.